Nemesis - Philip Roth

  • Ein beeindruckender Roman (mal wieder) von Philip Roth.


    Als 1944 in Newark eine Polio-Epidemie ausbricht, versucht der junge Sportlehrer Bucky Cantor, der wegen seiner schlechten Augen nicht eingezogen wurde, die Ruhe zu bewahren, den Kindern ein Gefühl von Normalität zu vermitteln und nicht in die Panik der anderen einzusteigen. Doch als seine Freundin, die große Angst hat, er könne sich anstecken, ihn bittet, zu ihr in ein Ferienlager zu kommen, um wie sie dort als Betreuer zu arbeiten, gibt er ihrem Wunsch schweren Herzens nach, obwohl er das Gefühl hat, seine Schützlinge zu verraten und feige im Stich zu lassen. Als dort ebenfalls die Polio ausbricht, hat er nur einen Gedanken: ich bin schuld, weil ich die Krankheit mitgebracht habe.


    Roths Bücher haben sich verändert. Wo er früher, wie soll ich es nennen, ausführliche Schmöker schrieb, bei denen man die Handlung von A-Z durchgängig erzählt bekommt, schrieb er in den letzten Jahren eher kurze Bücher, bei denen ich 10-20 Seiten vor Ende immer erschrocken dachte: nur noch 10 Seiten und wir sind mitten im Geschehen, wie kann das Buch da sinnvoll enden?!
    Gerade das finde ich auch bei Nemesis wieder besonders beeindruckend, dass Roth einem eine kurze Episode aus jemandes Leben erzählt und dann am Ende aufgrund der Erzählperspektive es schafft, dass diese Episode mehr ist als nur die Geschichte über ein bestimmtes Ereignis und sich zu einem Ganzen fügt. (Ich weiß nicht, wie ich das anders ausdrücken soll. Vielleicht versteht mich ja jemand :lache)
    Mich hat das Buch zum Nachdenken gebracht. Es geht im Kern um die Frage: Warum lässt Gott die Menschen leiden? Warum müssen Menschen leiden? Unschuldige Kinder, die nie wem was getan haben. Diese Frage stellt sich wohl jeder mal im Leben. (auch wenn man nicht gläubig ist, wie ich. Aber so fragt man sich doch: warum???) Und Roth gibt eine für mich erstaunliche und schöne Antwort. Nämlich gar keine. Aber er stellt zwei Lebensläufe vor, den eines Atheisten ( der Erzähler) und den des gläubigen Bucky, und letztlich wird klar, ob mit oder ohne Gott und ohne zu wissen warum, das Leiden gehört zum Leben und man kann es trotzdem meistern - oder leider auch nicht.
    Ich fand das Buch genial, vergebe 10 Punkte und hoffe, dass viele es lesen.


    Und ich fänd auch eine weitere Diskussion hier im Forum schön. Auch wenn der Thread schon länger nicht besucht wurde, aber ich stimme Vulkan voll und ganz zu. Bucky ist zwar rundum sympathisch und liebenswert. Aber auch hochmütig, wie sonst könnte man denken, man sei von Gott verflucht, allen nur Unglück zu bringen? Auch wenn Bucky leidet, so hat er doch offenbar den arroganten Gedanken, so wichtig zu sein, dass er allen nur Leid bringt. Zu denken: wenn ich den Raum betrete, bringe ich allen Unglück, ist genauso hochmütig wie der Gedanke, allen Glück zu bringen, sobald ich den Raum betrete. Und eigentlich geht es für mich auch genau darum in dem Buch.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

  • Schwierig für mich, eine Rezension zu verfassen. Wenn man die großen Meister zu kritisieren wagt, einem aber die richtigen Formulierungen für die eigenen Gedanken nicht so zum Ausdruck zufliegen, kann man sich eigentlich nur hinlegen und die großen Wellen der Empörung der Fans über sich ergehen lassen, oder?


    Ich fand die Geschichte interessant zu lesen, einiges habe ich wieder dazugelernt (denn ja, Asche auf mein Haupt, ich wusste nicht, dass Roosevelt an Polio erkrankt war), auch über die Krankheit Polio.


    Leider sind mir jedoch die Figuren nicht nahe genug gekommen, um mich wirklich betroffen und/oder mitfühlend zu machen. Die Erzählweise hätte in der Ich-Form nicht geschadet; der Bericht durch eine dritte Person macht es sehr distanziert. Und so ist es eben genau das: ein Bericht über eine Hauptperson, über die ich öfter einfach nur den Kopf schütteln konnte.


    Der Schreibstil Roths hat mir eigentlich gefallen, dennoch bin ich mir nicht sicher, ob ich noch weitere Bücher von ihm lesen werde.


    8 Punkte von mir.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Beeindruckend ist dieses Buch von Philip Roth allemal.


    Man wird schon nachdenklich, wenn man mitbekommt, dass da ein junger Mann sich selbst ausgrenzt, weil er denkt, es nicht mehr wert zu sein als vollwertig angesehen zu werden und zudem große Schuld auf sich geladen zu haben glaubt.
    Eindringlich erzählt in einer klaren Sprache, leidet man mit mit diesem Protagonisten, schüttelt den Kopf ob dessen abstrusen Gedankenganges und doch, ich empfand schon Mitgefühl.


    Ansonsten hat ja Buzzaldrin schon alles gesagt :-) besser als ich es kann.