'Die Kameliendame' - Kapitel 01 - 10

  • Zitat

    Original von Clare
    Irgendwie hatten diese jungen Reichen ja auch nichts weiter zu tun, als ihre nerven zu pflegen, Freunde zu besuchen und Theater und die vom Vater ausgesetzte Rente gut durchzubringen. Da kommt doch eine Lebensrettung gerade recht...aber ich will ihm nicht Unrecht tun!


    Das ist ein Lebensstil, den man wohl heute "Privatier" nennt.
    Und noch mal zu den Nerven: ich glaube auch, dass die Nervenkrankheiten so üblich waren, bei Männlein wie Weiblein. Sicherlich eine Folge des an und für sich entspannten Lebens, in dem die Probleme von anderen Personen gegen Geld gelöst wurden. Eine echte Katastrophe kann einen da schon umhauen, man hatte je wenig Gelegenheit, sich in Krisenbewältigung zu üben. Ich meine natürlich echte Probleme, nicht die Kleiderfrage oder Ähnliches. :rolleyes


    Edit: Und der junge Mann war erst was um die 20 (?). Da lebt man noch zwischen himmelhochjauchzend und zutodebetrübt.

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    ...
    Interessant auch, dass er die eigentliche Geschichte Armand erzählen lässt.


    Zwischenzeitlich vergisst man sogar, dass ein Erzählerwechsel stattgefunden hat.


    [quote]Im 10. Kapitel tut mir Armand so richtig leid. Er scheint Margarete verfallen zu sein. Sie sichert sich gleich ab falls sie seine Erwartungen nicht erfüllen kann...Das kann ja nicht gut gehen, oder?


    Ja, während des Lesens beschleichen einen schon böse Vorahnungen...
    Diese Leidenschaftlichkeit ist schon bei Vater Dumas und seinen Musketieren auffällig, dieser Edelmut und diese Bedingungslosigkeit, mit der sich der Held der Geschichte in eine Liebe stürzt. Die Frage ist, waren die Männer der gehobenen Kreise damals wirklich so oder beschreiben die Autoren lediglich ein Ideal ihrer Zeit? :gruebel

  • Zitat

    Original von Liesbett
    ...
    Und noch mal zu den Nerven: ich glaube auch, dass die Nervenkrankheiten so üblich waren, bei Männlein wie Weiblein. Sicherlich eine Folge des an und für sich entspannten Lebens, in dem die Probleme von anderen Personen gegen Geld gelöst wurden. Eine echte Katastrophe kann einen da schon umhauen, man hatte je wenig Gelegenheit, sich in Krisenbewältigung zu üben. Ich meine natürlich echte Probleme, nicht die Kleiderfrage oder Ähnliches. :rolleyes


    Edit: Und der junge Mann war erst was um die 20 (?). Da lebt man noch zwischen himmelhochjauchzend und zutodebetrübt.


    Aufgefallen sind mir schon bei Vater Dumas diese Nervenkrisen und Zustände, die aber dort eher Frauen betrafen. Nun, hier ist ein Mann dran, und er wird auf Grund eines nervlichen Zusammenbruchs richtig ernsthaft krank, mit hohem Fieber und so , dass der Arzt aussagt, sein Schicksal könne sich so oder so entscheiden, Genesung oder Ende. Schon bemerkenswert!

  • Zitat

    Original von Clare


    Ja, während des Lesens beschleichen einen schon böse Vorahnungen...
    Diese Leidenschaftlichkeit ist schon bei Vater Dumas und seinen Musketieren auffällig, dieser Edelmut und diese Bedingungslosigkeit, mit der sich der Held der Geschichte in eine Liebe stürzt. Die Frage ist, waren die Männer der gehobenen Kreise damals wirklich so oder beschreiben die Autoren lediglich ein Ideal ihrer Zeit? :gruebel


    Das frage ich mich auch häufig, wenn ich Romane aus dieser Zeit lese, besonders wenn ich die Beschreibung der Männer von damals mit der heutigen Realität vergleiche. Vielleicht war es damals wirklich so, dass weniger hinterfragt und gar nicht diskutiert wurde, sondern die optische Wirkung an erster Stelle stand, denn wenn man so mancher Geschichte glauben soll, sind damals die Männer ihrer Angebeteten ja schon beim ersten Anblick zu Füßen gefallen. :rolleyes

  • Zitat

    Original von Klusi


    Das kann durchaus so sein, denn hinter seiner Geschichte steckt ja ein (zumindest zum Teil) wahres Schicksal. Vorbild für seine Kameliendame war ja Marie Duplessis, die Dumas selbst gekannt hat. Um seinen Roman ohne Skandal an die Öffentlichkeit zu bringen, musste er wohl einige "Winkelzüge" anwenden.


    Ich habe in meinem Opernführer "Palazzo Bajazzo" von Konrad Beikircher nachgeschlagen. Da steht: "Er [Dumas] hatte 1844 eine heiße Affäre mit Alphonsine Plessis, die ganz Paris unter dem Namen Marie Duplessis kannte. Sie war, was man heute als Edelnutte bezeichnen würde. Sie starb am 3. Februar 1847. Daraufhin schrieb Dumas (...) seinen Roman (...).
    Zu ihren Kunden gehörten der spätere Außenminister von Napoleon III., dann Franz Liszt, und eben Alexandre Dumas der Jüngere, bei dem es wohl, glaubt man ihm, mehr als nur eine Affäre war."

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Klusi


    Das frage ich mich auch häufig, wenn ich Romane aus dieser Zeit lese, besonders wenn ich die Beschreibung der Männer von damals mit der heutigen Realität vergleiche. Vielleicht war es damals wirklich so, dass weniger hinterfragt und gar nicht diskutiert wurde, sondern die optische Wirkung an erster Stelle stand, denn wenn man so mancher Geschichte glauben soll, sind damals die Männer ihrer Angebeteten ja schon beim ersten Anblick zu Füßen gefallen. :rolleyes


    Ein klein wenig mehr davon hätte sich ruhig in unsere Zeit hinüber retten können...
    Vielleicht lese ich deshalb so gerne Dumas...

  • Zitat

    Original von Regenfisch


    Ich habe in meinem Opernführer "Palazzo Bajazzo" von Konrad Beikircher nachgeschlagen. Da steht: "Er [Dumas] hatte 1844 eine heiße Affäre mit Alphonsine Plessis, die ganz Paris unter dem Namen Marie Duplessis kannte. Sie war, was man heute als Edelnutte bezeichnen würde. Sie starb am 3. Februar 1847. Daraufhin schrieb Dumas (...) seinen Roman (...).
    Zu ihren Kunden gehörten der spätere Außenminister von Napoleon III., dann Franz Liszt, und eben Alexandre Dumas der Jüngere, bei dem es wohl, glaubt man ihm, mehr als nur eine Affäre war."


    Da hat Dumas wohl seine reale Erfahrung im Roman aufgearbeitet.
    Hier steht ebenfalls einiges dazu, auch auf die Sache mit den roten und weißen Kamelien wird eingegangen: Marie Duplessis


    Den Bildern nach muss Marie D. wirklich eine schöne Frau gewesen sein.

  • Zitat

    Original von Klusi


    Da hat Dumas wohl seine reale Erfahrung im Roman aufgearbeitet.
    Hier steht ebenfalls einiges dazu, auch auf die Sache mit den roten und weißen Kamelien wird eingegangen: Marie Duplessis


    Den Bildern nach muss Marie D. wirklich eine schöne Frau gewesen sein.


    Sehr interessant. Da hat Dumas wohl wirklich seiner Geliebten ein Denkmal gesetzt.
    Dass Verdis Oper „La Traviata“ auch auf diese Frau zurückgeht, ist mir neu gewesen. Sie scheint die Männer ihrer Zeit ganz schön beeindruckt zu haben!

  • Ich habe eine Uralttaschenbuchausgabe von Goldmann aus der Vor-ISBN-Zeit: Greta Garbo hält stehend den Kopf des vor ihr knieenden Robert Taylor zärtlich umfangen.
    Wenn meine Zeit es zulässt, schaue ich gern ab und an vorbei.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Klusi :
    Danke für den Link!
    Sie war wirklich eine schöne Frau mit einer wahnsinnigen Ausstrahlung.
    Ich lese jetzt mal weiter, bin sehr gespannt, wie es weitergeht.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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  • Zitat

    Original von Clare
    Ein klein wenig mehr davon hätte sich ruhig in unsere Zeit hinüber retten können...
    Vielleicht lese ich deshalb so gerne Dumas...


    Nun ja, gewissermaßen gibt es das heute auch noch ... nur erklärt man diese Menschen eher für verrückt. Ich bin auch so Eine, die, wenn jemand ihr nach wenigen Tagen schon vor die Füße fällt und ihr seine tiefste Liebe erklären würde, sich fragt: was will der wirklich? :pille In meiner Teenagerzeit war das anders :grin

  • Ich lese diese Ausgabe, leider wirklich häßlich und ohne Anhang... :cry


    Auch ich hatte die Kamelien mit Menstruation gleich gesetzt und war kurz schockiert, weil ich mir diesen Hinweis zur damaligen Zeit als mehr als nur skandalträchtig vorgestellt habe.
    Mutiger Mann...


    Das 6. Kapitel fand ich jetzt nicht allzu schlimm, gut, mag daran liegen, daß mich ein solcher Anblick nicht mehr wirklich schreckt. Alles schon mal gesehen und der Geruch ist, wenn sie in der Erde lagen eigentlich auch nicht soooooo schlimm, bißchen modrig, aber naja...
    Immerhin scheint ihn das ja zumindest vorrübergehend geheilt zu haben, den guten Armand.


    Ein wenig amüsiert bin ich, wenn ich mir überlege, welch ein Theater da veranstaltet wird, daß man einander vorgestellt wird und daß man sich kennt. Wenn man krank ist legt man ein Buch aus, da können die Besucher sich eintragen.
    Toll!
    Hätte ich jetzt grad auch gerne. Dann seh ich, man sorgt sich um mich und ich muß trotzdem nicht aufstehen und Kaffee für alle kochen.
    Obwohl, ein bißchen so ähnlich ist Facebook ja.... lach.
    Erst stupst man sich an, hey kennst du mich, dann stellt man sich vor oder wird von einem Freund vorgeschlagen... ok ich drifte ab.


    Grundsätzlich sind wir Frauen ja selbst schuld, daß die Herren sich nicht mehr so affig gebärden. Damals rastete man aus, wenn man den Knöchel einer Dame sah und heute können nicht mal gänzlich nackte Tatsachen noch schockieren. Klar kam mit der neuen Mode auch mehr Freiheit und Beweglichkeit, aber zu welchem Preis?

  • Zitat

    Original von Klusi
    Ich habe eine alte Ausgabe vom Bertelsmann-Verlag. Da gab es damals eine ganze Reihe diverser Klassiker, alle in blaues Kunstleder gebunden und mit Goldprägung. Ich habe schon einige Bände in meinem Regal und darum auch zu dieser Ausgabe gegriffen.
    Wenn man über den Link zum Amazon-Angebot geht, findet man dort ein Kunden-Foto, das leider hier im Thread nicht sichtbar ist.


    Die hab ich auch. Ich hab das Buch aus der Bibliothek.


    Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, mit dem Buch anzufangen!
    Jetzt geh ich unter die Dusche, und dann gehts aber los! Nach euren Berichten hab ich jetzt auch Lust darauf, das Buch zu lesen!

  • Zitat

    Original von Liesbett


    Nun ja, gewissermaßen gibt es das heute auch noch ... nur erklärt man diese Menschen eher für verrückt. Ich bin auch so Eine, die, wenn jemand ihr nach wenigen Tagen schon vor die Füße fällt und ihr seine tiefste Liebe erklären würde, sich fragt: was will der wirklich? :pille In meiner Teenagerzeit war das anders :grin


    Ja, das würde wohl wirklich seltsam wirken...aber wann war denn deine Teenagerzeit :gruebel

  • Zitat

    Original von Babyjane
    ...
    Das 6. Kapitel fand ich jetzt nicht allzu schlimm, gut, mag daran liegen, daß mich ein solcher Anblick nicht mehr wirklich schreckt. Alles schon mal gesehen und der Geruch ist, wenn sie in der Erde lagen eigentlich auch nicht soooooo schlimm, bißchen modrig, aber naja...
    Immerhin scheint ihn das ja zumindest vorrübergehend geheilt zu haben, den guten Armand.


    Ich fand auch eher schlimm, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, dass einem so ein Anblick helfen und den Abschied erleichtern könnte. Man stelle sich vor, den geliebten Menschen so zu sehen...das Bild würde sich mir so ins Gedächtnis brennen...


    Zitat

    Ein wenig amüsiert bin ich, wenn ich mir überlege, welch ein Theater da veranstaltet wird, daß man einander vorgestellt wird und daß man sich kennt. Wenn man krank ist legt man ein Buch aus, da können die Besucher sich eintragen.
    Toll!...


    Die Idee gefällt mir auch :lache


    Zitat

    ...
    Grundsätzlich sind wir Frauen ja selbst schuld, daß die Herren sich nicht mehr so affig gebärden. Damals rastete man aus, wenn man den Knöchel einer Dame sah und heute können nicht mal gänzlich nackte Tatsachen noch schockieren. Klar kam mit der neuen Mode auch mehr Freiheit und Beweglichkeit, aber zu welchem Preis?


    Hm, vielleicht sollten wir uns ab und an mal rar machen, die Augen niederschlagen und schüchtern hinter hochgeschlossenen Kragen versteckt lächeln, hüsteln, säuseln und ab und zu mal in Ohnmacht fallen...

  • Zitat

    Original von Babyjane


    Grundsätzlich sind wir Frauen ja selbst schuld, daß die Herren sich nicht mehr so affig gebärden. Damals rastete man aus, wenn man den Knöchel einer Dame sah und heute können nicht mal gänzlich nackte Tatsachen noch schockieren. Klar kam mit der neuen Mode auch mehr Freiheit und Beweglichkeit, aber zu welchem Preis?


    Da hast du wohl nur allzu Recht! Die Emanzipation hat halt nicht nur Vorteile. Damals gab es keine Farbglanzmagazine mit nackten "Schönheiten", und die Frauen der "gehobenen Gesellschaft" waren alle nicht berufstätig. Ich habe den Eindruck, sie lebten in ihrer eigenen Welt, hatten in ihren Boudoirs eine Möglichkeit zum Rückzug, wo sich die Männer quasi erst anmelden mussten, um sie zu sprechen und zu sehen. Dadurch war natürlich die Einstellung den Frauen gegenüber eine ganz andere. :anbet

  • So, die ersten fünf Kapitel hab ich gelesen! Ich bin auch sehr angenehm überrascht, wie flüssig es sich liest und wie interessant die Geschichte ist!


    Der Erzähler und Armand scheinen sich sehr miteinander anzufreunden. Die Exhumierung war etwas gruslig!

  • So. Nach Kapitel 6 nun eine kleine und kurze Lesepause. :rum


    Ich lese ebenfalls die weniger schöne Komet-Ausgabe ohne Anhang und mit Herr und Frau anstelle von Madame und Monsieur. Davon abgesehen gefällt mir die Übersetzung wirklich gut. Und auch was die Geschichte selbst angeht, die Erzählperspektive und Erzählweise, die damals sehr kontroversen Ansichten, das Gesellschaftskritische, die detaillierten und deshalb so gut nachvollziehbaren und nachfühlbaren Beschreibungen. In manchen Büchern nervt mich ausschweifende Detailverliebtheit, aber hier ist sie absolut passend und wunderbar zu lesen. Ich bin ja ohnehin Fan französischer Klassiker und scheine wohl auch dieses Mal nicht enttäuscht zu werden. :-]


    Habt ihr Prévosts „Manon Lescaut“ gelesen? Ich noch nicht, aber die Andeutungen machen sehr neugierig auf das Buch. (Vielleicht etwas für eine nächste Leserunde? ;-))

  • Zitat

    Original von Clare


    Ich fand auch eher schlimm, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, dass einem so ein Anblick helfen und den Abschied erleichtern könnte. Man stelle sich vor, den geliebten Menschen so zu sehen...das Bild würde sich mir so ins Gedächtnis brennen...


    Genau das waren auch meine Gedanken: einen geliebten Menschen möchte man doch in schöner Erinnerung behalten. Allein die Vorstellung, das Letzte, was man von ihm sieht, ist ein solcher Anblick ... :yikes Ein fast schon traumatisches Erlebnis. Man bekäme das Bild doch niemals mehr aus dem Kopf. Aber vielleicht war sich Armand dessen im Ansatz bewusst, und es war genau das, was er brauchte, um sich von seiner Liebe ein Stück lösen zu können.