Tom Wolfe - Fegefeuer der Eitelkeiten

  • Titel im Original: The Bonfire of Vanities


    Kurzbeschreibung:


    Der große New York-Roman der 90er Jahre. Sherman McCoy, erfolgreicher Wall-Street-Broker mit Wohnsitz in der Park Avenue, findet sich plötzlich vor Gericht wieder: Unfallflucht. Eigentlich eine Bagatelle, doch Staatsanwälte, Priester und Boulevardblätter verschwören sich gegen ihn. Schließlich grassieren über ihn so viele spannende Gerüchte, dass die Wahrheit niemanden mehr interessiert...


    Meine Meinung:


    Der erfolgreiche Wall-Street-Makler Sherman McCoy, der sich aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in Gedanken als „Master of the Universe“ betitelt, verirrt sich eines Tages mit seiner Geliebten Maria (von der seine Ehefrau natürlich nichts wissen darf) in die heruntergekommene, mit einem schlechten Ruf behaftete Bronx. Als sich zwei schwarze Jugendliche dem Auto nähern, geraten Sherman und Maria in Angst vor einem Raubüberfall in Panik. Maria, die sich ans Lenkrad gesetzt hat, fährt einen der beiden Jugendlichen mit Shermans Mercedes an und rast mit ihrem Liebhaber davon. Nachher will sie trotz Shermans Gewissensbissen nichts davon wissen, die Polizei zu verständigen, schließlich sei ja sie gefahren und somit sei es ihre Entscheidung. Doch schon bald stürzen sich die Medien auf den Fall, die Polizei beginnt zu ermitteln und zunehmend gerät der angsterfüllte, obschon eigentlich unschuldige Sherman ins Visier der ihre eigenen Ziele verfolgenden und ihre Eitelkeiten befriedigenden Meute aus Reportern, Staatsanwälten und politischen Aktivisten…


    Mit „Fegefeuer der Eitelkeiten“ legt Tom Wolfe einen großen Roman über den tiefen Fall eines Wall-Street-Börsianers mit einem Jahresgehalt von einer Million Dollar vor, gespickt mit Seitenhieben auf die dekadente, oberflächliche bessere Gesellschaft. Mit einem humorschwangeren Unterton zeigt Wolfe die Welt der gleichsam manipulierenden wie manipulierbaren Medien, der Staatsanwälte und Politiker, die sich den Kampf für Gerechtigkeit für alle auf ihre Fahnen schreiben, dabei aber nur an ihrer Wiederwahl interessiert sind und den alltäglichen Spagatakt, ein friedliches Miteinander unter den verschiedenen ethnischen Minderheiten in einer Großstadt wie New York zu gewährleisten.


    In vielen köstlichen kleinen Szenen seziert der Autor den alltäglichen Wahnsinn, die Oberflächlichkeiten, die Eitelkeiten und die Obsessionen im New York der 80er Jahre und gespannt verfolgt der Leser, wie sich die Dinge für McCoy immer mehr zum Schlechten wenden. Die Figuren sind ausnahmslos großartig gezeichnet, sei es nun der publicitygeile Oberstaatsanwalt, der unterbezahlte, karrieregeile Unterstaatsanwalt oder der versoffene „Enthüllungsjournalist“, der sich vor den Karren spannen lässt und nicht einmal mitbekommt, wie sehr er manipuliert und benutzt wird; trotz des mitunter satirischen Tons hat man nie das Gefühl, über Klischees zu lesen.


    Der 925 Seiten starke Roman versteht zu fesseln, ist gleichsam Gesellschaftsanalyse wie spannende und unterhaltsame Lektüre und ein überzeugendes Sittengemälde einer Gesellschaft, in der jeder nur auf sein eigenes Fortkommen bedacht ist. Empfehlenswert!

  • Danke für die sehr überzeugende Rezension, mankell :wave


    "Ich bin Charlotte Simmons" steht bei mir noch im SUB und dieses Buch wandert auf jeden Fall schon mal auf die Wunschliste. Ich habe schon lange vor ein Buch von Tom Wolfe zu lesen - bisher hatte mich aber immer ein wenig die Dicke der Bücher abgeschreckt und vor allem bei "Ein ganzer Kerl" war ich beim Reinlesen auch sprachlich nicht überzeugt ... mit diesem werde ich es aber wohl mal versuchen!

  • Danke Mankell, für deinen Griff in die "Mottenkiste". Dieser Roman ist eines der besten Bücher, die ich jemals in meinem Leben gelesen habe. Ich habe es Mitte der 90er bei meinem New-York-Intermezzo im Original gelesen und den großen Meister auch persönlich kennenlernen dürfen - das war einfach nur zutreffend und klasse. Was er da so scharfzüngig aufs Korn nimmt, hätte sich genau so abspielen können, böse Zungen behaupteten sogar, es habe bei so manchen Personen reale Vorbilder gegeben. Glaube ich sofort. Seine Milieustudien sind Sonderklasse. Geistreiche, und auch ein wenig satirische Unterhaltung vom Allerbesten. Ich glaube, DAS Buch würde ich auf die berühmte Insel mitnehmen.


    Was dieser geniale Schriftsteller danach produziert hat, ist meines Erachtens nicht sehr der Rede wert. Krampfhaft hat er versucht, an sein Meisterwerk anzuknüpfen, war von gesundheitlichen Problemen geplagt. Für "A Man in Full" - ein ganzer Kerl, hat er dem Verlag nach vielen, vielen Vertröstungen endlich, endlich das Manuskript abgeliefert, aber ohne Ende. Der Lektor bzw. der Verleger durfte sich eines aus mehreren Möglichkeiten aussuchen. Das sagt, finde ich, leider viel aus. Ich habe danach nichts mehr von ihm gelesen.


    Das alles schmälert aber nicht seine Verdienste um die "Fegefeuer der Eitelkeiten". :anbet

  • Rita, "Ein ganzer Kerl" liegt auch noch auf meinem SuB, aber da hört man tatsächlich immer wieder Stimmen, die meinen, an "Fegefeuer der Eitelkeiten" sei Wolfe einfach nicht mehr herangekommen. Naja, ich werde ja sehen.
    Wie hat es sich denn ergeben, daß du Tom Wolfe kennengelernt hast? Upper-Class-Party? :lache

  • Mankell, hihi, Upper-Class-Party - schön wär's. Oder auch nicht. Das Zusammentreffen hatte berufliche Gründe seitens meines Mannes. War eine spannende Zeit im Herzen der amerikanischen Buchbranche. Vielleicht haben mich die "Fegefeuer" auch deswegen so gepackt.

  • Zitat

    Original von Rita
    Danke Mankell, für deinen Griff in die "Mottenkiste". Dieser Roman ist eines der besten Bücher, die ich jemals in meinem Leben gelesen habe. Ich habe es Mitte der 90er bei meinem New-York-Intermezzo im Original gelesen und den großen Meister auch persönlich kennenlernen dürfen - das war einfach nur zutreffend und klasse. Was er da so scharfzüngig aufs Korn nimmt, hätte sich genau so abspielen können, böse Zungen behaupteten sogar, es habe bei so manchen Personen reale Vorbilder gegeben. Glaube ich sofort. Seine Milieustudien sind Sonderklasse. Geistreiche, und auch ein wenig satirische Unterhaltung vom Allerbesten. Ich glaube, DAS Buch würde ich auf die berühmte Insel mitnehmen.


    Was dieser geniale Schriftsteller danach produziert hat, ist meines Erachtens nicht sehr der Rede wert. Krampfhaft hat er versucht, an sein Meisterwerk anzuknüpfen, war von gesundheitlichen Problemen geplagt. Für "A Man in Full" - ein ganzer Kerl, hat er dem Verlag nach vielen, vielen Vertröstungen endlich, endlich das Manuskript abgeliefert, aber ohne Ende. Der Lektor bzw. der Verleger durfte sich eines aus mehreren Möglichkeiten aussuchen. Das sagt, finde ich, leider viel aus. Ich habe danach nichts mehr von ihm gelesen.


    Das alles schmälert aber nicht seine Verdienste um die "Fegefeuer der Eitelkeiten". :anbet


    Das hört sich ja spannend an, Rita :wave


    Dann werde ich vielleicht wirklich lieber die Finger von "Ein ganzer Kerl" und "Ich bin Charlotte Simmons" und gleich mit dem "Fegefeuer" anfangen, nicht, dass mich eines seiner späteren Bücher noch abschreckt, sein großes Werk zu lesen. ;-)