Originaltitel: The Gangster We Are All Looking For
Kurzbeschreibung (von Amazon):
Die Flüchtlinge aus Vietnam, ein Vater mit seiner sechsjährigen Tochter, landen 1978 in San Diego, Südkalifornien. Mit den Augen des kleinen Mädchens sehen wir die fremde Umgebung: Die Schulkleider kratzen, die neuen Stimmen sind laut und hart, und die Welt ist voller rätselhafter, faszinierender Dinge. Wie zum Beispiel ein wunderschöner Schmetterling in einer Glasscheibe, der um seine Freiheit weint. Den unbelebten Dingen erzählt das Mädchen nachts, wenn es nicht schlafen kann, von der Heimat, vom Boot, vom Bruder, den es vermißt, von der Mutter, auf die es wartet. Als nach zwei Jahren die Mutter nachkommt, ist die Familie zwar endlich wieder vereint, doch die Fremdheit bleibt. Der Blick des Mädchens verliert nichts von seiner Intensität, nimmt die schäbigen Wohnblocks wahr, den eigenen Körper, die Streitereien zwischen den Eltern. Und während sie heranwächst, steigen die Traumata aus der Vergangenheit immer deutlicher hervor: die Verwüstung ihrer Heimat, der plötzliche Tod ihres Bruders, der beim Fischen ertrank, die verbotene Liebe ihrer Eltern, die zum Bruch mit der Familie führte. Mit sechzehn läuft sie davon, doch sie hat noch einen weiten Weg vor sich, bis sie die Geister der Vergangenheit bannen kann.
Über die Autorin:
Le Thi Diem Thuy wird 1972 in Phan Thiet, Südvietnam, geboren. 1978 verließ sie Vietnam auf einem Boot, zusammen mit ihrem Vater, und wuchs in Südkalifornien, USA, auf. Inzwischen lebt sie als Autorin und Performancekünstlerin in Massachusetts und erhielt mehrere Stipendien und Auszeichnungen.
Meine Meinung:
Der Schmetterling ist in einer kleinen Glasplatte gefangen, die sich über und unter ihm wölbt. Wenn sie ihn gegen das Licht hält, leuchtet er goldbraun. Sie kann ihn hören, wenn sie sich die Glasscheibe ans Ohr hält, Zitat (S. 28): "Zuerst hörte ich nur meinen eigenen Atem, aber dann war da noch ein weiches Rascheln, wie Flügel an einer Fensterscheibe. Das Rascheln war ein geflüstertes Lied. Es war die Sprache des Schmetterlings, und ich glaubte sie zu verstehen."
Sie ist sechs Jahre alt, als sie mit ihrem Vater in einem kleinen Boot übers Meer aus Vietnam flieht. Sie werden von einem Schiff der US Navy aufgenommen und kommen per Zufall nach San Diego, Kalifornien. Hier wartet sie auf die Mutter, die in Vietnam zurückblieb, und erkundet ihre neue Welt, die so anders ist als das, was sie kennt. Immerhin liegt auch in San Diego am Meer, und am Meer fühlt sie sich ihrer Mutter nahe. Überhaupt spielt das Meer eine wichtige Rolle in dem Buch; es hat ihren Bruder in Vietnam beim Fischen in den Tod gezogen, es verbindet und ist zugleich Fluchtpunkt - sie kann die Welt ausblenden, wenn sie in der Badewanne sitzt, mit dem Kopf unter Wasser geht und sich vorstellt, sie sei am Meer.
Ihr Vater ist ihre wichtigste Bezugsperson. Sie sieht ihm sehr ähnlich und sie teilen die Schlaflosigkeit; nachts kommen die Traurigkeit und die Träume. Die katholischen Großeltern aus dem Süden akzeptierten den Vater nicht als Schwiegersohn; er stammte aus dem Norden, war Buddhist und Gangster. Er kämpfte im Krieg und kam nach dem Krieg in ein Umerziehungslager. Vielleicht ist die Liebe der Eltern zueinander nicht stark genug, um für immer zusammenzubleiben.
Der Krieg steht nahezu unsichtbar hinter der Geschichte; seine Schrecken werden allenfalls angedeutet.
Es geht um die Suche nach einem Platz im Leben und nach dem, was man verloren hat; es geht um den Versuch, sich zu befreien. Mit sechzehn läuft das Mädchen weg und macht sich alleine auf die Suche.
Ein stilles, gefühlvolles Buch voller Sehnsucht und Poesie.