Am Hof des chassidischen Rabbis Melech, tief im Galizien der Jahrhundertwende: nachdem er bereits 3 Ehefrauen unter die Erde gebracht hat, lebt der alte Rabbi nun mit einer Horde Kinder und Kindeskinder auf seinem verlotterten Gut und hat sich eigentlich auch schon eine neue Frau ausgeguckt. Die, einige Jahrzehnte jünger, ist freilich wenig begeistert, diesen eigensinnigen alten Kerl heiraten zu müssen. Zunächst ein Mal muss der Rabbi allerdings seine jüngste Tochter unter die Haube bringen. Als Schwiegersohn hat er den Sohn des vornehmen und hochgebildeten Rabbi eines Nachbarstädtchens auserkoren, und so gelangt der gerade einmal 14 Jahre alte Nachum an den Hof, und wird mit einem großartigen Fest mit Serele verheiratet.
Allerdings, was der Rabbi nicht ahnen kann, markiert diese Hochzeit den Niedergang seines Hofstaates. Nicht nur, dass die Ehe seiner Tochter mit Nachum ganz anders verläuft, als er sich das vorgestellt hat, auch seine eigene Ehe mit Malka bereitet ihm mehr Verdruss als Freude. Und irgendwann eskaliert die Situation.
Mit diesem Buch liefert Singer ein beeindruckendes Kaleidoskop einer untergegangenen Welt. Das zwischenmenschlichen Tohuwabohu am Hof, die Rivalitäten zwischen den Anhängern der verschiedenen chassidischen Rabbis, die Fallstricke eines gottgefälligen jüdischen Lebens in einem chistlichen Umfeld werden derart lebendig geschildert, dass diese fremde Welt förmlich vor Augen ersteht. Und diese Welt ist wirklich fremd! Chassidische Frömmigkeit trifft auf tiefverwurzelten Aberglauben, hochgelehrte Rabbiner bevölkern das Buch genauso wie versoffene Synagogendiener, heißblütige Schönheiten und gerissene Pferdehändler. Derb geht es hier zu, viel Freundlichkeit findet sich in diesem Roman nicht, dafür jede Menge abgründigen Humor. Vor dieser Kulisse tritt die eigentliche Geschichte in den Hintergrund, die sich zwar tatsächlich so oder so ähnlich zugetragen haben soll, aber mir dennoch genau so seltsam erschien wie diese weitestgehend abgeschlossene Gesellschaft.
Über den Autor
Israel J. Singer, der ältere Bruder des Nobelpreisträgers Isaac B. Singer, wurde 1893 in Bilgorij, Polen, geboren. 1934 ging er nach New York, wo er 1944 starb.