Das Malzheimer Syndrom des Lesers

  • Mein Problem ist ja, neben wenigen anderen, dass wenn ich schreibe, dazu neige, bereits zurückliegende Handlung nochmal neu anzuführen, ausgehend davon, dass des Lesers Hirn es nicht vermag sich an das zu erinnern, was es vor drei Tagen oder vor 100 Seiten gelesen hat.


    Ich weiß, das ist falsch. Der Leser hat kein Malzheimer.


    Geht es Anderen hier ähnlich und trauen ihren Lesern ebenso wenig Erinnerungsvermögen zu? Oder neigen Autoren grundsätzlich dazu, den
    Leser zu unterschätzen? Ich denke es kommt aus meinem Wunsch heraus,
    das der Leser, auch wenn er ein ungeübter Leser ist, die Handlung rallt.


    Gerade lese ich Tintenherz von Cornela Funke (ich wechsle mich immer
    ab mit leichten Büchern und anspruchsvollen Büchern, und nein, haha,
    den Witz würde garantiert jemand machen (hef zum Beispiel)
    Tintenherz gehört zu letzterer Kategorie.
    Übrigens, am Anfang dieses Threads ging es um die Vergesslichkeit des
    Lesers und jetzt sind wir bei Cornelia Funke, die ebenfalls ihren Lesern,
    (sind ja auch nur Kinder) wenig Erinnerungsvermögen zutraut.
    So schreibt sie wirklich auf jeder zweite Seite wo man gerade ist,
    was passiert ist, wie toll die Protagonisten Bücher finden, etc.)


    Ich denke dann immer ... Jaaaaa, herzensgute Frau Funke ... ich habs gerafft!


    Und genau diesen Fehler mache ich auch. Es ist tückisch.


    Wie denkt Ihr darüber?


    Herzlichst,
    Euer Hirnfreund.

  • Rallt? :gruebel


    Und Frau Funke als "Alte" zu titulieren ist wohl ein wenig neben den Grenzen der normalen Höflichkeit.


    Zudem ist der Fred-Titel wohl etwas neben der Spur. Offenbar hast du keine Ahung davon, was es bedeutet an Alzheimer erkrankt zu sein. Was du wohl meinst fällt wohl eher unter den Begriff der "normalen Vergesslichkeit".

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Voltaire ()

  • Zitat

    Original von Insomnia


    Hihihihi, einen ähnlichen Gedanken hatte ich eben. Aber da es kurz vor Weihanchten ist, wird es nicht der Troll sondern der Grinch sein :rofl


    :grin


    Vielleicht sollte der Kollege auch mal das einschalten, wovon er vorgibt ein Freund zu sein. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Die Wortwahl im Eröffnungs-Posting zeugt zwar tatsächlich von wenig Sensibilität, aber das angesprochene Thema beschäftigt mich auch. Da ich Unterhaltungsliteratur schreibe, gehe ich davon aus, dass meine Bücher selten unter "Idealbedingungen" gelesen werden - also im Lesesessel, rundherum Stille, der Leser ist voll konzentriert und liest die Geschichte an einem Stück hintereinander weg. Eher wird es wohl so sein, dass ein paar Seiten in der U-Bahn gelesen werden, dann kommt die Arbeit, auf dem Nachhauseweg wird weitergelesen, dann noch ein paar Seiten im Bett. So zieht sich die Lektüre mit vielen Unterbrechungen über ein paar Wochen.
    Deswegen neige ich dazu, wichtige Informationen, die zum Mitdenken (ggf. Miträtseln) bei der Geschichte benötigt werden, zu wiederholen - Pi mal Daumen dreimal zu erwähnen. Entscheidende Stellen bekommen auch entsprechendes Volumen - wenn eine Hauptfigur stirbt, dann nimmt das in der Regel ein paar Seiten Platz ein, damit es nicht versehentlich überblättert wird.

  • Zitat

    Original von Bernard
    ......gehe ich davon aus, dass meine Bücher selten unter "Idealbedingungen" gelesen werden - also im Lesesessel, rundherum Stille, der Leser ist voll konzentriert und liest die Geschichte an einem Stück hintereinander weg.



    Dein Buch habe ich zu einem großen Teil zuhause in meinem Lesesessel gelesen. Lieber Bernard, unterschätze deine Leser nicht. :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Bernard
    Die Wortwahl im Eröffnungs-Posting zeugt zwar tatsächlich von wenig Sensibilität, aber das angesprochene Thema beschäftigt mich auch.


    So geht es mir auch.
    Trotzdem versuche ich in der Rohversion nichts zu wiederholen. Zumindest bemühe ich mich darum, keine Wiederholungen erkennen zu lassen, sondern die Information unauffällig einzubinden, z.B. durch Gedanken einer Figur, die grob in diese Richtung, oder daran vorbei denkt.
    Eine ausformulierte Erklärung gibt es in jedem Fall nur einmal.
    Meine Testleser markieren mir hintrher die Stellen, an denen sie sich mehr Erklärungen wünschen, und im letzten Lektoratsdurchgang wird dann auch nochmal daraufhin kontrolliert, dass manche Leser sehr oberflächlich lesen (ich schreibe ein typisches Viel- und Schnelllesergenre) und dann Probleme mit dem Verständnis bekommen könnte.
    Dann wird entschieden, ob wir weiter vereinfachen, mehr erklären (bisher Theorie) oder erwarten, dass der Leser bei Bedarf selbst nachdenkt, bzw. nochmal liest (bisherige Praxis).


    Ob das Prinzip der wenigen Wiederholungen auch bei einer Trilogie - mit immerhin einem Jahr zwischen den Bänden - funktionieren wird, muss sich zeigen. Aber da mich als Leser Wiederholungen nerven und ich das Gefühl nicht mag, vom Autor für dumm verkauft zu werden, hoffe ich darauf ;-)
    Ein bisschen Mitdenken/ selbstständiges Denken darf auch im Liebesroman erwartet werden. :unschuld



    Bei meinem aktuellen Jugendroman sieht es ein klein wenig anders aus. Da wiederhole ich ein klitzekleines bisschen mehr, was auch daran liegt, da da sehr, sehr viele, teils winzige Puzzleteilchen hingeworfen werden, ehe sich alles zu einem Bild auflöst. Da darf die ahnungslose Ich-Erzählerin hin und wieder schonmal ein Detail wieder in Erinnerung rufen, indem sie darüber nachdenkt, es im Gespräch erwähnt, etc.

  • Hallo, Voltaire.


    Zitat

    Offenbar hast du keine Ahung davon, was es bedeutet an Alzheimer erkrankt zu sein.


    Aber Du, gell? Irgendwie habe ich das geahnt. :grin


    Großer Gott, man kann es mit dieser bescheuerten politischen Korrektheit auch übertreiben. Ich benutze äußerst gerne das Adjektiv "hirntot". Damit wird ein Zustand beschrieben, der niemandem zu wünschen ist. Aber es ist doch nicht als Beleidigung aller Menschen, die in der Vergangenheit hirntot waren, es derzeit sind oder irgendwann sein werden, wenn man diesen bildhaften Vergleich benutzt.


    Zur eigentlichen Frage: Das hat man im Gefühl. Wer sich zu viele Gedanken darüber macht, ob die Leser wohl verstehen, was man ihnen zu sagen versucht, zerstört damit erfahrungsgemäß lediglich den Text.

  • Zitat

    Original von Tom
    Hallo, Voltaire.



    Aber Du, gell? Irgendwie habe ich das geahnt. :grin


    Toll, das du es geahnt hast.
    Nur schreibe ich hier was ich für richtig und notwendig erachte - ich schreibe unter Garantie nicht das was du vielleicht gern hören möchtest.


    Und es wäre schön, wenn du es mir überlassen würdest, ob ich mich "political corectness" verhalte.


    Leider weiß ich sehr genau was es bedeutet an Alzheimer erkrankt zu sein; eine Erfahrung auf die ich auch hätte verzichten können.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Tom


    Aber Du darfst es anderen vorschreiben, ja? :rofl


    Ich habe es anderen nicht vorgeschrieben - ich habe die Wortwahl kritisiert.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen,


    bitte nicht streiten. Political Correctness ist sehr wichtig. Besonders, wenn
    man über 40 ist und drei Katzen hat und Alice Schwarzer gut findet.


    Daher habe ich das Wort Alzheimer durch Malzheimer ersetzt.

  • Zitat

    Original von Tom


    Aha. Und der Unterschied ist genau welcher? ;-)


    Liegt das nicht auf der Hand?
    Vorschreiben bedeutet, dass er es so hinschreibt wie ich es fordere. Kritisieren bedeutet, dass ich zwar die Wortwahl nicht gut finde, er aber trotzdem seinen Text in der bisherigen Form stehen lassen kann.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Eigentlich schaue ich als Nichtbetroffener wenig in die Autorenecke- aber ist das nicht eher ein Thema, dass der Autor mit dem Leser diskutieren sollte? Auch wenn ich das Ergebnis dieser Diskussion für vorhersehbar halte- man kann es nicht allen recht machen.

  • Zitat

    Original von Hirnfreund
    Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen,


    bitte nicht streiten. Political Correctness ist sehr wichtig. Besonders, wenn
    man über 40 ist und drei Katzen hat und Alice Schwarzer gut findet.


    Daher habe ich das Wort Alzheimer durch Malzheimer ersetzt.


    Das ist zwar nett von dir, leider gibt es das Wort Malzheimer nicht. Ich habe nur deswegen auf den Tread geklickt. Und klar ist einem dennoch, dass du Alzheimer meinst (jedenfalls nach Lektüre deines Eröffnungspostings), ich verstehe also nicht, was du damit bezwecken magst. :wave

  • Um mal zum Sachlichen zurückzukehren.


    Ich finde, beim Erarbeiten eines komplexen Textes darf es durchaus erlaubt sein, gewisse Details zu wiederholen. Es schafft, meiner Meinung nach, beim Leser ein Gefühl von Wohlbehagen - so nach dem Motto: ja genau!, vorausgesetzt es wird subtil gemacht und nicht mit der Hammermethode. Hände weg von Infodumping.


    Beispiel:


    Ein Protagonist hat die Gewohnheit, gewisse Dinge zu verlegen oder bei Schwierigkeiten sich zu räuspern oder wenn er sich ärgert, verdammt zu sagen. oder er hat vielleicht eine merkwürdige Art, sich zu bewegen.
    Da genügt es nicht, diese Gewohnheiten nur einmal am Rande zu erwähnen, das wäre nicht real. Im Leben wiederholt sich vieles, warum also nicht in einem Roman?


    Ich denke da an das Erarbeiten einer Bühnenchoreographie oder eines Songtextes. Wichtige Passagen wiederholen sich, um den Zuseher- oder -Hörer einerseits nicht mit ständig Neuem zu überfordern und andererseits das Merken zu erleichtern und letztendlich ein Gefühl von Vertrautheit zu erschaffen.


    mlG
    Sayyida