One bullet away/Nathaniel Fick

  • UT: The making of a Marine Officer


    Autor:
    Nathaniel Fick, geboren 1977, ist dem Marine Corps 1999 als Second Lieutenant beigetreten und hat es 2004 als Captain verlassen. Nach seinem Abschluss auf Harvard ist er zur Zeit als CEO des „Center for a new American Security“ tätig, einem Think Tank zu Fragen der Sicherheit in Washington, wo er mit seiner Familie lebt.


    (Der gute Mann hat ja keine Ahnung, welche Probleme mir sein Name beschert. Um nicht im Wortfilter von Amazon zu enden, musste ich die gesamte Rezension dort schreiben, ohne seinen Nachnamen ein einziges Mal zu erwähnen. Wirklich nicht einfach! Es ist zwar nur ein Wort, aber trotzdem werde ich mir hier die Vertraulichkeit erlauben, ihn beim Vornamen zu nennen.)


    Inhalt + Meinung:
    Nathaniel Fick erzählt in diesem Buch warum und wie er 1999, also vor 9/11, Offizier im Marine Corps wurde und von seinen beiden Kriegseinsätzen danach, Afghanistan 2001 und mit seinem Recon Platoon 2003 bei der Invasion des Irak. Der zweite Einsatz ist bereits gut dokumentiert durch Evan Wrights Buch „Generation Kill“ und die gleichnamige TV-Verfilmung. Also kann man sich das Buch hier sparen? Gewiss nicht, wenn einen das Thema interessiert. Wright ist Zivilist und saß gemeinsam mit den Marines im Humvee, während Nate Offizier und Platoonführer ist und alles mit ganz anderen Augen sieht.


    Schon seine Ausbildung ist sehr interessant, aber vor allem sein erstes Kommando als Platoonführer einer Infanterietruppe. Hier erfährt man, wie wichtig gute Sergeants sind, vor allem für einen jungen Offizier wie Nate. Er hatte offenbar stets Glück mit seinen, weil er am Beginn seiner Karriere einen mit dem schönen Namen Sergeant Marine zur Seite hatte, von dem er viel gelernt hat, ebenso von Captain Whitmer, seinem ersten Kompaniekommandanten.
    Während den Ereignissen von 9/11 befindet er sich auf einem Einsatz auf hoher See und wird mit seinen Marines – und Marine – direkt nach Afghanistan verschifft. Der Einsatz in Afghanistan ist komplett anders als der im Irak, nicht zuletzt weil er hier noch einer normalen Infanterietruppe angehört und gleichrangige Kameraden und Freunde zur Seite hat und weil er dort niemals in wirkliche Kampfhandlungen verwickelt war. Durch die Freundschaft zu einem Captain der sog. Recon Marines, der sich Nate als Nachfolger für das Kommando seines Platoons wünscht, bewirbt er sich um Aufnahme bei dieser Elitetruppe.


    Dann setzt bald die Geschichte ein, wie Wright sie bereits erzählt hat, aber, wie gesagt, doch komplett anders. Nate selbst erklärt es recht schön. Das Platoon wird von ihm gemeinsam mit einem Platoon Sergeant, Mike Wynn, der bald ein guter Freund werden soll, geführt. Die Aufgabe des Kommandanten ist es, für die Ausführung der Befehle zu folgen, die des Platoon Sergeants ist es, für die Männer zu sorgen. Doch Nate tut beides. Wie er selbst am Ende schreibt:


    Zitat

    Great Marine Commanders, like all great warriors, are able to kill what they love most – their men. It’s a fundamental law of warfare. Twice I had cheated it. I couldn’t tempt fate again.


    S. 364


    Das ist es letzten Endes auch, was ihn dazu bringt, das Corps zu verlassen. Ob ihn das zu einem guten oder schlechten Offizier macht, sei dahingestellt. Seine Männer (siehe auch Wright) scheinen da keinen Zweifel zu haben, seine Vorgesetzten sehen es wohl anders. Es hilft hier sehr, dass wir durch Wright bereits wissen, wie die Männer Nate einschätzen und welchen Eindruck er selbst von ihm hat.


    Nate ist aber doch Offizier genug, um sich meist allzu harscher Kritik an seinen Oberen zu enthalten. Ihre Befehle sind teilweise absurd gefährlich, doch betrachtet er es nicht als seine Aufgabe, darüber zu urteilen. Außer, wenn es zu weit geht, wie bei seinem Captain, gegen den er sich nicht nur einmal stellt, zum Wohl seiner Männer. Aber Geschichten über gemeingefährliche Offiziere wie bei Wright liest man hier nicht. Jedoch denkt er sehr wohl laut darüber nach, dass er sich ein Urteil nicht erlauben will. Dass er es trotzdem tut, ist offensichtlich. Er sagt auch offen, dass er Soldat genug war, um die Befehle, die ihn in diese Länder geführt haben, nie zu hinterfragen, weil es nicht seine Rolle war. Die war es, sie auszuführen. Die Verantwortung für die großen Fragen überlässt er den anderen. Zumindest denkt er aber soweit darüber nach, dass er darüber eben nicht nachdenken sollte.


    In einem sehr interessanten Abschnitt diskutiert er den Unterschied zwischen rechtlicher und moralischer Autorität. Die erste gewährt ihm sein Rang und die zweite seine Männer. Es ist klar, welche zu erhalten und bewahren die schwierigere ist und welche für ihn schwerer wiegt.
    Er schreibt auch sehr offen über seine eigenen Zweifel und Ängste und dass ein Platoonkommandant zeitweise ein sehr einsamer Mensch ist, da er manches auch nicht seinem engsten Vertrauten Gunny Wynn mitteilen kann.


    Es sind vor allem zwei Ereignisse, bei denen er kurzfristig am Ende seiner Kräfte ist. Zum einen die üble Geschichte der beiden angeschossenen Beduinenknaben, für die er sich die Schuld gibt und an der sein Platoon beinahe zerbricht und dann ein komplett verrückter Angriff auf eine Stadt, bei dem er das erste Mitglied seines Platoons durch eine Schusswunde verliert. Auch hier ist es höchst interessant, wie der Verlust dieses einen Mannes, der noch am Leben ist und sich wieder erholen wird, sie dennoch alle in ihren Grundfesten erschüttert. Ausnahmesituation ist gar kein Ausdruck mehr für das, was sie erleben. Interessant sind auch seine Selbstbeobachtungen, wenn ihn der Rausch des Kampfes überfällt und wie er damit umgeht.


    Am Ende, in die USA zurückgekehrt, weiß er, dass er das Corps verlassen muss, weil er zweimal das Glück hatte, keinen seiner Männer sterben sehen zu müssen. Er kann das Schicksal nicht noch einmal herausfordern und er gesteht sich ein, kein geborener „Krieger“ zu sein, wobei ihn eine weitere Karriere auch von dem wegführen würde, was ihm am meisten am Herzen liegt, dem Platoon. Außerdem hat ihn der Krieg auf eine Weise verändert, die ihn erschreckt.
    Nach anfänglichen Zweifeln über seine Zeit bei den Marines wird ihm, wie so vielen vor ihm, klar, wofür er wirklich gekämpft hat, nicht für die Freiheit der überfallenen Länder, nicht für Öl, nicht für sein Land, sondern für seine Männer. Und darauf ist er stolz.


    So viel wollte ich gar nicht schreiben. Aber das Buch hat mich sehr beeindruckt, wie man sieht. Ich interessiere mich für „Kriegszeug“, aber immer mit dem Fokus auf dem menschlichen Faktor. Wer sind diese Menschen, die sich Uniformen anziehen und in den Krieg ziehen? Was macht es aus ihnen? In dieser Kategorie ist dieses Buch sicher eines der besten, die ich bisher gelesen habe. Die Reihenfolge, zuerst Wright und dann er, hat sich auch sehr bewährt. Für mich ist es kein entweder/oder, wobei Wright nicht zuletzt durch die absurd-witzigen Situationen vermutlich der massentauglichere ist. Mich jedoch hat, im direkten Vergleich und bei allem, was mir an Wright gefallen hat – was nicht wenig war – dieses Buch hier noch mehr beeindruckt.
    .