Schafft sich der Kriminalroman ab?

  • Da ich in der letzten Zeit ein eher schlechtes Händchen bei der Krimiwahl bewiesen habe, muß ich dem Autor in weiten Teilen zustimmen.
    Leider weiß ich bei 90 % der Bücher noch vor Ende des ersten Drittels wer der Täter ist und warum er die Tat beging.
    Das war früher anders, ob das aber nun dem Kriminalroman an sich oder aber meiner steigenden Erfahrung und Aufmerksamkeit geschuldet ist, vermag ich nicht festzustellen.
    Ein wenig genervt bin ich in der letzten Zeit von den Psychologischen Krimis wie Dorns Trigger und auch von Arnos Krimierstling war ich einfach nicht überzeugt. Leider.


    Ich persönlich verehre ja im Krimibereich ganz klar Anne Holt, die aus meiner Sicht die realitätgetreuesten und dennoch spannendsten Krimis der heutigen Zeit geschrieben hat und noch schreibt. Klar ist auch bei ihr das ein oder andere Tief dabei, aber im Großen und Ganzen sind alle von ihr empfehlenswert.

  • Hallo, Beowulf.


    Zitat

    ein uralter Hut


    -ky hat keinen Boom ausgelöst. Ich schrub nicht, dass Klüpfl/Kobr den Regionalkrimi erfunden haben. Das wäre - neben der vielen, m.E. nicht immer verdienten, die sie sowieso schon bekommen haben - zu viel der Ehre. Aber die Kluftinger-Krimis (und ein paar andere) haben mit dafür gesorgt, dass die Verlage, und zwar auch honorige Literaturverlage, plötzlich Plätze für Regiokrimis freigeschaufelt haben, und die Bücher verkaufen sich nach wie vor exzellent. Erstaunlicherweise nicht nur in den Gegenden, in denen sie spielen.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Da ich in der letzten Zeit ein eher schlechtes Händchen bei der Krimiwahl bewiesen habe, muß ich dem Autor in weiten Teilen zustimmen.


    Das geht mir ähnlich, nur dass nicht meine "Täter-Vorhersag-Quote" dafür der Grund ist, sondern dass ich oftmals geschockt bin, auf welch sprachlichem Niveau sich ein Krimi mit aufwändiger (sorry, neue Rechtschreibung, aber ich habe Kinder in schulpflichtigem Alter!) Umschlaggestaltung und bei "seriösen" Verlagen erschien, arbeitet.
    Früher war das genau andersrum: da war auch das Design der "echten" Krimi-Taschenbücher bei Goldmann an die Optik von Jerry-Cotton-Heftchen angepasst, die Krimis standen im Drehständer und nicht im Regal wie "ordentliche" Bücher und in diesem No-Go-Area des wahren Bibliophilen fanden sich dann Perlen wie eben Tony Hillerman oder Upfield.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Mal eine vielleicht etwas absurd erscheinende Frage: Liest man Krimis tatsächlich, um am Ende damit überrascht zu werden, wer der Täter war - und warum? :wow Ich gebe zu, ich lese reinrassige Krimis selten (zuletzt tatsächlich Larsson, gerne Haas und Steinfest, die aber nicht typisch sind), schaue mir aber relativ gerne Kriminalfilme und -serien (Tatort, KDD o.ä.) im Fernsehen an. Für mich geht es dabei nur am Rande um das Whodunnit, sondern in der Hauptsache darum, was mit den Figuren geschieht, wie sie in den Fall involviert sind, was sich am Rande abspielt, wie sich die Schicksale durch die Tat verändern. Klar muss am Ende irgendwer der Täter gewesen sein, sonst würde das Publikum böse unbefriedigt aufheulen, aber aus meiner Sicht ist eine stimmig und spannend erzählte Geschichte, die sich um die Aufklärung des Falls rankt, aber nicht notwendigerweise von ihr beherrscht wird, viel wichtiger.

  • @ Tom
    Das kommt auf den Krimi an, die meisten Neuerscheinungen setzen in ihrem Spannungsaufbau hauptsächlich auf das Rätselraten um den Täter und das Drumherum ist eher lieblos gestaltet. Wenn ich dann schon recht genau weiß, wer der Täter ist, macht es mir einfach keinen Spaß mehr.


    Gutes Beispiel ist Beckett, bei seiner Chemie des Todes war ich zwar recht früh sicher, wer der Täter ist, fand es aber trotzdem geistreich und spannend. Bei Leichenblässe dem nächsten Band war mir aufgrund des Aufbaus so früh klar, daß es wieder nach Schema F ablaufen wird und nur die Frage des Warums noch nicht ganz klar war, die Figuren konnten mich da wenig begeistern. Kalte Asche war dann exakt genauso aufgebaut und nur allein an der figürlichen Ausgestalltung konnte ich bereits nach wenigen Seiten mit fast präziser Sicherheit sagen, worum es geht, wer es war und warum. Das langweilt mich einfach und wirkt schlecht gemacht.
    Ich möchte keinen Krimi lesen, der so simple gestrickt ist, daß ich die Zusammenhänge auf den ersten Seiten durchschaue.


    Grandios würde ich dagegen Schafkopf von Andreas Föhr bezeichnen, der mich was den Mörder anging ordentlich aufs Glatteis geführt hat, der seine protagonisten sehr eindringlich ausgestaltet hat und der auch seine Nebenhandlungen zu einem größtenteils zufriedenstellenden Ende führte.

  • Zitat

    Original von Tom: Mal eine vielleicht etwas absurd erscheinende Frage: Liest man Krimis tatsächlich, um am Ende damit überrascht zu werden, wer der Täter war - und warum? Wow Ich gebe zu, ich lese reinrassige Krimis selten (zuletzt tatsächlich Larsson, gerne Haas und Steinfest, die aber nicht typisch sind), schaue mir aber relativ gerne Kriminalfilme und -serien (Tatort, KDD o.ä.) im Fernsehen an. Für mich geht es dabei nur am Rande um das Whodunnit, sondern in der Hauptsache darum, was mit den Figuren geschieht, wie sie in den Fall involviert sind, was sich am Rande abspielt, wie sich die Schicksale durch die Tat verändern. Klar muss am Ende irgendwer der Täter gewesen sein, sonst würde das Publikum böse unbefriedigt aufheulen, aber aus meiner Sicht ist eine stimmig und spannend erzählte Geschichte, die sich um die Aufklärung des Falls rankt, aber nicht notwendigerweise von ihr beherrscht wird, viel wichtiger.


    Dieser Beitrag deckt sich genau mit meiner Denkweise.
    Hinzufügen möchte ich darüberhinaus eine Bemerkung von Heinrich Steinfest, die er in einer der letzten Sendungen bei Denis Scheck gemacht hat.
    Steinfest machte deutlich, dass es in keinem anderen Genre mehr um die Wahrheit als beim Krimi gehe.
    Als Leserin suche ich im Krimi nach Identität, Authentizität, Einblicke in das Seelenleben von Protagonisten. Was ich nicht erwarte sind absolute Antworten auf das Leben und den Tod; den Reiz bilden allein die Fragestellungen.

  • ich glaube, in den meisten Fällen wollen die Leser/Fernsehzuschauer von Krimis tatsächlich einen klassischen Whodunnit (was ja den nachhaltigen Erfolg der Agatha-Christie-Romane erklärt). Ich erinnere mich an die frühen/mittleren achtziger Jahre, als der Tatort ja durchaus mit "anderen" Krimiformen experimentierte, dass meine Mutter wutschnaubend den Fernseher nach der ersten Viertelstunde Tatort auschaltete: "jetzt weiß ich ja schon, wer's war!".

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Steinfest machte deutlich, dass es in keinem anderen Genre mehr um die Wahrheit als beim Krimi gehe.


    In Liebesromanen - auch in sehr guten - fällt die Erklärung dafür, warum sich jemand in eine Person verliebt, meistens recht dürftig aus, weil man das auch nicht besonders gut erklären kann. Es geschieht, der Leser kann es nachvollziehen, weil er auch nicht mehr weiß, warum er sich in seinen Partner verliebt hat (<hüstel>). Der Underdog-Held, der die Welt schließlich rettet, wächst über sich hinaus, und das muss als Erklärung genügen: Wir würden alle gerne über uns hinauswachsen und verbinden die Lektüre mit der Hoffnung, dass es im Zweifelsfall geschehen wird. Und so weiter.


    In Krimis hat jemand eine Tat begangen. Meistens die schlimmste von allen: Er hat eine Person umgebracht, ins Jenseits befördert, ermordet. Das tut man nicht einfach so. Schlechte Krimis liefern sehr armselige Erklärungen, bedienen sich bei den Standardmotiven, oder - der Trend ebbt zum Glück wieder ab - liefern den Serienmörder, der irgendwie einen Dachschaden hat. Gute Krimis vermitteln eine Idee davon, warum der Mörder gemordet hat. Wie es dazu kommen konnte, zu dieser widerwärtigsten Tat von allen. Das ist für mich als Gelegenheitskrimileser viel wichtiger, als am Ende mit der Nachricht überrascht zu werden, dass ein ganz anderer der Täter war, als ich bis dahin vermutet hatte. Was, um ehrlich zu sein, für mich das gesamte Buch zur Mogelpackung macht. Ich muss keine fünfzehn Euro dafür ausgeben, über 400 Seiten Sand in die Augen geschüttet zu bekommen. ;-)

  • Interessanterweise finde ich Agatha Christie, bei der ich tatsächlich häufig rätseln mußte, eher fade, ihr Stil liegt mir einfach überhaupt nicht, zu simple zu wenig vielschichtig.


    Was mich bei Krimis heutzutage allerdings auch oft stört ist die Todesart.
    Da reicht es nicht mehr, das jemand vergiftet wird, da muß dann schon verstümmelt und vergewaltigt werden, die Innereien müssen heraushänge und meist hat der Täter dann auch noch eine Trophäe mitgehen lassen, am Besten was Widerliches.
    Die guten alten Beziehungstaten kommen mir da irgendwie zu kurz, meist sind es wahllose Opfer, die aufgrund ihres Aussehens ins Schema des Täters passen...

  • Hm, für mich als Krimi/Thriller Autor ist jedes Buch eine Herausforderung.
    Herausforderung in dem Sinn, dass ich mich an keinem Beispiel orientiere.


    Ich verwurschtel stories aus meinem Leben mit Thrilleraspekten.
    Das ist garantiert nicht der mainstream, aber mir macht es Spaß und könnte eines Tages zu einem klitzekleinen mainstream werden.


    Also, der Krimi stirbt nicht aus. Er muss sich nur selbst neu erfinden.


    euer hef

  • Für mich ist es tatsächlich ein Minuspunkt, wenn es sich um einen Whodunit handelt und ich schon recht zeitig auf den Täter kam.
    Ich denke während des Lesens nicht sehr darüber nach, wer der Täter ist, aber wenn während des Lesens tatsächlich ein Name in meinem Hirn aufploppt, dann überlege ich schon, ob ich einfach ein paar Krimis zuviel gelesen habe, oder der Autor sich nicht genug Mühe gegeben hat.
    Ich neige noch dazu, dem Autor nicht genug Mühe zu unterstellen. Wenn ich ohne großes Grübeln und Kombinieren auf die richtige Person tippe, ich Dummbatz, dann hat er sich einfach nicht genug Mühe gegeben.


    Allerdings lernt man als Leser ja auch dazu, und manche Versatzstücke werden halt von Autoren immer wieder verwendet werden. Und als erfahrender Leser blickt man halt plötzlich Dinge, die man als Lese- oder Krimineuling nicht sehen würde.


    Deswegen schafft sich der Krimi auch nicht ab. Es gibt immer wieder neue Leser, die noch nicht viele Krimis gelesen haben. Es wird immer Leser geben, die gerne mitraten und gerne richtig liegen. Und es wird immer neue Autoren geben mit immer neuen Ideen. Krimis wird es immer geben.


    Wenn ein Krimi innovativ ist und auch noch gut geschrieben, bin ich im Himmel. Trotz vieler Enttäuschungen werde ich immer weiter nach diesen Perlen suchen.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Interessanterweise finde ich Agatha Christie, bei der ich tatsächlich häufig rätseln mußte, eher fade, ihr Stil liegt mir einfach überhaupt nicht, zu simple zu wenig vielschichtig.


    Was mich bei Krimis heutzutage allerdings auch oft stört ist die Todesart.
    Da reicht es nicht mehr, das jemand vergiftet wird, da muß dann schon verstümmelt und vergewaltigt werden, die Innereien müssen heraushänge und meist hat der Täter dann auch noch eine Trophäe mitgehen lassen, am Besten was Widerliches.
    Die guten alten Beziehungstaten kommen mir da irgendwie zu kurz, meist sind es wahllose Opfer, die aufgrund ihres Aussehens ins Schema des Täters passen...


    :write


    Mit vielen der momentan bei Neuerscheinen schon als "Bestseller" angepriesenen Thriller kann ich nichts anfangen. Alles nach Schema F, brutaler Serienmörder, ein mehr oder minder kaputter Ermittler, der sich in eine der beteiligten Frauen verliebt...


    Die Bücher von Tana French (Grabesgrün usw.) gefielen mir gut, ihr geht es um die Figuren, deren Motive und persönliche Hintergründe. Kennst du die Reihe?

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • Kann mich in Bezug auf die Todesart nur anschließen - diese ganzen mordenden Psychopathen mit den "künstlerisch gestalteten" Toten finde ich einfach nur furchtbar. Dürfte allerdings absolut dem Zeitgeist entsprechen - alles muß immer heftiger, gewalttätiger, ekeliger, blutiger etc sein. Besonders ist dieser Effekt im Fernsehen zu betrachten, aber eben auch in Büchern wird immer ekelhafter gemordet. Das große Publikum will offenbar einfach nur Action und davon immer mehr und immer blutiger.


    Einen Gegentrend dazu bilden imho die Regio-Krimis, die sich deswegen so gut verkaufen, weil sie eben das Kontrastprogramm zu den blutigen Metzeleien vieler Serienkiller-Autoren bieten.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)