Literatur und Wirklichkeit - Länderklischees in Büchern

  • Zugegeben, über diese Sache mache ich mir des öfteren Gedanken und nehme nun einmal die Tatsache, dass ich gerade einige Kapitel der (übrigens hochintelligenten) Dissertation meiner Freundin lese, zum Anlass, in dieser Runde diese Frage zu stellen:


    In der Arbeit geht es um das Kanadabild in der deutschen Kinderliteratur und um die Tatsache, dass in Büchern, die in Kanada spielen, die Story meist nach Schema F abläuft: Bevorzugt Jungens gehen in den Weiten der kanadischen Urwälder verloren, lernen aber zum Glück Indianer kennen, die ihnen Bärenjagen und Blockhüttenbauen beibringen. Manche Jungs gehen auch freiwillig in die kanadische Wildnis, weil sie die Zivilation satt haben und neuerdings dürfen bei dieser Art Büchern auch Mädchen mitmachen (Barbenderede z B.). Jedenfalls dürfen in solchen Büchern Großstädte (und da gibt's ja in Kanada ein paar ganz tolle) nicht mitspielen oder allenfalls als negativer Kontrapunkt zur Wildnis.


    Nun bin ich keine profunde Kennerin der deutsch-kanadischen Abenteuerliteratur, allerdings fiel mir ähnliches in Bezug auf Irland auf. Mit dem ollen Böll fing's an (Irisches Tagebuch) und auch später schrieben viele (deutsche) Autoren von Irland als einem Sensuchtsort, wo die Welt noch in Ordnung ist, die Menschen abends im Pub bei Löffelgeklapper lustige Lieder singen und im Gegensatz zum gemeinen Mitteleuropäer aufs Feinste mit ihrer Insel verwachsen sind.
    Seltsamerweise stellt sich dieses Bild bei den zeitgenössischen irischen Autoren ganz anders dar: da ist die Insel ein finstres Regenloch, die allgegenwärtige katholische Kirche eher Damoklesschwert als Seelsorger und die alten Traditionen eher Last denn Freude.


    Habt ihr auch solche Beispiele? Neuseeland scheint ein ähnlicher Fall zu sein, da habe ich bei der Suche nach Literatur zwar einen Haufen Schmonzetten gefunden, aber kaum einheimische Autoren, die ins Deutsche übertragen worden wären.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Mir fällt jetzt spontan kein Länderklischee ein, mich erinnert dein Beispiel von der Wildnis daran, dass Kinder in Jugendromanen häufig gerade Ferien haben. Eine glaubwürdige Kindheit würde vielleicht jemanden bei der Arbeit im Ferienjob zeigen (die Wildnis macht nur einen winzigen Bruchteil des Lebens aus), zwei Monate Regale einräumen und dann zwei Wochen ab mit Freunden zum Angeln.

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    Nicht nur Neuseeland, auch Australien ist beliebte Kulisse für Schmonzetten und "Auswandererglücks-Geschichten" aller Art.


    Das habe ich auch gemerkt! Bei Neuseeland wurde ich ja letztlich fündig, aber ich suche immer noch einen ansprechenden zeitgenössischen Australienroman :-(


    Buchdoktor : es ging eher darum, dass immer die gleichen Bilder verwendet werden. Und in Kanada muss jedem Kind/Jugendlichen, egal ob es dort angelt, Kanu fährt oder einen Flugzeugabsturz überlebt, einen Bären und einen Elch treffen. Und Indianer. Die Indianer sind prinzipiell gut. Sind sie es nicht, dann liegt es daran, dass sie zermürbt von der westlichen Zivilisation, dem Alkohol anheimgefallen sind.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Habt ihr auch solche Beispiele? Neuseeland scheint ein ähnlicher Fall zu sein, da habe ich bei der Suche nach Literatur zwar einen Haufen Schmonzetten gefunden, aber kaum einheimische Autoren, die ins Deutsche übertragen worden wären.


    In Neuseeland spielen die Thriller von Paul Cleave, sind bis jetzt alle vier ins deutsche übertragen worden. Aber wie gesagt: Es sind Thriller. ;-)

  • naja, ein paar Klischees fallen mir schon ein:


    - Cornwall und seine weißen Cottages, wo hübsche Blümchen blühen und die Landfrauen täglich Kekse backen und die Marmelade selbst machen
    - junge Frauen, die wahlweise nach Neuseeland, Indien oder Australien reisen, um dort ihren reichen Ehemann zu heiraten oder wieder zu treffen, der inzwischen aber tot ist - oder so ähnlich - jedenfalls stehen sie am ende völlig mittellos da und müssen sich allein durchbeißen, lernen dabei aber natüüüüüürlich Mr. Right kennen. spielt sehr gerin im 19. Jh.
    - Schottland mit seinen Schlössern und seinen Röcke und Schwert tragenden langharigen Helden eignet sich ganz hervorragend für Zeitreisen

  • Zitat

    Original von Wiggli


    In Neuseeland spielen die Thriller von Paul Cleave, sind bis jetzt alle vier ins deutsche übertragen worden. Aber wie gesagt: Es sind Thriller. ;-)


    Ich hab da gerade mal reingeguckt, ich glaube Thriller sind wirklich nicht mein Genre :erschreck

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von Queedin
    naja, ein paar Klischees fallen mir schon ein:


    - Cornwall und seine weißen Cottages, wo hübsche Blümchen blühen und die Landfrauen täglich Kekse backen und die Marmelade selbst machen
    - junge Frauen, die wahlweise nach Neuseeland, Indien oder Australien reisen, um dort ihren reichen Ehemann zu heiraten oder wieder zu treffen, der inzwischen aber tot ist - oder so ähnlich - jedenfalls stehen sie am ende völlig mittellos da und müssen sich allein durchbeißen, lernen dabei aber natüüüüüürlich Mr. Right kennen. spielt sehr gerin im 19. Jh.
    - Schottland mit seinen Schlössern und seinen Röcke und Schwert tragenden langharigen Helden eignet sich ganz hervorragend für Zeitreisen


    Und kennst du da auch Gegenbeispiele? Zerrüttete Sozialsiedlungsfamilien in Schottland? Scheiternde Auswanderinnen? Tödliche Langeweile im Cottage in Cornwall? Würde mich echt mal interessieren, ob es sowas auch gibt.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Das habe ich auch gemerkt! Bei Neuseeland wurde ich ja letztlich fündig, aber ich suche immer noch einen ansprechenden zeitgenössischen Australienroman :-(


    Mir persönlich hat Goulds Buch der Fische von Richard Flanagan ausgesprochen gut gefallen, es spielt allerdings in Tasmanien. Und ist wirklich ein ganz eigenes Buch.


    Edith hat noch schnell die ISBN nachgereicht. Und ein N geklaut.

  • Jetzt hat das Klischee doch geklingelt: Bei Mary Scott kommt die tapfere, tatkräfitge Farmerfrau vor, die alle Probleme allein löst, während der Göttergatte mit seinen Viehherden beschäftigt ist, die nie krank wird und natürlich auch all ihre Kinder kurz und schmerzlos mit einem tapferen Lächeln zur Welt bringt.

  • Zitat

    Original von DraperDoyle


    Ich hab da gerade mal reingeguckt, ich glaube Thriller sind wirklich nicht mein Genre :erschreck


    Schade, ich könnte dir auch Australien-Krimis anbieten. :grin


    Hast du schon mal bei der literarischen Weltreise hier im Forum geschaut? Direkt im ersten Beitrag sind ein paar Links, die vielleicht etwas für dich sein könnten.


    Zu Australien fällt mir noch ein: Spielt nicht zumindest ein Buch von Barbara Wood dort? :gruebel Ich habe das mal als Jugendliche gelesen, weiß kaum noch etwas darüber.

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Jetzt hat das Klischee doch geklingelt: Bei Mary Scott kommt die tapfere, tatkräfitge Farmerfrau vor, die alle Probleme allein löst, während der Göttergatte mit seinen Viehherden beschäftigt ist, die nie krank wird und natürlich auch all ihre Kinder kurz und schmerzlos mit einem tapferen Lächeln zur Welt bringt.


    Ja, und bei Kanada trifft dieses Klischee nicht nur auf eine einzelne Autorin, sondern auf ein ganzes Land zu ;-) Ist Mary Scott Kanadierin? Anne of Green Gables ist ja auch ein kanadisches Buch, es ist aber wohl den wenigsten bewusst, dass das in Kanada spielt.

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  • Wiggli, die literarische Weltreise ist doch Sinn der Übung!
    Krimis gehen schon eher, ich habe als Jugendliche mal Krimis von einem, nun, wie denn jetzt, Upton irgendwas oder irgendwas Upton gelesen (oder vielleicht hieß der auch ganz anders), ein Halbaborigine (?) und Polizist, die mir eigentlich gut gefallen haben (und sicherlich immer noch gefallen würden), aber ich krieg das nicht mehr zusammen. Wood geht leider gar nicht, ich hab mich mal an "Heiße Sonne, heißes Land" oder so ähnlich (Schauplatz Südafrika) versucht, furchtbar!


    Tilia, beim nächsten Mal werde ich mich an die Einspruchfrist halten!

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Zerrüttete Sozialsiedlungsfamilien in Schottland?


    Solche Personen sind zum Beispiel in den Edinburgh-Krimis von Ian Rankin zuhauf zu finden. Die Inspektor Rebus-Reihe ist wirklich weit weg von jeglichem schottischen Touristen-Idyll.


    Aber was mir bei der Lektüre dieses Threads aufgefallen ist - Es scheinen meistens die Krimis und Thriller zu sein, die mit dem üblichen Länderklischee brechen.

  • Draper du meinst Inspektor Napoleon Bonaparte von Arthur Upfield. Australienkrimis aus den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts- am Verhältnis zu den Aborigines hat sich aber noch nicht viel geändert im Lande- man hört von Fortschritten (langsamenst) seit der Olympiade in Sydney, aber meine Informationsquelle (Onkel in Sydney) ist beerdigt, so dass mir der direkte Bezug zum heute fehlt.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Zitat

    Original von DraperDoyle


    Und kennst du da auch Gegenbeispiele? Zerrüttete Sozialsiedlungsfamilien in Schottland? Scheiternde Auswanderinnen? Tödliche Langeweile im Cottage in Cornwall? Würde mich echt mal interessieren, ob es sowas auch gibt.


    zerrüttete Sozialfälle in Schottland? da fällt mir Trainspotting ein - das wirklich fiese Gegenbeispiel.


    tödliche Langeweile oder Auswanderer ohne Happy End kenne ich nicht. aber ob ich das würde lesen wollen? ?(

  • Generell ist es wohl auch nicht anders als in Deutschland- da gibt es Geschichten bei den Herz-Schmerz im Vordergrund steht, die spielen gerne im "romantischen" Bayern oder an der Küste, oder realistische Geschichten, die sind häufig in Krimis verpackt.

    Nemo tenetur :gruebel


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