Arme Alma, nun erfährt sie auch noch vom Tod ihres Vaters. Sie brauchte nun eine Schulter zum Anlehnen, die ihr Howard nicht bieten kann. Fraglich auch, ob sie das wollen würde – ich denke eher nein.
Auf Seite 194 wird Raymond blass, als er erfährt, dass die Arme auch noch einen weiteren, schweren Verlust zu durchleiden hat. Nun ja, ich hatte schon vermutet, dass sie ihm nicht gleichgültig ist. Ich glaube nicht, dass man seine Reaktion unter dem Stichwort „Verliebtheit“ ablegen kann, mir scheint das wesentlich tiefer zu gehen. Ich denke mir aber auch, dass er sich dessen (noch?) gar nicht bewusst ist. Es wird interessant, wenn dieser Fall eintritt.
Seine Geschichte über die Ankunft in Malaya ist jedenfalls interessant und aufschlussreich – ich vermute nur, es ist nicht die ganze Geschichte. Für mich fühlt es sich so an, als wenn eine kleine, aber wesentliche Sache fehlt.
Aber was Alma hier auf wenigen Seiten durchmachen muss, ist schon heftig: Das Gift von Mabel, das Gift von Howard, dessen Tod, der Abschied von Sungai Tiga, das alles würde manchen in die Knie zwingen. Ich ziehe meinen Hut vor ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit. Apropos (in Bezug auf Seite 216 oben): Ist Malaya immer noch eine männlich geprägte Gesellschaft oder gibt es mittlerweile weibliche Plantagenmanager?
Ich habe lange überlegt, ob ich das, was jetzt kommt, wirklich schreiben soll und hoffe, es wird als das verstanden, was es ist, nämlich nur ein kleiner, bescheidener Wunsch und weit entfernt von anmaßender Kritik: Ah Tong ist in meinen Augen eine so interessante Persönlichkeit, er steht Raymond und auch Alma stets zur Seite, jemand, der sein Leben riskiert, um eine tödliche Gefahr zu bannen – ich hätte ihm den kleinen Triumph gegönnt, wenn er mit dem Tigerfell auch per Buchstabe zurückkehrt wäre und ich das hätte lesen dürfen. Es wäre mir auch nicht so sehr auf Almas Reaktion angekommen, sie hätte es eh recht gleichgültig angesehen, vermute ich, sondern auf die der Arbeiter auf den Plantagen. Mir fehlt diese Szene ein bisschen – nicht böse sein, bitte. (Und eigentlich schätze ich ihn so ein, dass er beinahe ein eigenes Buch verdient hätte – nochmals: Pardon.)
Alma verliebt sich in Samad – na ja, gut, ich hatte zwar auf Raymond gehofft, aber es sei ihr gegönnt, auch wenn ich nicht glaube, dass es gut – und hoffentlich nicht zu weit - gehen wird. Samad jedenfalls begreift sein Dilemma mehr und mehr (Seite 240). Wo ist wohl sein Zuhause, wo empfindet er es? Und wenn es zu einer Affäre mit Alma kommt, wird er keinen leichten Stand mehr haben, denn da ist ja immer noch Mariam. Sie tut mir leid, denn sie würde in einer Art und Weise betrogen werden, wie ich das keiner Frau wünsche: Nicht nur der Körper, sondern auch der Intellekt der Anderen macht ihr den Mann abspenstig.
Zur Frage ganz weit vorn, wie Samad und Raymond bei mir ankommen:
Beide sind überaus interessante Persönlichkeiten, beiden wünsche ich das Beste. Ich glaube nur nicht, dass Samad und Alma auf Dauer glücklich werden könnten - und für eine Affäre ist er schlicht zu schade. Für mich ist er ein Kind des Landes, er wird auch immer ein Kind des Landes bleiben, obwohl er im Ausland studiert und dort einen immensen Schub an Anregungen, Ideen usw. bekommen hat. Alma liebt offensichtlich Malaya, aber sie wird immer eine Fremde bleiben, so wohl sie sich dort fühlen wird, so sehr sie sich integrieren wird (können). Ob sie wirklich das allerletzte Verständnis wird aufbringen können, da kulturell derart verschieden, wage ich fast zu bezweifeln.
Raymond hingegen: Er ist für mich gar nicht einmal so sehr der "einsame Wolf", sondern ein aus irgendeinem Grund zutiefst verletzter Mann, der sich in eine Rolle eingefunden hat, um vielleicht nicht noch mehr Schmerz ertragen zu müssen. Ich halte ihn für jemanden, dem Anstand, Treue usw. immens viel bedeuten und dessen Respekt man sich verdienen muss, da wird einem nichts geschenkt.
Fazit: Ich mag beide, Raymond mehr als Samad. Warum? Reines Herz- und Bauchgefühl.