Nachttrümmer ~ Matthias Triebel

  • Kurzbeschreibung:
    Nur das Wochenende zählt: Zwei Twentysomethings, Karla und Christoph, treiben durch die Nacht wertvolle Stunden, in denen gelacht und getanzt, geflirtet und getrunken wird. Immer auf dem Sprung, immer auf der Suche: Wer bin ich? Und warum? Und wo gibt's was zu trinken? Ein bemerkenswertes Debüt - schnell, heftig, erfüllt von der Poesie der Großstadt.


    Klappentext:
    "Viele Jungs denken, guck mal, ein Mädchen das so viel säuft, wie stillos. Aber ich bin gerne betrunken. Warum sollen nur Männer Spaß haben? Nein, ich gebe nichts auf Geschlechterkampf, ich trinke einfach nur gerne" Karla


    Another day comes, another day goes: Christoph und Karla treiben durch die Nacht - wertvolle Stunden, in denen getanzt und gelacht, geflirtet und getrunken wird.
    Immer auf dem Sprung, immer auf der Suche: as mach' ich hier? Was soll das alles? Und kann mal jemand das Licht ausmachen?


    Meine Meinung:
    Ich habe mich treiben lassen durch das Leben von Christoph und Karla - so, als ob ich die 3. Person im Bunde wäre, die einfach nur da ist, 316 genußvolle Seiten lang...
    Und außerdem: Wahnsinnssätze... zwischendurch... ich habe Gänsehaut beim Lesen bekommen - Matthias Triebel - meine Hochachtung! :-]

  • Leseproben Karla und Christoph:


    ( Samstag, 0:38 Uhr )


    KARLA
    Wir betreten den Innenraum des Clubs, Neonlicht umfängt uns, es ist übervoll. Ich gehe langsam umher, verliere Sarah sofort aus dem Augen. Neugierig laufe ich durch alle Räume, sauge die Umgebung auf. Ich bestelle mir was und setze mich an die Theke. Eigentlich immer sehr gefährlich für eine Frau, sich allein an die Bar zu setzen, viele Typen denken, das sei eine Aufforderung. Komisch, denn Jungs habe ich schon oft allein an der Theke lehnen sehen, lässig mit einem Glas an der Hand, darauf wartend, dass eine Frau sie anspricht – aber denen passiert das eigentlich nie. Und mir ? Möchte ich, dass es mir passiert? Eigentlich nicht. Oder ? Die Gesellschaftlichen Strukturen verschieben sich zu unseren Gunsten, doch bei den klassischen Ritualen bleibt alles beim Alten: die Kerle müssen uns ansprechen, uns erobern. Und das ist hier ist das nächtliche Jagdrevier, das jedem offen steht. Oft weiß ich nicht, als was ich mich definieren sollte: Jägerin? Gejagte? Beute? Beobachterin ? Hyäne?


    Alles kann stimmen, all diese Positionen habe ich schon eingenommen, oft die ganze Bandbreite an einem Abend und dann wieder weiter. Oft kommt dann ein Mann, lädt mich auf ein Getränk ein, gibt sich redlich Mühe. Alles vergebens. Ich bin meist nur Beobachterin, lasse keine Jäger an mich rann. Noch erhabener finde ich mich in der Rolle der Hyäne. Ich verfolge die Rituale der all dieser Leute, all dieser nächtlichen Komödien, die oft in kleinen Tragödien enden, und weide mich an den Enttäuschungen meiner Mitmenschen. Ich schaue ihnen allen zu, wie sie sich gegenseitig umkreisen. Wie sie alle näher aneinander rücken, sie wieder entfernen. Natürlich warte ich darauf, dass jemand stolpert, fällt,...


    Natürlich bilde ich mir ein, nicht wirklich an diesen Ritualen teilzunehmen. Rede mir ein, über ihnen allen zu stehen. Rabenschwarze, Mitleid erregende Seele, die ich mein Eigen nenne ... Dabei habe ich nur Schiss, Angst vor der Nähe der anderen. Darum weise ich allen von mir. Nie Opfer sein. Immer nur Täter.

    (Samstag, 20:04 Uhr )


    Christoph
    Während ich mich rasiere, steht ein offenes Becks neben meinem Badezimmerspiegel, ich nehme einen ordentlichen Schluck und denke an den neuen Laden, von dem mir Jens erzählt hat. Ich verdränge den Gedanken an mein Konto, das heute Abend wohl wieder arg in Mitleidenschaft gezogen wird, und an all die Leute, die in diesem Moment auch biertrinkend vorm Spiegel stehen und ihre jämmerlichen Kröten zählen mit dem Bewusstsein, das heute Nacht bei der Heimkehr die Börse komplett leergefegt sein wird. Und obwohl man in dem Laden und in der hippen neuen Kneipe war und obwohl man Hunderte von hübschen Frauen gesehen und vielleicht mit der einen oder anderen gequatscht hat, kommt man mal wieder alleine nach Hause. Drauf geschissen. Ich lasse mir nicht wieder durch mich selbst die gute Stimmung vermiesen! Und trotzdem macht man es immer wieder, geht wieder und wieder zur Tür raus, obwohl es sinnlos ist. Doch die Geilheit – nicht die Geilheit auf Sex, nein, die Geilheit auf Leben, auf Party, auf Spaß – ist größer als der Verstand. Glücklicherweise. Sonst ginge ja nichts mehr ab.


    Und die Frauen? Die gehen natürlich auch raus, in einer kreischenden Mädchenclique oder mit der besten Freundin; sie gehen raus, um Geld unter die Leute zu bringen, um kleine Jungs oder geile, alte Säcke scharfzumachen, oder manchmal auch einfach nur mit dem frommen und durchaus legitimen Wunsch, irgendwo in aller Ruhe ein paar Bier trinken zu können - ohne Männer, ohne lahme, nach Schnaps und Kippen stinkenden sabbernden Freitagabend-Romeos.


    Wir alle haben unsere Gründe, um trotz all dieser Schwierigkeiten in die Stadt zu gehen und was zu trinken. Und während ich einen weiteren Schluck aus meiner Flasche trinke, klatsche ich mir ein Extraportion Aftershave ins Gesicht, in der wahnsinnigen Hoffnung, das dieses Zeug meine Chancen beim weiblichen Geschlecht heute Abend irgendwie erhöhen könnte. Dann glotze ich in den Spiegel und sage laut: „Du bist wirklich ein jämmerlicher Waschlappen!“ Sage den Satz noch mal, fange dann an zu grinsen, trinke das Bier aus und schließe mit guter Laune meine Vorbereitungen ab.


    Ich trete auf die Straße, ein sanfter Wind weht mir um die Nase. Es ist eine Illusion, aber es liegt was in der Luft, etwas, das schwer zu greifen ist. Ich bleibe kurz stehen, sehe die vorbeiziehende Straßenbahn, den Puff gegenüber, lausche dem Sound der Straße. Dann stecke ich die Hände in die Manteltasche und gehe los.