Still Missing – Kein Entkommen
Chevy Stevens
Übersetzerin Maria Poets
ISBN: 9783596187164
Fischer Taschenbuch Verlag
412 Seiten, 8,99 Euro
Über die Autorin: Chevy Stevens ist auf einer Ranch auf Vancouver Island aufgewachsen. Sie arbeitete einige Jahre als Immobilienmaklerin und kam während der einsamen Wartezeiten bei Open-House-Besichtigungen auf die Idee zu ihrem ersten Thriller. Der Roman wurde sofort zu einem internationalen Bestseller. Die Autorin schreibt an ihrem zweiten Thriller.
Handlung: Ein ganz normaler Tag, ein ganz normaler Kunde mit einem freundlichen Lächeln. Doch im nächsten Moment liegt die junge Maklerin Annie O Sullivan betäubt und gefesselt in einem Lastwagen. Als sie erwacht, findet sie sich in einer abgelegenen, schallisolierten Blockhütte wieder. Ihr Entführer übt die absolute Kontrolle über sie aus. Ein endloser Albtraum beginnt, hinter dem ein noch schlimmerer auf sie wartet.
Meine Meinung: Wenn die Autorin tatsächlich bei ihren Open-House-Besichtigungen auf die Idee zu diesem Thriller gekommen ist, dürfte selbst sie nach dem Niederschreiben ihrer Ideen ein unbehagliches Gefühl gehabt haben, wenn sie allein in einem leeren Hause auf einen neuen Kunden warten musste.
Annie jedenfalls ist absolut arglos und ohne Angst, als sie ihren Kunden begrüßt und ahnt nichts Böses, als sie ihm das Haus zeigt - doch dieser Kunde will kein Haus kaufen – Er will sie und er nimmt sie sich mit Haut und Haaren. Als sie in einer kleinen Hütte erwacht, gibt er ihr schnell zu verstehen, nach welchen Spielregeln ihr Leben zukünftig ablaufen wird. Jede Minute des Tages schreibt er ihr vor und selbst zur Toilette darf sie nur nach einem festen Zeitplan. Doch dann wird sie schwanger…
Die Erzählperspektive ist aus der Sicht von Annie geschrieben, die in einem langen Monolog ihrer Therapeutin berichtet, was mit ihr geschehen ist. So weiß man natürlich, dass es, im Gegensatz zum Titel, doch ein Entkommen für sie gab. Nur sehr langsam offenbart sie sich in der Gesprächstherapie und beginnt ihre Gefangenschaft aufzuarbeiten.
Der Alptraum aber geht weiter, denn noch viele Dinge sind unklar und ihr Leben und das Leben der Menschen, die sie liebten, ist nicht mehr das, was es einmal war.
Ich habe dieses Buch in einem Rutsch durch gelesen. Der Stil ist klar und schnörkellos und die Spannung greifbar. Man fühlt mit dem Opfer und entwickelt zusammen mit ihr eine unfassbare Wut auf den Täter. Man kann anhand dieser fiktiven Handlung sehr gut nachvollziehen, wie sich jemand fühlen muss, der einem anderen Menschen absolut ausgeliefert ist.
Der „Psycho“ wie Annie ihn nennt, ist beängstigend real in allem was er sagt und wie er agiert. Seine Unberechenbarkeit sorgt dafür, dass die Spannung nie abreißt und weckt beim Lesen starke Emotionen. Die totale Hilflosigkeit der jungen Frau wird immer wieder deutlich. Wenn sie tut, was er sagt, bekommt sie kleine Belohnungen und verweigert sie sich, bestraft er sie auf brutale Art und Weise. Die Dialoge zwischen den beiden, das Wechselbad der Gefühle, die Frage wie sie ihm letztlich entkommt, all dass nimmt einen so gefangen, dass man das Buch nicht aus der Hand legen mag.
Ein wenig Kritik gibt es aber dann doch: Es fällt schwer sich ein Bild von Annie zu machen. Wenn sie ihre Therapeutin direkt anspricht, verfällt sie in eine raue und teilweise grobe Sprache, während sie in ihren Berichten über ihre Erlebnisse kultiviert und beherrscht wirkt. Es ist, als würden zwei Erzähler agieren, doch eine Persönlichkeitsspaltung passt nicht ins Bild und zum Plot.
Trotzdem zerstört das insgesamt nicht den Eindruck eines gut geschrieben und hochspannenden Thrillers, der einige Überraschungen zu bieten hat.
Mein Fazit: Ein gut gemachter Thriller, der erst ganz am Schluss alle Geheimnisse offenbart und der einen nicht kalt lässt.