Originaltitel: L'aimé
Kurzbeschreibung (von Amazon):
Axel Gauvin, 1944 auf Reunion geboren, erzählt in zupackender Sprache von der ungewöhnlichen Liebe einer Großmutter zu ihrem Enkel. Eines Tages, auf Reunion tobt gerade ein Wirbelsturm, wird der Junge Aime zu seiner Großmutter Margrite gebracht. Die Eltern sind gestorben, Aime ist lebensbedrohlich erkrankt. Margrite, nach Außen hin rauh und bärbeißig, nimmt den Jungen auf und es gelingt ihr, nicht nur die Krankheit zu besiegen, sondern in dem Jungen Vertrauen und Lebensmut zu wecken. Sie schenkt ihm ein Stück unbeschwerter Kindheit und gibt ihm Kraft für die ersten Schritte in Richtung Erwachsenwerden. Das Auf und Ab zwischenmenschlicher Beziehungen, Glück und Verluste schildert der Autor anrührend, mit viel Liebe für seine Protagonisten, doch ohne jede Spur von Sentimentalität.
Über den Autor:
Axel Gauvin, 1944 auf Réunion geboren, ist Lehrer und Autor von drei Romanen in französischer Sprache, Gedichten in Kreolisch und Essays zur kreolischen Literatur. "Wenn du aufwachst, bin ich da" ist sein zweiter Roman in deutscher Übersetzung. Für seinen Jugendroman "Kindheitshunger" erhielt er mehrere Auszeichnungen.
Meine Meinung:
Margrite ist über siebzig und hat, meint man, alles vom Leben gesehen und keine Überraschungen mehr zu erwarten. Doch während ein Zyklon auf Réunion zu rast, Margrite ihr ärmliches Haus sturmsicher zu machen versucht, ihren Mann Bénard, der ein Angsthase und zu nichts nutze ist, beruhigen muss und sich nebenbei an Erinnerungen an ihren verstorbenen Sohn Joseph aufwärmt, ist doch etwas völlig Unerwartetes auf dem Weg zu ihr: die Liebe. Denn Joseph, der vor Jahren wegzog, heiratete und wegen eines Missveständnisses den Kontakt zu seiner Mutter abbrach, hatte einen Sohn. Margrite weiß nichts davon, bis mitten im Sturm ein Taxi vor dem Haus anhält und einen Jungen bringt, der mehr tot als lebendig ist. Er sieht aus wie Joseph und Margrite ist überglücklich, einen Enkel zu haben. Dessen Mutter ist gestorben und der Taxifahrer wurde beauftragt, dass Kind zur Großmutter zu bringen, denn sonst hat es keinen Menschen mehr. Margrite liebt es vom ersten Moment an mehr als alles auf der Welt.
Der Junge ist so krank und geschwächt, dass sein Leben am seidenen Faden hängt. Margrite kämpft und, oh Wunder, selbst der alte Bénard hat etwas beizutragen. Seine eingebildeten Krankheiten machen ihn zu einem Fachmann in medizinischen Dingen und er hat die entscheidenden Ideen für Aimés physische Heilung. Doch der Junge ist durch schlimme Erlebnisse traumatisiert; er muss aufgemuntert und seine Lebenslust wieder geweckt werden. Die beiden Alten bekommen neue Namen: Großmutter und Großvater. Ja, selbst Margrite nennt ihren Mann nicht mehr verächtlich Bénard wie früher, sondern Großvater. Etwas Wundervolles passiert, seit Aimé in ihr Leben getreten ist. Als Großvater stirbt, trauert Aimé, und selbst Margrite stellt erstaunt fest, dass sie Großvater vermisst. Sie gibt dem Jungen alles, was er braucht, um stark zu werden und seine Angstträume zu besiegen. Dafür bekommt sie Liebe und Zärtlichkeiten, die ersten in ihrem Leben.
Großmutter erzählt viele Geschichten, Episoden aus ihrem Leben - an einer Stelle heißt es, dass die Geschichten einen während des Zuhörens zum Lachen bringen und einen traurig machen, wenn man darüber nachdenkt. Und genau so ist auch dieses Buch geschrieben - nah an den kleinen Dingen des Lebens, voller Humor, Tiefe, Kraft und Liebe. Es duftet, wenn Großmutter Bananen röstet oder Zuckerrohr schneidet; es atmet, wenn sie Aimé beim Schlafen zusieht. Es ist bevölkert von skurrilen Figuren: Großvater, Kommunist und Atheist, trägt immer eine Bibel bei sich. Grand-gaby, Großmutters Gehilfe, hat in Vietnam gekämpft und weiß selbst, dass er ein wenig einfältig ist - doch er bringt Aimé Grillen und Käfer im Glas ans Krankenbett. Großmutters Kuh ist so eigensinnig, dass sie Dame Caoudin genannt wird, und selbst Großvaters alter Wagen hat einen Namen: Nach Kythera - natürlich gibt es auch dazu eine Geschichte.
Die Erzählweise gefällt mir außerordentlich gut. Einige Passagen sprechen den Leser direkt mit "du" an und und lassen ihn so die Gedanken und Gefühle der Figuren noch stärker nachempfinden, dazu gibt es Wortschöpfungen, die sicherlich nicht einfach zu übersetzen waren. All das macht die Geschichte so lebendig. Ein wundervolles, traurig-schönes Buch über eine ganz besondere Liebe.