OT: The Dead Fathers Club 2006
Philips Vater starb bei einem Autounfall. Beim Umtrunk nach der Beerdigung aber trifft Philip ihn als Geist. Das ist alles andere als lustig, denn sein Vater erklärt, daß er ermordet wurde. Will er Frieden finden - und das will er unbedingt - muß sein Tod gerächt werden. Der Mörder muß ebenfalls sterben. Der Vater weiß, wer der Mörder ist, nämlich sein eigener Bruder, Philips Onkel Alan. Da Philip der einzige ist, der seinen Vater sehen und mit ihm sprechen kann, ist klar, daß er auch der einzige ist, der Onkel Alan umbringen kann. Von Stund an hat Philip ein Problem. Und er ist erst elf Jahre alt.
Das ist eine wahnsinnige Geschichte, sie ist wahnsinnig gut ausgedacht und ebenso geschrieben. Man bleibt gut 250 von den dreihundert Seiten im Zweifel, ob das Ganze eine moderne Geistergeschichte oder die höchst einfühlsame Beschreibung des Geisteszustands eines Kindes ist, das unter einem schweren Schock steht und Mord als einzigen Ausweg sieht.
Erzählt wird durchgängig aus dem Blickwinkel des elfjährigen Ich-Erzählers. Die kindliche Naivität ist aber nur Vorwand für den wachen Blick, der auf die Welt der Erwachsenen geworfen wird. Die Kommentare klingen wie die eines Kindes, verstehen kann man sie aber nur, wenn man die Welt der Erwachsenen kennt. und damit fähig ist, die Kommentare zu übersetzen.
Das gilt besonders für das Kernthema der Geschichte, das ganz langsam eingekreist wird. Es geht um die Frage, ob man das Recht hat, anderen das Leben zu nehmen. Haig beschränkt sich keineswegs auf den Privatbereich. Philip mag Geschichte, sein Lieblingsthema sind die Römer. Immer wieder denkt er über römische Soldaten, Gladiatoren, Sklaven und exzentrische Vertreter des Kaisertums nach. Im Geschichtsunterricht wird der 1. Weltkrieg behandelt und hier stößt Philip auf die wesentlich Frage, nämlich ob die Väter lügen, wenn sie einen zum Töten ausschicken.
Doch selbst wenn man das begriffen hat, verliert die Geschichte kein Quentchen Spannung, so lebendig sind die Figuren, so dicht das Gewebe der Erzählfäden, und so ernst Philips Kampf in seinem Bemühen, seinem Vater zu helfen, aber trotzdem nicht zum Mörder zu werden. Nun stammen die grundlegenden Bestandteile dieser Geschichte nicht von Haig, im Gegenteil hat er sich bei Shakespeare bedient. Das Ganze ist eine moderne Version der Hamlet-Geschichte. Daß sich die Probleme am Ende nicht in Wohlgefallen auflösen, ist demnach zu erwarten.
Der Text ist in viele kurze Kapitel unterteilt, was ganz gut ist, denn inhaltlich gibt es einiges zu verdauen. Manche Handlungselemente sind typographisch umgesetzt, es gibt Listen, Wortwiederholungen als Kolumnen auf den Seiten, wenn Philip seine Fische zählt, schwimmen Zahlwörter heran, das eine oder andere Mal zeigen halbe oder ganze unbedruckte Seiten Schweigen und Stille an. Spielerei, Theater eben, aber es paßt dazu.