Gorch Fock - ein beängstigend aktuelles Thema

  • Hallo Miteinander,


    hier - wie in vielen ähnlichen Diskussionen - wird ständig vom Unterschied Mann/Frau gesprochen. Das halte ich für falsch. Ich denke, die Diskussion sollte vom biologischen Geschlecht zum "Gender"-Begriff übergehen, nämlich: ( Zitat Webpage): "... im Zusammenhang mit weiteren Kategorisierungen wie Klasse, Herkunft, Alter, Religion oder sexueller Identität"


    Im übrigen bin ich für Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und halte den Auschluss von Frauen "von vorne herein" aus bestimmten "Themengebieten" (z.B. Dienst bei der Marine), auch wenn sie "typisch Mann" sein sollten (was immer das auch ist) - für falsch. Nur wenn alle die gleiche Chance bekommen die gleichen Erfahrungen machen zu dürfen, kann man sich gleichwertig über ein Thema unterhalten. Selbst wenn dies bedeuten sollte, "Frauen" (siehe Gender) eignen sich für gewisse Tätigkeiten weniger und/oder umgekehrt. Denn nur dann, wenn genügend Menschen das verstanden haben, was Babyjane so gut ausgedrückt hat, kann dieser Zusammenhang auch irgendwann von den Frauenbewegungen verstanden werden und wir können uns auf Wichtigeres konzentrieren. Zum Beispiel auf das Ende einer Kriegsbeteiligung.

    Wären Frau Merkel und unsere Abgeordneten nämlich in der NVA/Bundeswehr gewesen und hätten sie die Erfahrung gemacht, was es bedeutet in einem Kampfeinsatz zu sein (wenn auch nur während einer Übung), dann würden Entscheidungen für eine Verlängerungen von Kampfeinsätzen in Kriegsgebieten möglicherweise anders ausfallen. Aber das führt jetzt vom Thema ab.


    Viele Grüße


    Dieter.


  • Das hast du sehr treffend ausgedrückt.
    Zudem sollte man auch nicht vergessen, dass es Missstände eben nicht nur beim Militär sondern auch wohl in jedem anderen Beruf gibt. Und auch in anderen Berufen können diese Missstände durchaus auch Schäden an der Gesundheit hervorrufen.


    Man stelle sich nur einmal vor, ein Dackdecker weigert sich ein Dach hochzuklettern oder ein Schornsteinfeger ist nicht in der Lage einen Schornstein zu kehren weil er nicht auf Dächern arbeiten mag. Auch hier können Unfälle passieren und auch in diesen Handwerksfirmen kann es zu Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen kommen, die zu tödlichen Unfällen führen können.


    Natürlich gibt es beim Militär durchaus auch fragliche Rituale, keine Frage, aber trotzdem wird hier von den Medien auch sehr viel aufgebauscht und aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Und es ärgert mich immer wieder, dass es gerade die Leute sind die sich darüber aufregen oder darüber schreiben, die selbst nicht das "graue Ehrenkleid der Nation ( :grin)" getragen haben.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich beziehe mich auf hefs und Mulles posting auf der Vorseite betr. Meldungen, ob unter den Opfern Frauen und Kinder und Deutsche waren:


    An derartigen Meldungen finde ich eigentlich nichts Verwerfliches.
    Selbstverständlich ist jeder gewaltsam zu Tode gekommene Mensch zu beklagen. Da aber, was Kriegshandlungen angeht, Frauen und Kinder meist - Ausnahmen bestätigen die Regel - weniger involviert waren, ist ihr Tod als Zeichen, dass die Kriegshandlungen auch auf die Zivilbevölkerung ausgedehnt wurden, mMn schon erwähnenswert.
    Und was die Deutschen betrifft: Ich denke, dass viele Nachrichtenhörer, welche z. B. über Tote bei einem Flugzeugabsturz auf den Canarischen Inseln informiert werden, sich Sorgen machen, wenn sie nahestehende Angehörige haben, die dort gerade Urlaub machen. Wenn man dann gleich zu hören bekommt, dass keine Deutsche unter den Opfern waren, ist das für sie hilfreich. Das schmälert doch nicht das Gedenken an die anderen Opfer.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)



  • Vorallem, jeder wo auf dieses Schiff will weiß doch was ihn erwartet, jedenfalls grob.
    Und das es da nicht zärtlich zugeht ist eigentlich normal.
    Bei uns in der Tageszeitung kommt heute ein Bericht von der ersten Ärztin 1989 an Bord der Gorch Fock. War sehr interessant zu lesen.


    Aber der Kadett der jetzt die Anschuldigung erhebt, das er trotz Höhenangst in die Takelage klettern musste. Entschuldigung hat der gemeint das muss man nicht oder meinte er es wird ein Kaffeekränzchen.
    Das muss man nicht verstehen.

  • Zitat

    Original von Juliane


    Aber der Kadett der jetzt die Anschuldigung erhebt, das er trotz Höhenangst in die Takelage klettern musste. Entschuldigung hat der gemeint das muss man nicht oder meinte er es wird ein Kaffeekränzchen.


    Genau das hat er gemeint. Denn genau das hat man ihm vorher zugesichert.
    Dass es dann in der Realität an Bord doch (lautstark herausgeschrien oder stillschweigend als Gruppenzwang) verlangt wird, ist genau der Punkt, um den es in der ganzen Diskussion geht: Weiß die Marine (der einzelne Ausbilder) noch, was er da tut und verlangt?


    Mich machen da zynische Verallgemeinerungen wie Dein "Kaffeekränzchen" eher wütend!

  • Zitat

    Original von JanvonderBank


    Genau das hat er gemeint. Denn genau das hat man ihm vorher zugesichert.



    Nur für mein Verständnis, weil mich das Thema interessiert:


    Es wird den Anwärtern also offiziell (schriftlich? mündlich? weil es Usus ist?) zugesichert, dass sie nicht in die Takelage klettern müssen, wenn sie das nicht wollen oder nicht können?


    Findest du das von deiner Sicht aus richtig so? Oder sollte von Anfang an klar sein, dass nur Anwärter auf so ein Schiff aufgenommen werden sollten, die auch in die Takelage gehen können?


    Nächste ernsthafte Frage: Kann es sich so ein Schiff leisten x% Besatzung zu haben, die sich das nicht zutraut? Wie berechnet man die Situation, dass x% der Besatzung gerade z. B. wegen Seekrankheit nicht in die Takelage kann und dass trotzdem noch gesichert ist, dass immer genug Mitglieder übrig sind, die in die Takelage können, wenn es wegen äußerer Bedingungen gerade unbedingt nötig ist?


    Das sind einfach Fragen von jemanden, der sich für die Segelei, für Großsegler und für die Gorch Fock schon immer interessiert hat. Ich möchte mir einfach ein möglichst umfassendes Bild von der Situation auf diesem Schiff bilden können. Selbst war ich nur mal als Besucher dort, um eine sehr interessante Führung über das Schiff zu bekommen.





    edit: Tippfehler beseitigt

    Ronja



    "Braucht's des?!"
    (Gerhard Polt)

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  • Die Fragen, die Ronja stellt, fände ich auch interessant....


    Wenn ich Höhenangst habe, dann werde ich doch auch nicht Dachdecker...


    Ich hab mich letztens mit einer jungen Frau unterhalten, die unbedingt Polizistin werden will, aber Blut kann sie nicht sehen, Tiere kann sie nicht leiden sehen, Dreck mag sie nicht anfassen, bei schnellem Autofahren wird ihr schlecht, die Waffe findet sie auch zu bedrohlich... jaaa halllooooo? Was genau will sie denn dann als Polizistin tun, hab ich sie gefragt, Antwort: "Die Uniform sieht so toll aus und die Kollegen sind bestimmt scharf!" :yikes

  • Jan, ich möchte mich Ronja und Babyjane anschliessen.


    Mein Vater ist Seemann und Soldat (gewesen), und der kann über die ganze Diskussion nur müde lächeln. Bei allem Respekt und ohne zynisch klingen zu wollen, aber jemand, der der zart besaitet ist, hat wohl in diesen Berufen nichts verloren. Dann sollte er einen anderen ergreifen.


    Um nur was zum Thema Höhenangst zu sagen. Im Ernstfall wird er wohl da rauf müssen, oder? Und dass jemand unter Seeleuten "gemobbt" wird, weil er (aus welchen Gründen auch immer) eine Sonderstellung zugestanden bekommt, wundert mich nicht.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von rienchen ()

  • @ Ronja:

    Zitat

    Original von Ronja
    Es wird den Anwärtern also offiziell (schriftlich? mündlich? weil es Usus ist?) zugesichert, dass sie nicht in die Takelage klettern müssen, wenn sie das nicht wollen oder nicht können?


    Das Du nicht klettern musst, wenn Du nicht willst, bekommst Du vorher schriftlich! Die Marine "wirbt" quasi damit, dass das Klettern im Rahmen der Offiziersausbildung freiwillig ist. Mein Vater war 1960 Offiziersanwärter. Er ist nie höher als bis zur ersten Rah gekommen, musste es aber auch nicht. Manchmal scheint es aber leider auch anders gehandhabt zu werden...

    Und die zu Tode gekommene Offiziersanwärterin hat sich übrigens nicht geweigert, weil sie nicht generell klettern konnte oder wollte. Sie hat halt eben nur gemerkt, dass sie nach 20 Stunden Flug (von unserem Winter in die knallige Sonne der Südhalbkugel!) und zuwenig Erholung einfach nicht mehr konnte, und hat das ihrem Ausbilder gesagt. Der hat sie dann trotzdem nach oben geschickt.
    Dass dann einige andere gesagt haben: "Stopp mal, ich fühle mich grade auch nicht so in der Lage, weiter ungesichert 30 Meter über dem Boden rumzuhampeln, wo gestern jemand zu Tode gekommen ist", ist durchaus verständlich.
    Niemand zwingt einen Piloten zum Start, wenn es dem nicht gut geht. Niemand zwingt einen Taucher zum Tauchen, wenn er erkältet ist oder es ihm sonst wie nicht gut geht. Nur bei der Marine wird über so was "hinweg kommandiert" - und hinterher will keiner die Verantwortung übernehmen!


    Zitat

    Original von Ronja Findest du das von deiner Sicht aus richtig so? Oder sollte von Anfang an klar sein, dass nur Anwärter auf so ein Schiff aufgenommen werden sollten, die auch in die Takelage gehen können?


    Die kurze Zeit auf der Gorch Fock (zwei Monate) ist für alle Offiziersanwärter verpflichtend, das Klettern hingegen nicht. Das Arbeiten in der Takelage eines Segelschiffes gehört heute absolut nicht mehr zum Berufsprofil eines nautischen Offizieres und wird, wenn man nicht (freiwillig!) auf das Schiff zurück geht, nie wieder gebraucht.
    Mit anderen Worten: Ich finde sehr wohl, dass man ein hervorragender Marineoffizier werden kann, auch wenn man nicht klettern möchte oder kann.
    Im Übrigen sind bei allen Segelmanövern auch ausreichend viele Leute an Deck notwendig. Man kann also gar nicht alle Mann einer Crew in den Mast schicken!


    Der Drill, die Angst zu überwinden, an seine Grenzen zu gehen - das ist es, was hinter dem Klettern auf der Gorch Fock steht. Wenn Du da als 20-jähriger an einen Ausbilder gerätst, der weder Deine, noch seine eigenen Grenzen richtig einschätzen kann, hast Du ein echtes Problem.
    Der Umgang mit diesem Risiko ist in vermutlich jeder anderen Risikoberufsgruppe strenger geregelt - bzw. wird strenger kontrolliert.


    Zitat

    Original von Ronja Nächste ernsthafte Frage: Kann es sich so ein Schiff leisten x% Besatzung zu haben, die sich das nicht zutraut? Wie berechnet man die Situation, dass x% der Besatzung gerade z. B. wegen Seekrankheit nicht in die Takelage kann und dass trotzdem noch gesichert ist, dass immer genug Mitglieder übrig sind, die in die Takelage können, wenn es wegen äußerer Bedingungen gerade unbedingt nötig ist?


    Dass die ganze zur Verfügung stehende Crew in die Masten muss, passiert nur beim Einlaufen oder Auslaufen, und hauptsächlich auch nur aus "Showzwecken" (m.a.W. Reine Angeberei, weil's so schön Militärisch aussieht!). Andere, viel größere Rahsegler wie die Passat oder die Padua z.B. wurden in der Frachtsegelei mit nur 30 (!) Mann um Kap Hoorn gesegelt. Das schließt Koch und Offiziere ein! Da gingen also maximal 10 Mann gleichzeitig in den Mast. Und bei Sturm werden die Segel zunächst von Deck aus "gerefft", bevor sie von wenigen Mann oben auf den Rahen endgültig festgezurrt werden.


    Im Übrigen ist die von Dir zitierte Seekrankheit bei der Marine ein viel weiter verbreitetes Problem. Auf meinem Schnellboot, auf dem ich vor meiner Gorch Fock Zeit eingesetzt war, lagen teilweise 80% der Besatzung flach! Da aber dabei selten jemand zu Tode kommt, interessiert das hinterher keinen. (Und die Marine verschweigt es auch gerne :.) Aufgefallen ist mir damals nur, dass die, die als erste kotzen, an Land nachher die größte Klappe haben, was für tolle Seehelden sie doch sind!


    @ BJ:
    Dein Dachdecker-Vergleich hinkt in sofern, als jeder Dachdecker weiß, dass er sein Berufsleben lang mit Dächern zu tun haben wird. Ein Marineoffizier wird (s.o.) nur zwei Monate lang Segelschiffsmasten zu sehen bekommen.


    Das von Dir beschriebene Phänomen, dass Leute wegen des schönen Scheins (also der Uniform oder des Rufes wegen) einen Beruf ergreifen wollen, und dabei die negativen Seiten ausblenden, kennt die Marine zur Genüge. Allerdings tut sie auch recht wenig, um selber Aufklärung über das tatsächliche Berufsbild zu betreiben. Seht Euch in diesem Zusammenhang mal die Nachwuchswerbung der Marine an. Da wimmelt es von schönen Bildern, realitätsorientierte Berufsbeschreibungen sind hingegen Fehlanzeige.

  • Genau das was Babyjane, Ronja und rienchen meinten, habe auch ich gemeint. Auch wenn das von der Marine zugesichert wird. Muss man dann auf ein Segelschulschiff oder kann seine Ausbildung nicht woanders machen.
    Also mein Onkel ist auch bei der Marine gewesen und der lächelt nur müde darüber und sagt es ist ein Segelschulschiff.
    Aber gut mir kanns egal sein, ich geh weder auf ein Schiff noch würde ich wo hochklettern mir reicht eine Leiter.

  • Jeder der den Beruf des Soldaten (egal ob jetzt Heer, Marine oder Luftwaffe) ergreift, der weiß was auf ihn zukommt. Wenn er das aber ignoriert und nur wegen der "tollen Uniform" Soldat wird, dann hat er wohl die falsche Berufswahl ergriffen.


    Aus ganz persönlichem Erleben kann ich berichten, dass meine Offiziersausbildung zwar sehr hart war, aber nie unfair. Es waren niemals "unmögliche oder unmenschliche" Leistungen die verlangt wurden. Und man darf dabei auch nie vergessen, dass es klar umschriebene Ausbildungsziele gibt, die erreicht werden müssen - werden sie nicht erreicht, so ist der Soldat eindeutig für die Offizierslaufbahn nicht geeignet.


    Und ohne Drill und das "bis an die Grenze" gehen, geht es nun einmal beim Militär nicht. Oftmals kann von der harten und soliden Ausbildung eben auch das Leben der Kameraden mit abhängen. Nur wer gut ausgebildet ist, kann auch im Kampfeinsatz etwas leisten.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von JanvonderBank



    Das Du nicht klettern musst, wenn Du nicht willst, bekommst Du vorher schriftlich! Die Marine "wirbt" quasi damit, dass das Klettern im Rahmen der Offiziersausbildung freiwillig ist. Mein Vater war 1960 Offiziersanwärter. Er ist nie höher als bis zur ersten Rah gekommen, musste es aber auch nicht. Manchmal scheint es aber leider auch anders gehandhabt zu werden...


    Danke für diese Information!



    Zitat


    Dass dann einige andere gesagt haben: "Stopp mal, ich fühle mich grade auch nicht so in der Lage, weiter ungesichert 30 Meter über dem Boden rumzuhampeln, wo gestern jemand zu Tode gekommen ist", ist durchaus verständlich.


    Sehe ich auch so.


    Zitat

    Niemand zwingt einen Piloten zum Start, wenn es dem nicht gut geht. Niemand zwingt einen Taucher zum Tauchen, wenn er erkältet ist oder es ihm sonst wie nicht gut geht. Nur bei der Marine wird über so was "hinweg kommandiert" - und hinterher will keiner die Verantwortung übernehmen!


    Guter und interessanter Vergleich!



    Zitat


    Mit anderen Worten: Ich finde sehr wohl, dass man ein hervorragender Marineoffizier werden kann, auch wenn man nicht klettern möchte oder kann.


    Soviel ist mal klar.


    Zitat


    Im Übrigen sind bei allen Segelmanövern auch ausreichend viele Leute an Deck notwendig. Man kann also gar nicht alle Mann einer Crew in den Mast schicken!


    Das ist auch klar. Beantwortet aber nicht meine Frage.


    Zitat

    Der Drill, die Angst zu überwinden, an seine Grenzen zu gehen - das ist es, was hinter dem Klettern auf der Gorch Fock steht.


    Interessant!




    Zitat

    Dass die ganze zur Verfügung stehende Crew in die Masten muss, passiert nur beim Einlaufen oder Auslaufen, und hauptsächlich auch nur aus "Showzwecken" (m.a.W. Reine Angeberei, weil's so schön Militärisch aussieht!). [...] Und bei Sturm werden die Segel zunächst von Deck aus "gerefft", bevor sie von wenigen Mann oben auf den Rahen endgültig festgezurrt werden.


    Richtig! Aber auch das beantwortet meine Frage irgendwie noch nicht ganz. Kann die überhaupt beantwortet werden? Oder ist die Antwort: Wird nicht berechnet?



    Wie gesagt - meine Fragen sollten kein Angriff sein. Ich will nur versuchen mir eine Meinung bilden zu können.

  • Zitat

    "Wer zur Marine geht, muss halt damit rechnen, aus dem Mast eines Segelschiffes zu fallen." Das ist nämlich kompletter Blödsinn.


    Er muss nicht damit rechnen, aber es wird doch wohl erlaubt sein, eine solche, in meinen Augen absurde "Ausnahmeregelung" mal kritisch zu hinterfragen? Ich kann verstehen, dass sich Offiziersanwärter X benachteiligt fühlt, wenn er auf die Takelage klettern soll und Offiziersanwärter Y nicht, weil es ihm vorher mündlich oder schriftlich zugesichert wurde. M.E.n. sind Mobbing und Gruppenzwangverhalten vorprogrammiert. Wieso lässt man jemanden mit Seekrankheit und Höhenangst auf ein Segelschiff? Werden die vorher nicht auf Tauglichkeit geprüft? Das ist wohl der Knackpunkt.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Hallo, Jan.


    Zitat

    Es gibt nur eine Regel, und die besagt: "Das Klettern ist freiwillig. Niemand wird gezwungen."


    Falls es so ist, empfinde ich das als falsch. Bzw ich denke, dass eine solche Regel auf freiwilliger Basis nicht funktioniert. Davon abgesehen sind doch alle Soldaten zum Gehorsam verpflichtet? Und im Kriegsfall? Macht dann auch jeder, was er möchte? Niemand wird gezwungen?


    Ich möchte wirklich nicht zynisch klingen, es tut mir auch sehr leid, dass jemand um sein Leben gekommen ist. Ich verstehe es nur einfach nicht. Diese Freiwilligenregelung lässt sich in meinen Augen überhaupt nicht mit den Hierarchiestrukturen der Marine/ Bundeswehr etc vereinbaren.


    Entweder, alle werden gleich behandelt, oder es gibt ( verständlicherweise) Konflikte. :wave

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Wenn ich das richtig verstehe, ist der Dienst Pflicht in der Offiziersausbildung.
    Wobei ich mich frage, wozu man in heutigen Zeiten die Ausbildung auf einem Segelschiff braucht, wenn man später niemals auf solch einem eingesetzt wird.
    Für mich macht das den Eindruck, daß man dieses sicherlich schöne Schiff als Prestige Objekt weiter nutzen will und deshalb da halt auch eine Mannschaft an Bord sein muss. Wozu diese Erfahrung allerdings in der Offiziersausbildung dient, frage ich mich dann schon. Vor allem, weil man eben diese Ausnahme macht, daß man nicht in die Takelage muss. Wenn das nicht für die spätere Berufsausübung nötig ist, brauch ich es doch auch nicht lernen.
    Da könnte man ja auch Ärzten vorschreiben, daß sie in ihrem Studium ein Semester mittelalterliche Drecksmedizin lernen müssen. Brauchen sie hinterher auch nicht, war aber früher so üblich :gruebel

  • rienchen :
    Diese Sache mit der Gehorsamspflicht ist eine ganz alte Diskussion, die es schon seit der Gründung der BW gibt. Wie weit geht diese Pflicht? Musst Du aus dem Fenster springen, wenn Dein Vorgesetzter es von Dir verlangt (oder auf Frauen und Kinder schiessen)?
    Nach den schlimmen Erfahrungen mit Kadavergehorsam im Dritten Reich wurde bei Gründung der BW so eine Formulierung erfunden, die jetzt ab und zu mal in der Diskussion aufblitzt: "Innere Führung" ... Dieser Begriff versucht die bürgerlichen Grundrechte, die auch für jeden Bürger in Uniform gelten, und die Pflichten eines Soldaten miteinander in Einklang zu bringen.


    Wenn im Zusammenhang mit der Gorch Fock von Innerer Führung der Offiziere die Rede ist, ist genau das damit gemeint, um was es hier geht: Was musst du machen? Was musst du nicht mehr machen? (Auch um dich selber oder andere nicht "unnötig" in Gefahr zu bringen)


    Der aktuelle Unfriede, den Du erwähnst, ist übrigens nicht zwischen kletternden und nicht kletternden Kadetten entstanden, sondern zwischen Kadetten und vorgesetzten Unteroffizieren, die nach dem tödlichen Unfall allzu schnell wieder zur Tagesordnung übergehen wollten.
    (An dieser Stelle bitte keine Kriegsvergleiche! Die GF segelt nicht im Krieg. Sie ist ein Ausbildungsschiff mit Berufsanfängern. Und ob ein Marineoffizier jemals in ein echtes Gefecht verwickelt wird, ist äußerst fraglich. Jedenfalls ist bei keiner Marineoperation im Natoverbund bisher auch nur ein Schuss abgefeuert worden!)


    @ Streifli:
    Du sprichst eine große Frage gelassen aus ... genau darum geht es: Welche Berechtigung hat diese Art der Offiziersausbildung? Die Marine behauptet, es geht um allgemeine Seemännische Fähigkeiten (Gefühl für Schiff, Wetter und Seegang) und Teamgeist.

  • Zitat

    Wer zur Marine geht, muss halt damit rechnen, aus dem Mast eines Segelschiffes zu fallen." Das ist nämlich kompletter Blödsinn.


    Außer dir Jan, hat diesen Satz niemand in den Mund genommen.


    Wenn es zur Offiziersausbildung gehört auf einem Segelschulschiff Dienst zu versehen und man sich grundsätzlich und nicht aufgrund von Krankheit nicht in der Lage sieht, den Anforderungen dort gerecht zu werden, so wird man den Anforderungen der Ausbildung nicht gerecht.
    Da kann man tausendmal ein guter Marineoffizier sein, Fakt ist, man bekommt eine Extrawurst gebacken.
    Und eben dieses weicheierige Backen von Extrawürsten geht mir zusehends in solchen Berufen auf den Senkel. Damit meine ich die Bundeswehr, die Polizei, die Bundespolizei, den Zoll, etc.


    Zu meiner Ausbildung gehörte daß wir in einer Gaskamer mit Tränengas begast wurden, obwohl jeder wußte, daß unsere Gasmasken nicht dicht waren, und es gehörte damals eine recht heftige Tauchübung vollbekleidet mit einem Kampfgeschehen unter Wasser dazu, wer diese nicht abgeschlossen hatte wurde zur Prüfung nicht zugelassen. Auch ohne gut tauchen zu können oder zu wissen, wie mein Körper auf Tränengas reagiert und mich unter Wasser zur Wehr setzen zu können wäre ich sicherlich ein guter Polizist geworden, trotzdem habe ich, eine ausgesprochen miese Schwimmerin monatelang trainiert, hab fast ins Schwimmbecken gekotzt, bin mehrmals fast abgesoffen, damit ich diese Anforderung erfüllen konnte.


    In manchem Berufen geht es unter anderem nicht darum den Sinn von Übungen zu hinterfragen, sondern ohne große Diskussionen Befehle anzunehmen und auszuführen, über seine Grenzen hinauszugehen und auch in Extremsituationen zu funktionieren. Dies ist es, was trainiert werden soll und wozu man solche Übungen braucht...
    Natürlich hat man auch beim Dienstrecht die Möglichkeit der Remonstration gegen Befehle, die man als unmenschlich oder falsch ansieht. Solche sind mir jedoch in meiner gesamten beruflichen Laufbahn noch nicht ein einziges Mal untergekommen und von einem Kadetten zu verlangen in den Mast zu klettern, sehe ich, so lange nicht gerade ein Wind in Orkanstärke weht, keineswegs als unmenschlich an. Weiterhin muß ein Soldat, der auf ein Kriegsgeschehen vorbereitet wird durchaus mit dem Tod seiner Kameraden umgehen lernen. Harte Sache, aber Sterben gehört zum Krieg dazu und nur auf diesen Ernstfall ausgerichtet gibt es den Beruf des Soldaten. Gut, der Tod der Kadettin war ein Unfall und nicht Folge eines Kriegsgeschehens, trotzdem hat er offenbar einen großteil der Mannschaft aus der Bahn geworfen und ihrer Funktionstüchtigkeit beraubt und das ist etwas, was ich eben nicht nachvollziehen kann. Wenn ein Unfall die Mannschaft bereits so aus der Bahn wirft, wie sieht es dann aus, wenn Deutschland, man möge es verhüten, tatsächlich noch einmal in ein Kriegsgeschehen verwickelt wird und man dann mit Toten in dessen Folge konfrontiert wird? Legt man sich dann in Kajüte, macht die Augen zu und jammert, daß der Kriegsgegner unfaire Aufgaben von einem verlangt hat? (Meine sicherlich durchaus diskussionswürdige Meinung)


    Vor einigen Tagen ist eine sehr enge Kollegin von mir angeschossen worden. Der ganzen Dienstgruppe geht es aufgrund der Vorfälle mental ausgesprochen mies und trotzdem stehen heute alle in Uniform hier und versehen ihren Dienst und begeben sich erneut in Situationen, wie die, die der Kollegin zum Verhängnis wurde. Natürlich ist der ein oder andere dabei, auf den man nun mehr Rücksicht nimmt oder den man eventuell eher an den Funktisch, als auf den Streifenwagen setzt, aber niemand wäre hier so vermessen sich hinzustellen und zu sagen, solche Einsätze nehm ich jetzt aber nicht mehr wahr, da könnte mir ja das gleiche passieren...



    Aber wie üblich ist eine Diskussion mit Jan für mich mal wieder ermüdend, weil er den Kernfragen ausweicht, nur das liest, was er lesen will und Kleinigkeiten zerredet...


    Lassen wir das also, ich hab meine Meinung deutlich gemacht und ein großteil der hier Mitlesenden hat sie verstanden, das reicht mir.