Stupeur et tremblements

  • Wenn man an den Namen "Amelie" und an das französische Kino denkt, denkt man wahrscheinlich unweigerlich an "Die fabelhafte Welt der Amelie" von Jean-Pierre Jeunet. Aber es gibt noch eine Amelie. Eine ganz andere Amelie. Die Amelie, die 2003 in diesem Film von Sylvie Testud, einer meiner Lieblingsschaupielerinnen (hierzulande vor allem bekannt durch ihre Rolle in "Jenseits der Stille), verkörpert wurde und für den Sylvie Testud 2003 mit dem Cesar als bese Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Die Amelie, die mit Nachnamen Nothomb heisst und eine bekannte belgische Schriftstellerin ist, die ihre Erfahrungen als Angestellte in einem japanischen Unternehmen in ihrem Roman Mit Staunen und Zittern beschrieben hat.


    Wieso dieser Film anscheinend keinen deutschen Verleih gefunden hat ist mir ein Rätsel. Nun habe ich mir den Film auf japanisch mit französischer Off-Stimme und englischen Untertiteln angesehen (was überraschend gut funktionierte). Der Film ist mindestens genauso gut wie der Roman, vielleicht noch besser. Da, wo ich während des Lesens noch gelacht habe, blieb mir hier das Lachen eher im Halse stecken.


    Amelie ist in Japan geboren und dann mit ihren Eltern zurück nach Belgien gezogen. Für ihren ersten Job als Übersetzerin kehrt sie aber nach Tokio zurück. Ihre direkte Vorgestetzin ist schön, nett und verständnisvoll, aber ihr Abteilungsleiter überträgt ihr erst einmal ein paar typische Deppenjobs und so verbringt sie die ersten Wochen am Kopierer. Es wird ihre schöne Vorgesetzte sein, die zu ihrem größten Feind wird. Nach nur zehn Wochen hat Amelie eine Aufstiegschance. Ihre Vorgesetztin, die Jahre für ihre Position hart gearbeitet hat, weiß Amelies Aufstieg zu verhindern, und es geht danach karriertechnisch rapide bergab.


    Es gibt viele Mißverständnisse in dieser Geschichte, die man durch Ost-West-Widersprüche erklären kann und vordergründig könnte man den Film vielleicht als Anti-Japanisch abtun, aber für mich ist "Mit Staunen und Zittern" in erster Linie eine sehr universelle Geschichte über Mobbing in großen Unternehmen mit klaren Hierarchien.


    Die Darstellung von Sylvie Testud ist genial, auch wenn sie sowohl äußerlich als auch von der Mentalität her so überhaupt nicht Amelie Nothomb ähnelt, die mir einen viel exzentrischeren Eindruck macht als das, was Testud hier rüberbringt, mit der man sich gut identifizieren kann.


    Teilweise tragisch, teilweise komisch. Für mich einer der besten französischen Filme des letzten Jahrzehnts.