Kurzbeschreibung
Ich muss gestehen, ich hatte mit Sherlock Holmes nie viel am Hut. Den Referenzen in anderen Werken nach zu urteilen, musste es sich bei ihm um einen verstaubten, durch und durch trockenen Besserwisser mit einer ziemlich absurden Kappe handeln, der den ganzen Tag über Pfeife rauchte und seinen dämlichen Kumpan Watson belehrte.
Dann kam der (sehr empfehlenswerte) Film mit Robert Downey Junior als Sherlock Holmes und weckte mein Interesse. Ich beschloss, die Original-Geschichten (4 Romane und um die 60 Kurzgeschichten) zu lesen.
Der erste Roman, "A Study in Scarlet" ("Eine Studie in Scharlachrot"), ist hier bereits rezensiert und behandelt u. a. das Kennenlernen von Holmes und Watson.
"The Sign of Four" (manchmal auch "The Sign of the Four", auf Deutsch "Das Zeichen der Vier") ist der zweite. Eine junge Frau, Miss Mary Morstan, bittet Holmes und Watson um Hilfe: Ihr Vater, Captain Morstan, verschwand vor zehn Jahren spurlos; seitdem erhält sie merkwürdige Geschenke und neuerdings auch merkwürdige Briefe, in denen um ein Treffen gebeten wird. Der Schreiber dieser Briefe entpuppt sich als Thaddeus Sholto - der Sohn eines gewissen Major Sholto, welcher mit Miss Morstans Vater befreundet war. Nach dem Tod seines Vaters entdeckten er und sein Bruder einen indischen Schatz, und dieser scheint auch der Grund für Captain Morstans Verschwinden zu sein; wer aber ist der einbeinige Einbrecher mit den vergifteten Pfeilen?
Eigene Meinung
Der oben erwähnte Film, in dem Holmes als Actionheld präsentiert wird, ist in dieser Hinsicht ziemlich akkurat: von wegen staubtrockener Professor - Holmes klettert barfuß auf Dächern herum, ist ein anerkannter Boxer und verfolgt verdächtige Spuren schon mal zu Fuß durch die halbe Stadt oder verkleidet sich, um unerkannt herumzuschnüffeln, als Matrose. Das alles sorgt dafür, dass "The Sign of Four" nie langweilig wird (mit Ausnahme vielleicht des Schlusses, als der Bösewicht lang und breit seine Motivationen erklärt, die wir im Wesentlichen schon wussten).
Ansonsten - als Leser muss man den melodramatischen Stil mögen; die Charaktere unterhalten sich selten in einem normalen Tonfall, sondern meist sehr überschwenglich: "Wonderful!", I cried. Auch die Ansichten über Frauen und Ureinwohner lassen für heutige Verhältnisse an Modernität zu wünschen übrig - ebenso, wie Holmes' immer wieder beiläufig erwähnte Kokainsucht auf den heutigen Leser doch ziemlich schockierend wirkt.
Fazit: Alles in allem sorgen Holmes' und Watsons Abenteuer auch heute noch für spannendes Lesevergnügen, und wer sich nicht sicher ist, ob ihm so etwas gefällt, kann ja mal mit einer Kurzgeschichte beginnen (Tipp: "The Speckled Band" und "The Silver Blaze" zählen zu den bekanntesten und beliebtesten).
Edit: Der deutsche Titel wurde in der Threadüberschrift ergänzt und die deutsche ISBN hinzugefügt, damit die deutsche Ausgabe auch über das Verzeichnis gefunden werden kann. LG JaneDoe