'Die Medica von Bologna' - Seiten 001 - 106

  • Zitat

    Original von Toebi
    Ich habe mich auch schon gefragt, wie Wolf Serno auf die Idee gekommen ist, als Mann hier aber die Ich- Erzählperspektive einer Frau zu wählen. Das stelle ich mir eigentlich schwierig vor.


    Das finde ich auch bemerkenswert, wie gut Wolf Serno das gelingt.
    Und ein Blick in meinen Bücherchrank bei den historischen Romanen zeigt mir, dass männliche Autoren bei weiblichen Protagonisten tatsächlich meist die dritte Person zum Erzählen wählen.
    Es überwiegen aber anscheinend sowieso die weiblichen Autorinnen im historischen Roman, und das deutlich.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    Das finde ich auch bemerkenswert, wie gut Wolf Serno das gelingt.
    Und ein Blick in meinen Bücherchrank bei den historischen Romanen zeigt mir, dass männliche Autoren bei weiblichen Protagonisten tatsächlich meist die dritte Person zum Erzählen wählen.
    Es überwiegen aber anscheinend sowieso die weiblichen Autorinnen im historischen Roman, und das deutlich.


    Schwierig ist es sicherlich gewesen.


    Auch meiner Meinung nach gelingt Wolf Serno sehr überzeugend, die Innenansicht von Carla darzustellen. Carla ist allerdings wohl auch keine typische Frau für jene Zeit, denn sie verbracht ja rund 17 Jahre in fast völliger Isolation, ohne Freunde/Verwandte/Schulkameraden. Mit der einen Nachbarin und deren Kind machte sie zwar gute Erfahrungen, mit anderen jedoch extrem schlechte. Einerseits empfand ich sie auch als fast unpassend kontaktfreudig aber andererseits wurde schon immer wieder deutlich, dass sie nicht aus den vier Wänden will, bzw. schon will, aber halt doch zuviel Angst hat.


    Carlas Gedanken darüber, wie ungerecht die Rollenverteilung ist, finde ich daher auch nicht sooo unüblich, denn gerade durch Marcos Studium muss ihr ja bewusst werden, wie begrenzt ihre eigenen Möglichkeiten sind.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • Zitat

    Original von ottifanta
    Carla ist allerdings wohl auch keine typische Frau für jene Zeit, denn sie verbracht ja rund 17 Jahre in fast völliger Isolation, ohne Freunde/Verwandte/Schulkameraden. Mit der einen Nachbarin und deren Kind machte sie zwar gute


    Das könnte tatsächlich auch mitverantwortlich sein, dass sie sich ihre eigenen Gedanken macht und daraus Schlüsse zieht. Schließlich hatte sie ja außer ihrer Mutter keine Ansprechpartner. Daraus entstanden ist ein großer Individualismus und die Fähigkeit sich selbst wesentliches beizubringen.

  • Zitat

    Original von verena
    Ich finde es erschreckend wie herzlos die "Mamma" (finde ich übrigens furchtbar mit den beiden mms) ist..


    Das freut mich, dass sich noch jemand daran stört :grin


    Zitat

    Original von Toebi
    ... wie Carla es geschafft hat, sie immer wieder mit Essen zu versorgen. Woher hat sie das? Es gibt doch keine Kühlschränke, so dass man auf Vorrat einkaufen kann.


    Kühlschrank - sie kann doch den natürlichen Kühlschrank verwenden, es ist ja sehr kalt, denn "Mamma" ist doch auf dem Eis ausgerutscht, oder?

  • Carla tut mir aufrichtig Leid ! Erst muss sie ihr gesamtes bisheriges Leben versteckt im Haus bleiben, dann die irrwitzigen Phantasien ihrer krankhaft religiösen Mutter - die ihr allerdings den Vater verschweigt.


    Ich denke das wird ein Herr höheren Standes sein, sicherlich hat es da auch mit der vom Arzt "eingesackten" Brosche zu tun ...


    Mit Marcos Absichten bin ich mir bisher nicht ganz schlüssig: ist er ein Guter und liebt Carla wirklich oder will er sich nur irgendeinen Vorteil verschaffen ? Dass sie bald ein Haus erben würde, wusste er ja zu Anfang nich nicht, von daher möchte ich eigentlich gerne glauben, dass er sie ehrlich liebt, fällt mir aber schwer ...

  • So, nun bin ich endlich auch mal zum Weiterlesen gekommen :rolleyes - der erste Abschnitt liest sich flott weg, das hatte ich ja schon geschrieben.
    Die Personen gefallen mir bsiher ganz gut, obwohl mir die Figur der Mutter nicht einheitlich genug beschrieben ist - in den ersten Szenen macht sie auf mich den Eindruck, dass sie ihre Kleine sehr liebt und um ihr Wohlergehen besorgt ist, weswegen sie ihr Feuermal (und damit ihre Tochter) zu verbergen versucht. Die Entwicklung hin zu der kaltherzigen Frau, die ihre Tochter nicht gehen lassen will, weil sie deren billige Arbeitskraft ausnutzen möchte, kommt nicht wirklich glaubhaft bei mir rüber. Dafür ist sie am Anfang einfach zu liebevoll im Umgang mit ihrer Tochter.


    Die Grabschattacke des Priesters wirkte im ersten Augenblick sehr aufgesetzt und überflüssig, aber da der Priester im weiteren Verlauf immer mal wieder auftaucht, und Carla ihren Widerwillen gegen ihn mehrfach ausdrückt, denke ich, dass er wohl noch eine größere Rolle in ihrem Schicksal spielen könnte. Mal schauen, was der Rest bringt.


    Marco scheint mir mehr am lustigen Studentenleben interessiert zu sein als an dem Fach, dass er da studiert, sonst hätte er sich wohl kaum so vornehm zurückgenommen, als es um die Versorgung der kranken Mutter ging. Da ist was im Busch, würde ich mal ganz stark vermuten :gruebel


    An einigen Stellen hätte ich mir einen Anhang mit Übersetzungen der italienischen Phrasen aber auch mit weiteren Erläuterungen gewünscht. An einigen Stellen, z.B. als Marco von der Theriak-Herstellung erzählt, fallen die Beschreibungen, die die Figuren einander geben, doch allzu deutlich als "Leser-Info" aus, das stört mich etwas.


    Ebenso sind mir immer mal wieder einige Phrasen oder Wörter aufgefallen, die für das 16. Jahrhundert einfach zu modern ausfallen, u.a. benutzt Marco den Begriff "plastisch".


    Die Mutter ist offenbar sehr bibelfest, spricht aber kein Latein. Da habe ich wieder einmal einen Anhang vermisst, der mir erzählt, seit wann es denn eine Bibel in italienischer Sprache gab und wie weit verbreitet die 1568 war.



    Und jetzt werde ich mir erst mal eure Beiträge zu Gemüte führen.


    Edit: Was ich noch vergessen habe - wetten, die Brosche führt irgendwie zu Carlas Herkunft väterlichseits? Der Arzt scheint das Teil ja zu kennen. Die Tatsache, dass er es offenbar nicht gleich wieder rausrückt, macht mich neugierig!

  • Jetzt funktioniert endlich mein Internet in der neuen Wohnung und ich kann mit einsteigen :)


    Der erste Abschnitt hat mir super gut gefallen. Den Schreibstil (aus der Ich-Perspektive) finde ich sehr ansprechend und es liest sich unglaublich gut. Habe schon lange keine so vielversprechenden ersten 100 Seiten mehr gelesen.


    Ich finde außerdem auch, dass Wolf Serno sich nicht nut gut in die Rolle der Carla versetzt hat, sondern er außerdem die anderen Charaktere sehr gut zeichnet.


    Bin gespannt und kann es gar nicht abwarten, weiterzulesen :)

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    Die Entwicklung hin zu der kaltherzigen Frau, die ihre Tochter nicht gehen lassen will, weil sie deren billige Arbeitskraft ausnutzen möchte, kommt nicht wirklich glaubhaft bei mir rüber.


    Wobei man dabei immer berücksichtigen muss, das ist Carlas Sicht der Dinge. Sie glaubt es einfach in dem Moment, das muss aber deswegen nicht heißen, dass die Mutter es wirklich so meint. Das ist ja immer das vertrackte mit den Ich-Perspektiven, da kann der Autor einem ganz schöne Streiche spielen :-)

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Zitat

    Original von Patricia_k34


    Das freut mich, dass sich noch jemand daran stört :grin



    Kühlschrank - sie kann doch den natürlichen Kühlschrank verwenden, es ist ja sehr kalt, denn "Mamma" ist doch auf dem Eis ausgerutscht, oder?


    Stimmt, natürlicher Kühlschrank im Winter macht Sinn :bonk


    An dem Mamma störe ich mich eigentlich nicht. Ich muss dann nur immer an "Mamma Miracoli" denken :lache

    :write "Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein." -Albert Einstein-


    :lesend

  • Ich habe den ersten Abschnitt nun auch durch.
    Die Aufmachung des Buches finde ich wirklich sehr ansprechend, allerdings fiel mir, wie schon erwähnt, auch zuerst auf, dass ein Lesebändchen fehlt. :grin
    Die italienischen Vokabeln stören mich nicht, ich habe (seehr rudimentäre) Italienischkenntnisse, und es wäre sicher auch ohne alles verständlich.
    Carla wirkte auf mich zwar sympahtisch, aber irgendwie erfährt man nicht allzu viel über sie, obwohl aus ihrer Perspektive erzählt wird. Sooo begeistert scheint sie von ihrem Marco aber auch nicht zu sein...
    Dieser ist mir auch ein wenig suspekt. Studiert er überhaupt oder hat er das Geld anderweitig verbraten? Klar kann es sein, dass er als noch relativ Unerfahrener mit der verletzten Mutter überfordert war, aber ein paar einfache Fragen, die Carla ihm stellte, hätte er doch wohl beantworten können (z.B. Verband oder nicht).
    Die Mutter habe ich in der ersten Hälfte des Abschnitts als sehr liebevoll, wenn auch etwas übervorsichtig wahrgenommen... auf einmal erzählt Carla aber, wie kaltherzig sie ist, und von da an handelt sie auch so... Ich denke, das liegt nicht nur an der Erzählweise.
    Jetzt bin ich aber gespannt, wie es weiter geht, vor allem, wie Carla ohne ihre Mutter zurecht kommt, wie es mit ihr und Marco aussieht, und wer nun ihr Vater ist. Pater Edoardo? Etwa jemand aus Marcos Familie (die Mutter meinte ja, dass sie dann zwar einen Stand einnehmen würde, der ihr zusteht, aber warum hat sie sich so gegen die Beziehung der beiden gesträubt? Nur, weil sie dann ihre "billige Arbeitskraft" verlieren würde?)? Oder der Arzt (und dieser will dann die Brosche als Beweisstück verschwinden lassen)?

    An apple a day keeps the doctor away - if well aimed.

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  • Zitat

    Original von Paradise Lost


    Wobei man dabei immer berücksichtigen muss, das ist Carlas Sicht der Dinge. Sie glaubt es einfach in dem Moment, das muss aber deswegen nicht heißen, dass die Mutter es wirklich so meint. Das ist ja immer das vertrackte mit den Ich-Perspektiven, da kann der Autor einem ganz schöne Streiche spielen :-)


    Stimmt schon, aber sie erzählt ja rückblickend - und mit dem Abstand kommt ja doch in der Regel sowas wie Einsicht. Ich zumindest sehe heute einige Dinge anders als als 16jährige. Auch gerade was meine Mutter und mein eigenes Verhalten angeht :rolleyes

  • Heute habe ich diesen Abschnitt auch zu Ende gelesen. Der Einstieg in den Roman ist mir sehr leicht gefallen, was sicher auch mit an der Ich-Erzählweise liegt, die ich persönlich sehr gerne mag. Carla ist zu bedauern, aber ich denke nicht, dass ihre Mutter Böses im Sinn hatte, wenn sie sie nicht mitnehmen möchte. Man kann sich heutzutage nur schwer in die Situation zur damaligen Zeit versetzen, aber ich denke, wenn sie ihre Tochter mitgenommen hätte, wäre ihr wohl öfter ein Geschäft durch die Lappen gegangen, und sie hat ja das Geld dringend gebraucht, um sich und ihr Kind zu ernähren. Insgesamt hatte ich auch den Eindruck, dass die Mutter einen liebevollen Umgangston mit ihrer Tochter pflegt, lediglich in der Mitte des Abschnitts hat sich der Unterton ziemlich geändert. Alles was die Mutter tut, wirkt auf mich sehr nach einer übertrieben ängstlichen Handlung, was aber auch nicht verwunderlich ist, denn damals war halt ein Feuermal nicht einfach eine Hautveränderung, sondern wurde als Zeichen der Sünde angesehen. Die Mutter hatte wohl einfach nur Angst, ihr Kind könnte der Inquisition zum Opfer fallen. Es ist erschreckend, wie einsam Carla als Kind ist, nur stellt sich die Frage, welche Chancen sie gehabt hätte, wenn sie sich unter die Leute gewagt hätte :gruebel Vermutlich wäre sie fast durchgehend auf Ablehnung gestoßen.


    Dass Marco derart hartnäckig um sie wirbt und sie dann wegen dieser Sache mit der Naht einfach fallen lässt, gibt mir ziemlich zu raten auf. Dass von ihrer Seite eigentlich keine großen Gefühle im Spiel waren, wird ja erzählt, aber was ich von seinen Gefühlen halten soll, weiß ich ehrlich gesagt nicht so recht.


    Noch eine Sache, über die ich nachgedacht habe und zu keinem rechten Schluss gekommen bin: Was hat es mit dem Summen auf sich, das Carla immer hört. Erst möchte sie in die Stadt, um die Bienen zu sehen, und als sie mit Fieber im Bett liegt, hört sie auch ein Summen und summt zuletzt selbst mit. Ob es dafür eine schlüssige Erklärung gibt?

  • Gestern Abend konnte ich endlich auch mit dem Buch beginnen. Die ersten 100 Seiten lesen sich weg wie nichts. Von Wolf Serno kannte ich bisher nur die Hörbuchversion der "Hitzkammer". Das hat mir gut gefallen, allerdings war mir in der Geschichte zu wenig los, sodass ich bei der Buchversion wohl nicht durchgehalten hätte. Insofern finde ich das Tempo der "Medica" bisher sehr schön.


    Clara ist eine interessante Heldin. Mit ihrer patenten Art und ihrem Eigensinn mochte ich sie eigentlich sofort. Ihre Mutter versucht alles, um sie zu beschützen, aber ich denke mir, dass ihr das später noch zu schaffen machen wird. Den Heiratsantrag des Schuhmachers fand ich allerdings überstürzt. Immerhin hatte er anfangs noch nicht viel mehr von Clara als ihre Weigerungen, etwas mit ihm zu unternehmen.


    Das Summen gibt mir auch noch Rätsel auf. :gruebel