Originaltitel: Hypnotisören (2009)
Lübbe Verlag 2010, 638 S.
Klappentext:
Vor den Toren Stockholms wird bei einem Sportplatz die Leiche eines brutal ermordeten Mannes entdeckt. Kurz darauf werden Frau und Tochter ebenso bestialisch getötet aufgefunden. Offenbar wollte der Täter die ganze Familie auslöschen. Doch der Sohn überlebt schwer verletzt. Als Kriminalkommissar Joona Linna erfährt, dass es ein weiteres Familienmitglied gibt, eine Schwester, wird ihm klar, dass er sie vor dem Mörder finden muss. Er setzt sich mit dem Arzt und Hypnotiseur Erik Maria Bark in Verbindung. Er will, dass Bark den kaum ansprechbaren Jungen unter Hypnose verhört. Bark hatte sich jedoch wegen eines traumatischen Erlebnisses geschworen, niemals mehr zu hypnotisieren. Aber es geht hier um ein Menschenleben. Es gelingt ihm schließlich, den Jungen zum Sprechen zu bringen. Was er dabei erfährt, lässt ihm das Herz gefrieren ...
Über den Autor:
Lars Kepler ist das Pseudonym von Alexandra Coelho Ahndoril und Alexander Ahndoril. Der Hypnotiseur, ihr Krimidebüt, war in Schweden sensationell erfolgreich und das Bücherereignis des Jahres. Der Roman erscheint in über dreißig Sprachen und wird für das internationale Kino verfilmt. Das Ehepaar lebt mit seinen drei Kindern in Stockholm.
Meine Meinung:
Der Klappentext ist nur der Start in eine sehr komplexe Geschichte. Zehn Jahre lang hat Erik Maria Bark niemanden mehr hypnotisiert und macht auch jetzt nur deshalb eine Ausnahme, weil ein Menschenleben davon abhängt. Die Hypnose von Josef Ek fördert Unvorstellbares zu Tage und scheint der Auslöser für eine Reihe weiterer schrecklicher Ereignisse zu sein. Erik wird in einen Strudel aus Gewalt, Hass und Brutalität hineingezogen.
Der Roman bewegt sich sprachlich auf hohem Niveau. Gleich in seinem Erstlingswerk beweist das Autorenpaar ein hohes Maß an Raffinesse und Vielschichtigkeit. Beeindruckend finde ich die Verwendung der vielen Stilmittel. Erzählperspektive und Tempus ändern sich ständig. Es gibt immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit, häufig spielen mehrere Kapitel hintereinander im gleichen Zeitabschnitt, jeweils aus dem Blickwinkel einer anderen Person erzählt.
Obwohl sehr viele Themen angesprochen werden, gelingt das Kunststück, sie alle glaubhaft miteinander zu verweben. Mich hat die raffinierte Story mit dem überraschenden Handlungsverlauf überzeugt. Ein sorgfältig gewebtes Netz aus Spannung und Dramatik (wobei manche Szenen dramaturgisch auf mich leicht überzogen wirken), sowie die klaren Dialoge ließen mich das Buch kaum aus der Hand legen. Ohne Weitschweifigkeiten haben alle Szenen einen direkten Bezug zur Handlung.
Es ist ja nun wirklich keine Selbstverständlichkeit, dass einem ein schwedischer Kommissar gleich von Anfang an sympathisch ist. Bei Joona Linna ist das der Fall. Der Mann ist Vertrauen erweckend, macht nicht viel Aufhebens um sich, verfolgt auf seine sanfte Art stur und beharrlich sein Ziel. Nur wegen seiner Hartnäckigkeit darf die schwedische Landespolizei in diesem Fall überhaupt ermitteln.
Erik dagegen wird von seinen eigenen Dämonen heimgesucht, längst ist er tablettenabhängig. Seine Frau Simone hat ihm seine 10 Jahre zurückliegende Untreue bis heute nicht verziehen. Der 14-jährige Sohn Benjamin steckt mitten in der Pubertät. Um ihn machen sich die Eltern ständig Sorgen; nicht zuletzt, weil er Bluter ist. Simone ist die einzige Figur im Roman, mit der ich so meine Schwierigkeiten hatte, ich empfand sie als extrem nervig, das war streckenweise kaum zum Aushalten.
Durch viele überraschende Wendungen entwickelt sich die Geschichte in nicht vorhersehbarer Weise. Das Autorenpaar hält dem Leser immer gerade so viel an Informationen vor, so dass gleich die nächste Frage auftaucht, sobald eine beantwortet ist. Erfreulicherweise werden alle Fragen des Lesers im Verlaufe der Geschichte geklärt. Hervorragend aufgebaut, extrem spannend, logisch durchdacht, wirkt die Handlung zu keinem Zeitpunkt überfrachtet oder unglaubwürdig. Auch der furiose Schluß sei den Autoren gestattet. Allerdings ist der Roman nichts für Leser mit schwachen Nerven oder sensiblen Mägen. Im Laufe der Geschichte wird deutlich, mit was für einem Ungeheuer wir es hier zu tun haben. Da wird die Tür zu einem menschlichen Abgrund geöffnet, die man am liebsten gleich wieder zuschlagen möchte.
Dieses großartige Debüt eines neuen schwedischen Autorenteams konnte mich rundherum wirklich begeistern.
Ach ja: In Schweden ist bereits der zweite Teil der Serie mit Joona Linna erschienen.