S. W. Pokrowski: Ao, der Mammutjäger (ab ca. 11 J.)

  • OT: Sergej Viktorovi
    Pokrowskij: Ochotniki na mamontov ca. 1955



    Ao, der Mammutjäger ist ein Klassiker seiner Art, seit seinem Erscheinen ist es in mehrere Sprachen übersetzt und immer wieder neuaufgelegt worden. Das russische Original gibt es seit ein paar Jahren auch als Hörbuch.


    Die Geschichte ist im sogenannten Spätpaläolithikum angesiedelt, ca. 12 000 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung. Ao ist ein junger Jäger, wir begegnen ihm zum erstenmal, als er mit einer kleinen Jagdgruppe auf Mammutpirsch ist. Wir folgen ihm in sein Dorf, hören vom Leben und den Lebensgewohnheiten dort. Es gibt auch Konflikte mit Gruppen von Jägern anderer Clans, sowie mit einem Ausgestoßenen, der als Zauberer gilt. Einmal ist Aos ganze Siedlung einer Bedrohung ausgesetzt und muß fortziehen.


    Pokrowski bemüht sich sehr, das wenige, was an materieller Überlieferung vorhanden ist, Knochen, Speerspitzen, Pfeilspitzen, Arbeitsgeräte, wie Faustkeile, u.ä., mit den wissenschaftlich gültigen Vorstellungen seiner Zeit über die Lebensweise der Menschen vor so vielen tausend Jahren zusammenzubringen. Die Handlung ergibt sich sozusagen aus der verlebendigten Darstellung von Lehr - und Anschauungsmaterial. Das ist recht gut erzählt, aber nicht selten ist die Geschichte kurz davor, in der Erklärungs - und Informationsflut unterzugehen.


    Anschaulich beschrieben sind Sitten und Gebräuche, die Jagdzauber, die Tänze, das Alltagsleben. Unseligerweise ist eben das der Bereich, aus dem die allerwenigsten gesicherten Kenntnisse stammen. Was dem Autor gelingt, ist eine dann doch recht überzeugende Schilderung der Abhängigkeit der damaligen Menschen von den Gegebenheiten ihrer Umwelt, gleich, ob Witterung, Flora oder Fauna. Die Beschreibungen der Landschaft, der Pflanzen - und Tierwelt lesen sich streckenweise aufregender als die Geschehnisse unter den ProtagonistInnen.


    Pokrowskis Sprache ist dabei nie des Lehrer, sondern immer des Erzählers, und zwar eines aufmerksamen. Er läßt den Blick rundum schweifen und er läßt seine Leserinnen und Leser an allem teilhaben. Der Text ist in 39 kurze Kapitel gegliedert, die der jungen Zielgruppe die Aufnahme der beträchtlichen Menge an Information erleichtert.


    Ausgestattet ist das Buch mit größeren und kleinen Zeichnungen von G. Nikolski, die sowohl die Handlung illustrieren als auch die Fundstücke der modernen Ausgrabungsarbeiten zeigen. Es gibt Illustrationen, die sich über eine ganze Buchseite erstrecken oder als Mittelstreifen über eine Doppelseite, andere sind am Rand zu finden und oben oder unten auf den Seiten. Das Betrachten ist hier ebenso abwechslungsreich, wie das Lesen. Bunt und aufregend ist die Umschlaggestaltung, heute noch unwiderstehlich.
    Ein kurzes Nachwort eines Paläoanthropologen, der einen kurzen Abriß des wissenschaftlichen Hintergrunds von Pokrowskis Erzählung gibt, rundet das Buch ab.


    Ein Klassiker, wie oben geschrieben, vor sechzig Jahren modern, auch jetzt noch vergleichsweise lesbar und vor allem interessant anzuschauen, aber insgesamt für die heutige LeserInnenschaft eine Spur angestaubt und in manchen Erkenntnissen eventuell auch überholt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus