Autor:
Evan Wright ist ein amerikanischer Autor, Journalist, Drehbuchautor und TV-Produzent. Er hat u.a. für den Hustler, Rolling Stone und Vanity Fair geschrieben.
Sein Buch "Generation Kill" wurde als siebenteilige TV-Serie verfilmt, bei der Wright als Drehbuchautor und Berater tätig war.
(Ich habe mir die Serie zuerst angeschaut, zweimal bisher, was sich als durchaus gute Reihenfolge entpuppt hat, da ich so einen guten Überblick über die Leute hatte, wenn auch mit den "falschen" Filmgesichtern.)
Inhalt + Meinung:
Evan Wright hat die First Recon Marines bei der Invasion des Irak 2003 als sog. „embedded journalist“ mehrere Wochen lang begleitet und darüber im „Rolling Stone“ eine Reihe von Artikeln geschrieben, aus denen dieses Buch entstanden ist. Er war nicht im sicheren Hintergrund, sondern saß in einem der nicht übermäßig gepanzerten Humvees, und noch dazu in dem, der oft die Speerspitze bildete, dem Fahrzeug von Sergeant Brad „Iceman“ Colbert, Teamleader von Team 1, Bravo Company Platoon 1.
Zeitweise liest sich das Buch ein wenig wie eines über eine relativ ungewöhnliche, lange Autoreise, mit Colbert als Papa, dem Fahrer Corporal Ray Person als Mama und Wright und den restlichen Marines als ständig quengelnden Kindern. Jedoch höchst gefährlichen Kindern.
Wir erfahren durch Wright, dass das First Recon Bataillon bei der Invasion sehr ungewöhnlich eingesetzt wurde, oft als Ablenkungsmanöver für die eigentliche Invasionstruppe und nicht selten um ganz gezielt das Feuer der irakischen Kämpfer auf sich zu ziehen. Dies wurde den Marines klarerweise nicht mitgeteilt. Ich habe keinen Grund, an Wrights Information zu zweifeln, dass es während diesem Einsatz bis auf relativ leichte Verletzungen kein einziges Opfer unter den Marines gab. Aber es erscheint wie ein Wunder. Auf jeden Fall war es riesiges Glück. Für die Marines.
Wrights Aufzeichnungen liefern einen höchst interessanten, aber auch schockierenden Einblick in den Beginn dieses Krieges. Seine Befürchtungen darüber, dass hier bereits die Grundlagen für massive spätere Probleme gelegt werden, haben in der Zwischenzeit traurige Bestätigung bekommen. Man sieht hier sehr (un)schön, wie der Krieg zwar das Land grundsätzlich in die Knie zwingt, aber nicht um Frieden zu bringen, sondern Anarchie und Chaos, auf Kosten der Zivilbevölkerung. Von der werden hier nicht wenige Opfer. Wobei man sich auch bei den Kämpfern fragen muss, ob sie nicht teilweise auch sehr gute Gründe für ihre Taten haben. Abgesehen von Regime und Religion, wer mag es schon, wenn sein Land angegriffen wird? Außerdem wird erwähnt, dass bereits im ersten Krieg der USA gegen den Irak einheimische Widerstandskämpfer danach im Stich gelassen und Saddam Husseins Rache ausgeliefert wurden.
Wright zeigt auch den ständigen Wechsel der Marines, fast alle sehr junge Männer, zwischen soldatischem Übermachogehabe und Zweifeln wegen ihrer Taten. Aber es fragt sich auch so mancher, was er wohl empfinden würde, wenn jemand ihrer Heimat so etwas antun würde.
Da Wright ihnen teilweise offenbar sehr nahe gekommen ist, kann er die einzelnen Personen nicht für ihre Taten verurteilen. Ganz im Gegenteil schwankt er zwischen Betroffenheit und Erleichterung darüber, dass neben ihm ein „trigger happy“ junger Bursche sitzt, der gleichzeitig ein erstaunlich guter Schütze ist.
Die Verantwortung liegt für Wright bei der Führungsriege, teilweise erschreckend ungeeigneten Offizieren und denen, die diese jungen Menschen überhaupt dorthin geschickt haben, in den Krieg generell und auf diese fast schon Selbstmordmission.
Was das Bild der Offiziere betrifft, kann man sich nur wundern. Allerdings werden hier den gemeingefährlichen wie Captain „Encino Man“ und „Captain America“ die fähigen, von ihren Männern bewunderten Captain Patterson und Lieutenant Fick (der heißt wirklich so!) gegenübergestellt. Trotzdem fragt man sich, warum die Streitkräfte, die sich für die besten der Welt halten, immer wieder solche Fehler machen, von der Versorgungslage ganz abgesehen.
Am Ende erzählt Wright noch, was aus seinen Reisegefährten geworden ist. Manche haben das Marine Corps verlassen um Zivilisten zu werden, manche wurden Söldner und manche sind Marines geblieben. Das Glück, dass sie hatten, wird im Nachwort, einige Jahre nach Erstveröffentlichung betont, als wir erfahren, was bei einem späteren Einsatz im Irak passiert ist. Wright schließt sein Buch mit anerkennenden Worten über den Wert der jungen Menschen, die auf verschiedenen Kriegsschauplätzen ihr Leben riskieren und endet es mit
Zitat„We misuse them at our own peril.“
(S. 462)
PS: Ich habe die bei Amazon eingestellte Version als Grundlage genommen und etwas ausgebaut. Also kein Grund anzunehmen, dass „kyrrdis“ und „Grisel“ voneinander abgeschrieben haben.
PPS: Diese Rezension ist ein Geschenk an Dich, liebe Uta! Noch mal danke für den Tipp.
Edit: Link ergänzt.
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