Weihnachten ganz anders...
Auf dem Weg nach Hannover saß ich gedankenverloren in der S-Bahn und überlegte, wie es wohl wird in diesem Jahr. Weihnachten, für mich die schönste Zeit im Jahr. Schon Anfang November freue ich mich auf das Schmücken im Haus, das Dekorieren, das Backen, das Vorbereiten...; leider denken nicht alle Familienmitglieder so wie ich über die Advents- und Weihnachtszeit. Mein Mann genießt wie ich die Ruhe und Besinnlichkeit der Feiertage und die Zeit mit der Familie, sofern sie anwesend ist.
Unsere Kinder,15 und 16 Jahre alt nörgelten die letzten Jahre ständig an unserem Weihnachtsfest herum. Die Weihnachtsgans zu fett, die Kekse zu süß, der Stollen zu üppig, und viel zu wenig los. Sie wünschten sich ein großes Weihnachtsfest mit vielen Gästen.
Ihrer Meinung nach ist Weihnachten „uncool“, es fehlt eben an ausgefallenen Ideen. Als Lisa, meine Tochter, mir vorgestern sagte, ich sei doch ziemlich spießig, blieb mir die Sprache weg. Was willst du denn, frage ich sie, soll ich dir bauchnabelgepierst die Vokabeln abhören? Ohne mir zu antworten verschwand sie in ihrem Zimmer.
Während ich aus dem Fenster schaute und die Winterlandschaft vorbeirauschte, kamen mir viele Ideen. In der Nähe des Hauptbahnhofes, fast schon bei Galeria Kaufhof, traf ich einen die Asphalt-Zeitung verkaufenden Obdachlosen. Ich holte einen Becher Kaffee und brachte ihm das warme Getränk. „Haben sie Weihnachten schon etwas vor?“, fragte ich ihn. Er schaute mich mehr als verdutzt an. „Wieso?“, fragte er. „Ach wissen sie“, sagte ich, „meine Kinder beklagen sich ständig, dass wir Weihnachten zu wenig Besuch bekommen und da wir weiter keine Familie haben, dachte ich ganz spontan, dass sie vielleicht mit ein paar Freunden zu uns kommen möchten. Es wird etwas leckeres zu essen geben, nur leider kann ich selbst nicht anwesend sein. Eine Bedingung habe ich, teilen sie mir vorher die Namen ihrer Freunde mit“. Ich überreichte ihm meine Adresse und meine Telefon-Nr. und ging. Schon zwei Tage später rief er an. Ja, sie kommen gern, Gregor, Tom, Marlene, Jan und Ida, Kalle, Werner, Giggi, Swantje, Wilhelm und Elli. Ich freute mich riesig.
Für sie alle kaufte ich kleine nützliche Dinge, die ich liebevoll verpackte und mit Namen versah. Einen klassischen Weihnachtsbaum sollte es in diesem Jahr nicht geben. Ich stellte mir da eher eine moderne Ausführung vor, versilbert mit Vorrichtungen für Teelichter. Natürlich würde es aus Rücksicht auf meine Kinder kein langweiliges spießiges Essen geben. Wer mag schon Würstchen und Kartoffelsalat am Heiligen Abend oder gar eine fette Weihnachtsgans am 1. Feiertag?
Ich plante und organisierte bis ins kleinste Detail, dann verfasste ich noch einen Brief an unsere Kinder, den sie am Heilig Abend kurz vor Eintreffen der Gäste öffnen sollten. Liebe Kinder, die letzten 2 Jahre mit euch waren anstrengend und nicht ganz einfach. Wir wollen euch nicht schon wieder ein langweiliges spießiges Weihnachtsfest aufzwingen und daher haben wir für euch ein besonderes Fest geplant. Um 19.00 Uhr werden ca. 11 Gäste zu euch kommen, um mit euch Heilig Abend zu verbringen. Sie alle haben eine bewegte Lebensgeschichte, hört sie euch an, ihr könnt nur daraus lernen. Ihr Leben ist weder spießig noch langweilig und schon gar nicht an Traditionen gebunden. Um 19.30 Uhr kommt ein Partyservice, Sushi vom Feinsten, wer isst schon gerne Wüstchen ....... Nach dem Essen verteilt bitte die Geschenke an unsere Gäste. Für euch sind keine dabei, wer legt schon Wert auf solche Traditionen. Ach ja, falls ihr ein bisschen Weihnachtsflair braucht, im Garderobenschrank steht ein Karton mit einem versilbertem Weihnachtsbaum, Teelichter und falls erwünscht etwas Tannengrün für die Aromalampe. Papa und ich sind über die Feiertage in die Heide in unser Wochenendhaus gefahren und verbringen dort unser Weihnachtsfest, so wie wir es jedes Jahr zu Hause verbringen.
„Hannover Hauptbahnhof“, dröhnt es aus dem Lautsprecher. Ich erwache aus meinem Tagtraum. Ich steige aus und durchquere den Bahnhof und trete hinaus in die Wintersonne. Kurz vor Galeria Kaufhof steht ein die Asphalt-Zeitung verkaufender Obdachloser. Ich kaufe einen Becher Kaffee und gehe auf ihn zu.....
Esther