Ursula Gräfe las aus Haruki Murakamis "1Q84" am 28.Januar 2011 im Literaturhaus Schleswig-Holstein
Auf Einladung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Schleswig-Holstein und des Literaturhauses las die bekannte Murakami-Übersetzerin
Ursula Gräfe aus dem jüngsten Buch des japanischen Bestsellerschriftstellers und nutzte die Gelegenheit, über ihre Tätigkeit zu berichten.
Nach der obligatorischen Begrüßung durch den Leiter des Hauses Herrn
Dr. Sandfuchs ergriff der Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Gesellschaft
Dr. Peter Janocha das Wort, um Ursula Gräfe kurz vorzustellen und gleichzeitig für einen Auftritt nach Erscheinen des letzten Teiles der Trilogie zu verpflichten.
In ihrer Einführung erläuterte die Übersetzerin zunächst den Zuhörern,
die der japanischen Sprache nicht mächtig sind, was hinter dem Titel "1Q84"
(gesprochen: Q1084) steckt und sorgte mit der Offenbarung, dass das englische "Q" ähnlich wie die Zahl 9 ("kyuu")in der japanischen Sprache
ausgesprochen wird und damit an Orwells "1984" erinnert für einige Aha-Effekte im Publikum. Im Gegensatz zu Orwell verzichte Murakami bewusst auf den Einsatz von Technik (z.B. Internet, Handy) und setze weder auf eine Utopie noch wolle er Gesellschaftskritik üben, so die Übersetzerin.
Das Erstaunen der Zuhörer schlug sofort in Freude um als Ursula Gräfe bekannt gab, dass den Teilen 1 und 2, die in Deutschland in einem Band
zusammengefasst wurden, im Herbst 2011 der dritte Band mit geschätzten 800 Seiten fast zeitgleich mit der englischen Ausgabe erscheinen wird.
Den Erläuterungen nachfolgend las die Übersetzerin mit sehr ruhiger Stimme einige Abschnitte vor, die die mystischen Elemente des Romans wohlwollend betonten. Zwischen den Abschnitten gab es Gelegenheit, Fragen zu stellen.
Der Bitte einer Zuhörerin, einen Buchabschnitt sowohl in japanischer Sprache als auch in deutscher Übersetzung zu lesen, konnte leider nicht entsprochen werden, da es an einer japanischen Ausgabe von "1Q84" mangelte,
doch dank ihrer Spontaneität zitierte Ursula Gräfe zweisprachig aus einem ihrer Aufsätze über Übersetzungsarbeit, so dass sich die Zuhörer ein Bild
über ihr Tätigkeitsfeld machen konnten. Im Anschluss kamen aus dem Publikum konkrete Nachfragen, insbesondere warum viele japanische Romane in deutscher Sprache aus dem Englischen übersetzt vorliegen würden.
Wie nicht anders zu erwarten verwies Frau Gräfe auf den Umstand, dass es im deutschsprachigen Raum nur wenige Übersetzer für diese ostasiatische Sprache gäbe, viele Verlage sich mit der Zeitproblematik konfrontiert sähen und eine zeitnahe Übersetzung bevorzugen würden und
deshalb auf die englischen Übersetzungen zurückgreifen würden.
Murakami selbst begrüße eine schnelle Übersetzung und nähme dabei auch in Kauf, dass dann abstriche gemacht werden müssten.
Aufschlussreich waren zudem die Äußerungen, wie in die englische Sprache (besonders für den amerikanischen Markt) übersetzt wird, da Ursula Gräfe auch aus dieser Sprache übersetzt und in diesem Zusammenhang die Worte "publikumsgefällig" und "Schnodderigkeit" fielen, wobei der Gast einräumte, dass diese Art Literatur zu übertragen nicht schlecht sein müsse, doch einen anderen Eindruck erwecke, wenn nun von der englischen Übersetzung in die deutsche Sprache übersetzt würde. Ergänzend berichtete Ursula Gräfe anhand eines Beispiels aus "1Q84", welche Probleme bei einer Direktübersetzung entstehen, wenn von einer Sprache in eine andere, die nicht innerhalb der gleichen Sprachklassifikation liegt, übersetzt wird und zugleich mehrere Schriftsysteme benutzt werden.
Mit der Zusage, nach Erscheinen des letzten Teils der Murakami-Trilogie, das Literaturhaus erneut zu besuchen, beendete Ursula Gräfe einen höchstinteressanten und kurzweiligen Literaturabend, der nicht nur Linguistikliebhaber erfreut haben dürfte.