Kurzbeschreibung:
1941 kommt eine gerade zwanzigjährige Lehrerin aus Köln an die Dorfschule in Gertlauken, einem kleinen Flecken im nördlichen Ostpreußen. Regelmäßig schreibt die Tochter den Eltern in Köln und erzählt in ihren Briefen vom Leben auf dem Lande, das so friedlich scheint, so weit weg vom Krieg. Anfang 1945 bereitet das Vorrücken der Roten Armee dem vermeintlichen Idyll von Gertlauken ein jähes Ende und Marianne Peyinghaus kehrt nach Köln zurück.
Über die Autorin:
Über drei Jahre lang schrieb Marianne Peyinghaus, damals noch Marianne Günther, Briefe aus dem entlegenen ländlichen Ostpreußen an ihre Eltern in der Tausend Kilometer entfernten Großstadt Köln. "Verleger gesucht für Briefe aus Ostpreußen 1941/45" - mit dieser Anzeige in der "Zeit" fand sie später einen Herausgeber und Verleger.
Meine Rezension:
"Stille Jahre in Gertlauken" sind es, die Marianne Peyinghaus (damals noch Marianne Günther) als junge Lehrerin 1941-45 in Ostpreußen verbringt. Ihr Alltag ist geprägt von der ländlichen Idylle, dem guten nachbarschaftlichen Verhältnis zu anderen Frauen, kilometerlangen Fahrradfahrten zu den nächsten Ortschaften und dem Unterrichten von über 100 Schülern unterschiedlichen Alters. Der Gegensatz zu dem Leben ihres Bruders Wolfgang an der Front und ihrer Eltern, die 1000 Kilometer entfernt in Köln leben, die meiste Zeit wegen Bombenalarm im Luftschutzbunker verbringen und jeden Tag zusehen müssen, wie Nachbarn und Bekannte sterben und ganze Straßenzüge vernichtet werden, könnte größer nicht sein. Angesichts dieser Bedrohung scheinen die Sorgen von Marianne in Gertlauken fast schon unwirklich, die Sommeridylle fast schon makaber. Doch irgendwann holt der Krieg auch das bis dahin verschonte Ostpreußen ein und Marianne erfährt am eigenen Leib, was Vertreibung und Flucht bedeutet.
Bei den hier vorliegenden Erinnerungen an Ostpreußen handelt es sich ausschließlich um Briefe, die Marianne an ihre Eltern schreibt und - allerdings sehr viel weniger - Tagebucheintragungen, die sie später auf der Flucht verfasst. Das bedeutet zum einen, dass dies kei Roman ist, d.h. Personen werden nicht langsam eingeführt, es wird nicht auf stilistische Feinheiten geachtet, es gibt keinen roten Handlungsfaden - außer dem Leben an sich. Zum zweiten bedeutet dies aber auch, dass alles, was hier be- und geschrieben wird, vollstängig authentisch ist, es sind die Gedanken und Erlebnisse einer jungen Frau, die dies alles tatsächlich so gelebt und gefühlt hat und die dem Leser somit einen völlig persönlichen Blick in ihr Leben erlaubt. Die politischen Ereignisse dieser Zeit werden nur insofern erwähnt, als sie die Briefeschreiberin persönlich betreffen und trotzdem sagt sie damit mehr aus, als es auf den ersten Blick scheint. Wer beim Lesen biographischer Bücher vor allem Wert auf Authentizität legt und dafür auch gerne in Kauf nimmt, dass z.B. Ausflüge bis ins kleinste Detail beschrieben werden und über Personen gesprochen wird, deren Namen man noch nie vorher gehört wird, dem werden die "Stillen Jahren in Gertlauken" gefallen, gerade weil sie tatsächlich so gelebt wurden.
8 Punkte!