Die Perspektive des Gärtners - Hakan Nesser

  • Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
    Verlag: btb Verlag; Auflage: 1. Aufl. (23. August 2010)
    Originaltitel: Maskarna på Carmine Street
    Preis: € 19,99


    Klappentext:
    Wo ist Sara? Vierzehn Monate ist es her, dass Erik und Winnie Steinbecks vierjährige Tochter verschwunden ist. Beim Spielen von einem fremden Mann auf der Straße angesprochen, in einem dunklen, großen Wagen mitgenommen. Das ist alles, was man weiß. Danach verliert sich die Spur. Kein Erpresserbrief, kein Hinweis auf mögliche Täter. Es ist nicht der erste Schicksalsschlag für Winnie - war doch ihr erster Mann zusammen mit der gemeinsamen Tochter tödlich verunglückt. Um Abstand zu gewinnen, schlägt Winnie Erik deshalb vor, in die USA zu ziehen. Die beiden lassen sich in New York nieder. Und zunächst scheint dies die rettende Idee. Winnie fängt wieder an zu malen, Erik geht jeden Tag in eine öffentliche Bibliothek, um dort zu schreiben. Schon bald jedoch kippt die Situation. Seltsame Dinge geschehen. Winnie behauptet zu wissen, dass Sara noch lebt. Sie malt ein Bild, das exakt die Situation der Entführung wiedergibt, alles ist fotogenau wiedergegeben - bis auf das Gesicht des Mannes. Erik ist beunruhigt. Durch Zufall entdeckt er, dass seine Frau heimlich aus dem Haus geht, wenn er fort ist. Dass sie obskure Bekanntschaften pflegt. Sie streitet es ab. Und dann erfährt er, dass Winnie ihm nicht die Wahrheit gesagt hat über ihre Vergangenheit ...



    Meine Meinung:

    Erik und Winnie ziehen mit dem traumatischen Erlebnis, nämlich der Entführung ihrer vierjährigen Tochter, nach New York um dort eventuell ein neues Leben zu beginnen, das Schreckliche hinter sich zu lassen. Der geneigte Leser weiß dass das nicht möglich sein wird. Zuviele Dinge, die sich erst nach und nach wie ein Puzzleteil an das andere schmiegen, sind in der Vergangenheit passiert, zu sehr ist man in dieser Geschichte gefangen als dass ein Neuanfang so einfach möglich wäre.
    Als Winnies Verhalten immer mysteriöser wird, vertraut sich Erik einem Mann an, den er jeden Tag in der Bibliothek sieht. Es stellt sich heraus dass es ein Detektiv im Ruhestand ist der Erik nun seinerseits Hilfe anbietet. Nach anfänglichem Zögern (wer fühlt sich schon gut dabei seine eigene Frau beobachten zu lassen) nimmt er dieses Angebot gerne an.
    Nun entwickeln die Dinge eine Eigendynamik die nicht mehr aufzuhalten ist...


    Fazit:
    Sprachlich sehr ausgefeilt, stellenweise sehr poetisch, baut Nesser anfangs eine sehr spannende Stimmung auf. Obwohl nicht viel passiert möchte man wissen wie es weitergeht.
    Zum Ende hin ist diese Spannung leider vielen Ungereimtheiten zum Opfer gefallen, das Ganze wirkte auf mich sehr konstruiert und überhaupt nicht nachvollziehbar.


    Deswegen leider nur 6 Punkte

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Sprachlich sehr gut, zog mich das Buch gleich zu Beginn in seinen Bann.


    Je länger ich las, desto weniger begeistert war ich. Nein, das Buch hat mich nicht enttäuscht, es ist ein gutes Buch (Meine Wertung: 8 Punkte), aber ich hatte das Gefühl, dass ganz Passagen des Buches irgendwie unfertig sind.


    @Frau Willi: direkte Ungereimtheiten fand ich nicht, aber es werden Fäden nur halbherzig wieder aufgegriffen, Anspielung, die mein Interesse weckten, dann lapidar mit einer Kurzerklärung abgetan...


    Ein gutes Buch, aber von einem Nesser hatte ich mir ein noch besseres Buch versprochen.

  • Zitat

    Original von javaline
    Sprachlich sehr gut, zog mich das Buch gleich zu Beginn in seinen Bann.


    Ein gutes Buch, aber von einem Nesser hatte ich mir ein noch besseres Buch versprochen.


    Das war es vielleicht was mich schlußendlich so enttäuscht hat, ich hatte mir einfach mehr von dem Buch erhofft. Wie gesagt es geht nicht um die sprachlichen Qualitäten.
    buzz, vielleicht hört sich Schulnote 3 besser an als 6 Punkte :-)

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Hallo liebe Eulen,


    über Autor und Handlung ist ja bereits oben zu lesen, daher hier


    Meine Meinung
    Ich bin überhaupt kein Krimifan, ab und an greife ich zu einem, für zwischendurch zum Entspannen. Nach einigen Büchern von Nesser, weiß ich aber mittlerweile, dass er sprachlich sehr interessant und ausgefeilt schreibt. Auch in diesem Buch finde ich das wieder ebenso wie poetische Stellen. Schon die erste Zeile hat mich überzeugt


    Zitat

    Mit vier vollgepackten Koffern und zwei leeren Herzen kamen wir nach New York.


    genauso wie


    Zitat

    Wir liebten uns brutal, ein Kampf um Leben und Tod.


    Manches schreibt Nesser kurz, pregnant und unumstößlich. Manche Zeilen liest man und erhalten im Kopf eine eigenen Speicherplatz, auch weil sie so voll Leben sind.


    Zitat

    .... Verwirrung und Trauer können nur mir Tatendrang bekämpft werden.


    Die Parapsychologie erhält einen Stellenwert, mit dem ich so nicht gerechnet habe. Diese Einflechtung wird im Laufe der Geschichte zu einer wesentlichen Säule, die mich sehr in den Bann zieht. Bei einer kurzen Geschichte halte ich den Einsatz dieses Themas aber für maßlos übertrieben.



    Na ja, diese kurze Geschichte unterstützt zweifelsohne den Hang zur Mysthik, im Nachhinein betrachte ist sie aber einfach zu viel, too much.


    Generell baut sich durch Vorfälle dieser Art, aber auch durch das häufige Springen zwischen den Zeiten eine wunderschöne, spannende Geschichte auf, von der ich aber letztens Endes sehr enttäuscht wurde.


    All diese Verstrickungen und Verwicklungen von vielen verschiedenen Personen und Wegen, münden in ein plattes Ende, in eine ziemlich hohle, sehr übliche Kriminalstory.


    Leider, denn Nesser lässt mich in den letzten 50 Seiten sehr unzufrieden zurück und letzten Endes das Buch frustriert weg legen.


    7 von 10 Punkten, vor allem wegen der sprachlichen Vielfältigkeit.

  • Ich sehe dieses Buch doch deutlich positiver als meine Vorrednerinnen, und "viele Ungereimtheiten" konnte ich auch nicht ausmachen.
    Sprachlich wie bei Nesser üblich ein Genuß, hat mich bis zum Weggang von Winnie vor allem die Tatsache überrascht, daß der angeschlagene Ton so sehr an die Bücher von Paul Auster denken läßt (der kurioserweise auch kurz erwähnt wird) - ich denke, das ist ein schönes Kompliment, das man Nesser machen kann.
    Mit dem Fortgang von Winnie flacht die Geschichte ein wenig ab und entwickelt sich zu einer mehr oder weniger 08/15-Kriminalgeschichte mit Showdown.
    Dennoch, ich habe dieses Buch gern gelesen, halte es zwar nicht für den besten Nesser, aber doch für lesenswert.

  • Dies war mein erstes Buch von Hakan Nesser und ich war von Anfang an gefesselt. Ich hatte ständig den Drang, weiterlesen zu müssen - ich könnte ja etwas verpassen :-) und dabei war es mir ziemlich egal, wie spät es war.


    Am Ende war die Enttäuschung allerdings groß. Der aufgebaute Spannungsbogen wird auf gefühlten 20 Seiten abrupt beendet. Ein Ende, das der Rest des Buches nicht verdient hat.


    Fazit: Schade, aber dennoch lesenswert.

    "Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder!" (Dante Alighieri)

  • Meiner Meinung nach ist Nesser mit diesem Buch wieder ein Glanzlicht gelungen. Nicht deshalb, weil die Thematik besonders originell wäre. Die Charaktere sind zwar sympathisch und gut gezeichnet, aber auch nicht herausragend. Herausragend ist für mich der Schreibstil, die Erzählweise, die immer besser wird. Die Qualität geht weit darüber hinaus, was ich mir von einem Krimi bzw Thriller erwarte. Von einem Krimi erwarte ich vor allem Spannung, Unterhaltung und eine angenehme Sprache.


    Håkan Nesser ist das hier - und für mich stimmt das 100%ig -absolut gelungen. Inwieweit die Übersetzerin dabei einen Beitrag geleistet hat, kann ich leider nicht beurteilen.


    Jedenfalls hat mich das Buch fasziniert und begeistert. Allerdings kam der Schluss ein wenig abrupt - aber rückblickend passt der auch. Er passt zu der fast distanziert-kühlen, ruhigen, unaufgeregten und doch tief gehenden Erzählweise eines der ganz Großen (und immer besser werdenden) Krimiautoren der Gegenwart. Und es ist wirklich lesenswert, wie Nesser das doch sehr problematische Thema aufarbeitet und den Fall auflöst.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde