OT: The Glass Key zuerst erschienen als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift ‚Black Mask’ 1930, als Roman 1931.
Der gläserne Schlüssel ist ein sogenannter Gangsterroman. Er spielt unter Kriminellen, es gibt keine unabhängige staatliche oder gesellschaftliche Institution, die den Regeln eines geltenden Rechtssystems Durchsetzung verschafft. Durchsetzen kann sich nur derjenige, der die Macht hat. Macht hat der, der Geld hat. Was hier klingt, wie ein Wirklichkeit gewordener Albtraum von blanker Anarchie, ist nichts anderes als der Wirklichkeit gewordene schöne Traum vom blanken Liberalismus.
Ned Beaumont, Berufsspieler und Alkoholiker, ist die rechte Hand des Bauunternehmers und Gangsterbosses Paul Madvig. Madvig sorgt seit Jahren mit seinem Geld dafür, daß die Posten der städtischen Verwaltung bis hinauf zum Staatsanwalt mit seinen Anhängern besetzt werden. Das ist doppelt geschäftsfördernd, denn neben dem Baugeschäft besitzt er Spielsalons und Bars. Vor allem letztere sind eigentlich verboten, da offiziell Prohibition herrscht. Neuerdings hat Madvig zusätzliche Ambitionen entwickelt, er möchte zur Oberschicht gezählt werden. Dabei kommt ihm ein Zufall zuhilfe, der ortsansässige Senator ist bereit, seine eigene Wiederwahl mit Madvigs Geld sicherzustellen. Damit dabei sicher nichts schiefgeht, setzt der Senator seine Tochter Janet ein. Der Plan geht auf, Madvig verliebt sich und glaubt bald, mit einer Heirat den gesellschaftlichen Aufstieg sichern zu können.
Beaumont, erster Leutnant und bester Freund, aber sieht die Gefahren der Situation. Anders als Madvig hat er einen kalten Blick auf die eigenen wie die gegnerischen Gruppen, die sich in dem Geflecht, das Madvig über Jahre gesponnen hat, bewegen. Er kennt die dünnen Stellen der Fäden und weiß punktgenau, wo sie in einer Krise reißen werden. Die Krise ist da, als Taylor Henry, der Sohn des Senators, unweit des Hauptquartiers von Madvig tot aufgefunden wird. In der Folge ist Beaumont unablässig damit beschäftigt, Madvigs Imperium zu retten. Und ihre Freundschaft.
Der gläserne Schlüssel ist Krimi, Sozialkritik, Politthriller und eine klassische Dreiecksgeschichte, mit geradezu herzzerreißenden Verwicklungen. Die Geschichte ist voll von persönlichem Leid. Sie ist abstoßend, die seitenlangen Prügel-Folterszenen sind beim Lesen kaum erträglich. Abstoßend sind aber ebenso die Verhältnisse, vor allem die geschilderte Normalität der Korruption. Auf eine Atempause, etwa durch Witz oder Humor, wartet man vergeblich. Nicht nur die Handlung, auch die Personen selbst haben etwas von atavistischen Heroen, an erster Stelle Ned Beaumont.
Beaumont ist Kassandra, Henker und Ritter in einer Person. Er ist ein moderner Held, er wählt seine Abhängigkeiten, er steht zu Alkoholismus und Berufsspielertum ebenso offen und loyal, wie zu seiner Wahlfamilie, Madvig, dessen Mutter und dessen Tochter Opal. Sein Charakter hat so viele Facetten, daß man auch nach Beendigung der Lektüre noch lange über ihn nachdenkt. Und dann auch über die anderen Figuren, denn sie sind allesamt gleichermaßen konsequent durchgearbeitet.
Daß der Roman keine einfache Krimilektüre ist, liegt auch am Stil, den Hammett hier gewählt hat. Es gibt nur Dialoge und Beschreibungen von Personen und Situationen. Es ist knapp gehalten, zugespitzt. Überlegungen, Erklärungen, innere Monologe fehlen, sie müssen von Leserinnen und Lesern ergänzt werden. Auch von der Vorgeschichte der Hauptpersonen erfährt man fast nichts. Es gibt ein paar wenige Hinweise, kurze Schlaglichter, die aber keineswegs das Ganze erhellen.
Diese ständige Grübeln, warum die Personen so handeln, wie sie es gerade tun, macht die Lektüre doppelt spannend, es ist eine besondere Herausforderung. Der Roman gewinnt beim Wiederlesen, es gibt immer wieder Neues zu entdecken, selbst wenn man die Handlung zu kennen glaubt. Diese Geschichte entwickelt immer wieder die gleiche Wucht.