erstmals erschienen 1958
Es beginnt mit einer Flucht und einer Festnahme. Zwei Männer, Händler mit einer beträchtlichen Menge Geld, sind dabei, eiligst aus einem Grenzgebiet zu verschwinden. Aber Soldaten der nahegelegenen Garnison holen sie ein und verhaften sie wegen Waffen - und Alkoholschmuggels. Die Patrouille weist eine Besonderheit auf, der kommandierende Unteroffizier ist ‚Indianer’. Eine Besonderheit der ganzen Geschichte ist es, daß sie nicht in Nordamerika, sondern im Süden Chiles spielt, an der Grenze zum Indianergebiet und zu Argentinien. Wir schreiben das Jahr 1860. Bereits auf den ersten Seiten werden die Probleme und künftigen Konflikte deutlich, es geht um Kolonialismus, Siedlungspolitik, Rassismus.
Eingebettet ist das in eine immer spannender werdende Geschichte um einen möglichen Indianeraufstand. Getrieben wird die Handlung weniger durch aufregende Taten, obwohl es davon eine Menge gibt, als vielmehr durch die Figuren, die jede für sich durch den Konflikt Besatzer - Besetzte/Chilenen-Indianer geprägt ist und sich ständig damit auseinandersetzen muß. Die inneren Konflikte, die die Personen durchleben, sind dabei recht differenziert geschildert, auch wenn man bald gewisse Vorlieben und Abneigungen des Autors erkennen kann. Vorhersehbar sind sie dennoch selten.
Großartig gelungen ist nicht nur Sergeant Morales, der Moluche ist, sondern vor allem Hauptmann Vasquez, der Hauptmann der kleinen Garnison, altgedient, altgeworden, immer knapp vor der Resignation und doch ehrlich bemüht, sowohl Frieden zu halten, als auch Indianer als Menschen zu akzeptieren. Sein Gegenpart ist ein neuer Leutnant, sein Stellvertreter, verbissen, fanatisch, übermäßig ehrgeizig.
Überraschend sind die Ideen von Morales, die Indianer auf eine eigene Art zum Zusammenleben mit den Weißen zu bringen. Allerdings gilt das nur für sein Volk, es gibt noch ein zweites Indianervolk in dieser Gegend. Ähnliche Konflikte finden sich bei den Bürgern der kleinen Stadt, die um die Garnison entstanden ist.
Als wären das nicht Parteien genug, gibt es neben der Welt der Erwachsenen die Welt der Kinder, in diesem Fall ausschließlich der Söhne der Protagonisten. ‚Der Indianer’ ist ein klassisches Jungenbuch. Pedrillo, Morales’ ca. vierzehnjähriger Sohn, wie auch die anderen Jungen stehen vor den gleichen Problemen und sind wie die Erwachsenen gezwungen, Partei zu ergreifen.
Das Buch bringt aber nicht nur eine tolle Abenteuergeschichte, sondern auch eine eindringliche Beschreibung, wie sich Angst, Rassismus, Besitzgier, Vorurteile in einem kleinen Gemeinwesen ausbreiten, wie wenig ‚Vernunft’ ausrichtet, wenn man sich nie klar gemacht hat, was genau ‚Vernunft’ denn eigentlich sein soll. Es geht nicht um Menschenliebe, sondern um Rechte, um die Frage der Unterschiedlichkeit von Kulturen und den geringen Möglichkeiten echter Co-Existenz. Von daher gesehen ist das Buch streckenweise unangenehm aktuell. Die Geschichte bliebt überdies keineswegs im kleinen Rahmen, der Autor schafft es tatsächlich, die Ereignisse im abgelegenen Grenzgebiet in die Auseinandersetzungen großer Mächte, in diesem Fall Frankreich und Argentinien mit Chile, einzuordnen.
Ein Überraschung ist auch der Schluß, er ist traurig und aufmunternd zugleich, die Bösen sind tot, aber die Helden sind geschlagen. Ein sehr modernes Buch.
Eduard Klein kannte Chile aus eigener Anschauung. 1923 in Wien geboren, kam er 1939 als Flüchtling nach Chile. Ab 1953 bis zu seinem Tod 1999 lebte er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Ost-Berlin. Er hat gut zwei Dutzend Abenteuerromane geschrieben, die meisten davon für Jugendliche.
edit: Altersangabe ergänzt