"Pjöngjang" - Guy Delisle [Comic]

  • Titel der französischen Originalausgabe: "Pyongyang"


    Zum Buch


    Nachdem er in Shenzhen seinen Aufenthalt in der chinesischen Sonderwirtschaftszone verarbeitet hat, beschreibt Guy Delisle in dem Nachfolgeband Pjöngjang seine Reise in eines der isoliertesten Länder der Welt: Nordkorea. Hier arbeitete er zwei Monate lang als Supervisor für eine französische Trickfilmproduktion.


    Mit George Orwells Klassiker 1984 im Gepäck tritt der frankokanadische Comicautor seinen Dienst an in einem Land, in dem man Orwells Albtraumszenario an der Wirklichkeit messen kann. In detaillierten Zeichnungen berichtet Guy Delisle von Menschen, die nachts von der Stromversorgung abgeschnitten sind, während die Monumente der Il-Sung-Dynastie leuchtend hell erstrahlen. Pjöngjang ist weniger ein klassischer Reisebericht als der beeindruckende Versuch, einen Blick hinter staatliche Inszenierung und kulturelle Schranken zu werfen - ein Comic, der angesichts der politischen Entwicklungen an Aktualität kaum zu übertreffen ist.


    Über den Autor


    Guy Delisle, geboren 1966 in Quebec, studierte plastische Kunst in Toronto. Von 1986 bis 1988 arbeitete er für das Zeichentrickstudio CinéGroupe in Montréal, anschließend ging er nach Europa und zeichnete für Studios in München, Berlin und Valencia. Mit seiner Frau, die für die die Organisation Médecins sans frontières arbeitet, lebte Delisle 2005 14 Monate in Burma, von dieser Zeit berichtet er in dem 2007 erschienenen Comic Chroniques Birmanes. Seit 1991 lebt und arbeitet Guy Delisle in Montpellier.



    Meine Meinung


    In diesem Comic berichtet der Autor von seinem zweimonatigen Aufenthalt in Nordkorea, einem Land, dass sich nahezu vollständig abgeschottet hat. 2001 reiste der Autor im Auftrag der französischen Firma Protécréa nach Nordkorea, um im dortigen SEK Studio (Scientific Educational Korea) die Fertigstellung eines Trickfilms zu beaufsichtigen. Viele Arbeitsschritte zur Herstellung eines Trickfilms werden in Asien in Auftrag gegeben, unter anderem auch in Nordkorea. Für Nordkorea bedeuten diese Aufträge Deviseneinkünfte und eine minimale Öffnung des Landes, die jedoch sehr stark kontrolliert wird. Der Vorteil für die ausländischen Firmen ist natürlich eine erhebliche Kostenersparnis, der Monatslohn eines nordkoreanischen Animateurs soll bei drei Dollar liegen. Im Comic wundert sich der Autor an einer Stelle, dass seine nordkoreanischen Mitarbeiter am Zahltag noch einen Sack Reis dazu bekommen. Auch Disney-Filme wie Pocahontas und Der König der Löwen sollen teilweise in Nordkorea hergestellt worden sein.


    Der Autor berichtet in seinem Comic hauptsächlich von seinen Erfahrungen als einer der wenigen Ausländer in Nordkorea, da jeder Kontakt zu Einheimischen sehr stark unterbunden wird. Während des Aufenthaltes ist der Autor im Yanggakdo Hotel untergebracht, das auf einer Insel im Fluss liegt und in dem ein Stockwerk für die wenigen ausländischen Delegationen reserviert ist. Das Hotel kann er nur in Begleitung seines Dolmetschers und Fremdenführers verlassen, ein Taxi darf er ebenfalls nur in Begleitung seines Fremdenführers benutzen. Highlight ist die Freitags stattfindende Party im Viertel der NGOs (Nichtregierungsorganisationen), auf der er immer wieder die gleichen Gesichter sieht.


    Am Wochenende schlägt sein Fremdenführer für gewöhnlich einen der für Ausländer obligatorischen Ausflug vor, mit denen Nordkorea versucht, seine Besucher zu beeindrucken. Der Autor besucht zum Beispiel die Pjöngjanger Metro (wobei er nur zwei Stationen sehen darf), des Denkmals Kim-Il-Sungs und Museen zu Ehren Kim-Il-Sungs und Kim Jong-ils. Der Autor macht gute Mine zum bösen Spiel, fragt sich aber bei all der Propaganda, mit der er gefüttert wird, immer wieder, ob die Menschen im Land das wirklich glauben.


    Thema des Buches sind neben der Verarmung der Bevölkerung immer wieder der allgegenwärtige und sehr schräge Ausmaße annehmende Personenkult um Kim-Il-Sungs und Kim Jong-ils und die von Angst und Misstrauen geprägte Atmosphäre des Überwachungsstaates. Nordkorea ist das einzige Land der Welt, das nicht an das Internet angeschlossen ist, es gibt nur ein oder zwei staatliche Fernsehsender, die hauptsächlich Propaganda zeigen, Radios sind auf bestimmte Frequenzen fixiert und werden regelmäßig kontrolliert. Die Menschen werden systematisch mit Fehlinformationen über das Ausland gefüttert, um Feindbilder aufzubauen, und sie haben praktisch keine Möglichkeiten, sich eine eigene, unabhängige Meinung zu bilden. Es besteht die ständige Angst, für regierungsfeindliches Verhalten verhaftet zu werden, gleichzeitig aber auch der Zwang, nach außen hin glücklich zu erscheinen.


    Die Bilder sind im Vergleich zu Joe Sacco eher schlicht. Sie scheinen mit Tusche gezeichnet und dann mit Bleistift grau schraffiert zu sein. Der Autor zeigt im Comic einen trocken (Galgen-)humor, der die Absurdität und Surrealität seiner Erlebnisse, herausstellt, ohne aber die Menschen ins Lächerliche zu ziehen.


    Sehr schräges Land, die Menschen tun mir leid. 1984 wahr geworden. :-(
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  • Ich habe die englische Ausgabe schon vor einigen Jahren gelesen. Da ich kein Comic-Fan bin, vermag ich das Buch unter dem Aspekt nicht zu beurteilen. Aber wer etwas aus erster Hand über Nord-Korea erfahren will, dem kann ich dieses Buch nur nahe legen. Das es ein Comic ist, davon sollte sich ein interessierte Leser nicht abschrecken lassen. Ich kam in diese Form der Berichterstattung sehr gut rein und fand, dass Deslisles Stil zum Thema gut passte.