"Still Walking"
Originaltitel: Aruitemo aruitemo
Deutscher Kinostart: 18.November 2010
Regisseur: Koreeda Hirokazu
Schauspieler: Natsukawa Yui, Abe Hiroshi, Harada Yohio u.a.
"Wir sind doch alle nur Menschen.", mit dieser Schlüsselbotschaft kritisiert Ryota, für ein paar Tage nach Hause gekehrter Sohn seine Eltern Toshiko und Shohei. Ryota, Mitte 30, Kunstrestaurator und inzwischen mit der Witwe Yukari verheiratet, die einen Sohn mit in die Ehe gebracht, besucht ebenso wie seine Schwester Chinami die Eltern. Geregelt werden soll, welches der beiden Kinder mit der Familie zu den Eltern ziehen und ihre spätere Pflege übernehmen soll.
Nach und nach entwickelt sich ein Bild einer Familie, die nie über den Tod des ältesten Sohnes Junpei hinweggekommen ist, der bei der Rettung eines Kindes im Meer ertrank.
Jedes Jahr am Todestag Junpeis besucht der gerettete Junge, inzwischen ein junger Mann, die Familie seines Retters.
Ryotas Eltern haben den Tod ihre Sohnes und zugleich Hoffnungsträger des Vaters Shohei, dessen Arztpraxis er übernehmen sollte, nie verwunden.
Aus reinem Sadismus lädt Toshiko den jungen Mann,
der äußerlich nicht sonderlich attraktiv ist und auch im Alter von fünfundzwanzig Jahren im Job noch nicht viel erreicht hat, jeder Jahr wieder ein. Wie jedes Jahr wird er am Familienschrein ein Räucherstäbchen für den Verstorbenen anzünden und
darin erinnern, dass er lebt, weil Junpei ihn gerettet hat.
Nachdem er gegangen ist, werden Toshiko und Shohei ihren Kindern ihr Leid klagen und das Leben des jungen Mannes gegen den Tod ihres Sohnes abwägen. Für Ryota ist diese Situation unerträglich, denn nach dem Tod des älteren Bruders hat der Vater all seine Hoffnungen in ihn gesetzt. Arzt sollte er werden, die Praxis des Vaters übernehmen, doch der übriggebliebene Sohn enttäuschte.
Nun trifft sich die Familie und über allem schwebt der Tod des unantastbaren Sohnes.
Mit "Still walking" hat Koreeda Hirokazu ein Familiendrama geschaffen, das berührender und verstörender nicht sein könnte.
Eine Familie verkraftet den Tod des ältesten Sohnes nicht, stilisiert ihn und lässt seine anderen Kinder unbeachtet.
Während die Mutter weniger subtil ihre Verzweiflung an der in der Küchenarbeit unfähigen Tochter auslässt und vor ihr über die neue Schwiegertochter herzieht, straft der Vater, der inzwischen seine Arztpraxis aufgegeben hat und sich auf seinen Ruf immer noch viel zugute hält,
seinen Sohn mit Nichtachtung.
Auch die Chance, Yukaris Sohn als neues Familienmitglied aufzunehmen, lassen Toshiko und Shohei ungenutzt. Nach außen behandeln sie den neuen Enkel gleich, stecken ihm Geld zu, doch von Herzlichkeit ist diese Beziehung nicht geprägt. Einzige Anerkennung wird der Junge erfahren werden,
wenn er eine Ausbildung zum Arzt machen würde, doch Ryota, dem seine
Rolle als Vater ungewohnt erscheint, fängt langsam an zu erkennen, dass er seinen Sohn beschützen muss.
"Still Walking" erzählt in ruhiger und doch aufwühlender Art über Verlust, Schmerz und Trauer einer Familie im modernen Japan,
die immer noch in Jahrhunderte alten Riten verhaftet ist und ihre Zurückhaltung nur innerhalb des Hauses ablegen kann.
Der Erfolg dieses Films beruht dabei auf einem Zusammenspiel aus zurückhaltend direkten Kameraeinstellungen, der hervorragenden schauspielerischen Leistung von Abe Hiroshi (bekannt aus "Kekkon dekinai otoko", engl. "The man who can't marry als Kuwanosan) und der leisen klassischen Musik, die "Still walking" zu einem besonderen Kinoerlebnis machen.
Absolut sehenswert!