Land der Wunder - Michael Klonovsky

  • Vorneweg: dieses Buch ist politisch hochgradig unkorrekt, der Held ein sexistisches Arschloch und die ganze Geschichte ein total unglaubwürdiges Märchen. Kurz: Dieser Roman ist einfach großartig!


    Johannes wird in der DDR in eine linientreue Familie hinein geboren, der Vater Staatsbürgerkundelehrer und überzeugter Sozialist. Nur leider zeigt sich schnell, dass Johannes nicht so richtig in diese Gesellschaft passt: seine Körpergröße von annähernd zwei Metern sorgt nicht nur dafür, dass er immer herausragt in einer Gesellschaft, in der mensch eher in der Masse verschwinden will, sondern auch, dass, als in der Mangelwirtschaft wegen seiner Größe Bekleidungsengpässe auftreten, peinliche klamottentechnische Improvisationen der Mutter für zusätzlichen Spott sorgen. Kein Wunder, dass parallel zur Zunahme seiner Körpergröße sein Selbstbewusstsein sinkt, was schlussendlich zu einer ausgeprägten Unangepasstheit führt. Renitent, aber auch hochintelligent, bringt er es dennoch zu einem Studium der Altphilologie, aber, wie zu vermuten, endet wegen seines Nonkonformismus diese Karriere abrupt und letzten Endes landet er ganz unten auf der sozialistischen Karriereleiter: Im Zentralen Veteilungslager für Spirituosen in Ostberlin. Und da fällt es ihm nicht schwer, sich mit den Outlaws der DDR-Gesellschaft zu solidarisieren und sich an ihre Trinkgewohnheiten anzupassen. Freilich hätten Hirn und Leber ein solches Leben nicht lange mitgemacht, und so landet Johannnes als Korrektor beim Berliner Tagblatt, wo er Artikel über die Übererfüllung des Fünfjahresplans im Bereich der Kinderwagenproduktion und ähnlich hochgeistige Texte auf Rechtschreibfehler überprüfen darf. So gesehen kommt die Wende für ihn gerade noch rechtzeitig und ermöglicht ihm eine sensationelle Karriere als Journalist...


    Ich erwähnte es bereits: eigentlich kann ich Johannes, offensichtlich das Alter Ego des Autors, ganz einfach nicht leiden, möchte ihm zumindest im richtigen Leben nicht begegnen.
    Frauen bewertet er in erster Linie nach Figur und Oberweite, nicht ohne damit zu kokettieren, dass ihm diese Sicht der Dinge durchaus den Vorwurf des Sexismus einbringen könnte. Das liegt natürlich nur daran, dass die Frauen in diesem Roman meist unfähig in ihrem Beruf sind und auch sonst bei ihnen intellektuell wenig zu holen ist.
    Die politischen Ansichten, die der Autor seine Helden oder andere vermeintliche Sympathieträger vertreten lässt, deckten sich nur in den seltensten Fällen mit meinen.
    Und schließlich ist Johannes ein arrogantes, versnobtes Arschloch.


    Wenn man von diesen Kleinigkeiten mal absieht, ist dieser Roman ein ganz wunderbares Lesevergnügen. Mit bitterbösem Humor schildert Klonovsky den Abstieg seines Helden in der DDR ebenso wie seine märchenhafte Karriere im Westen. Denn auch wenn Johannes die DDR abgrundtief hasst, bleibt auch später seine Sicht der Dinge eine ausgesprochen „ostige“.
    Das Ganze ist auch sprachlich ein Hochgenuss, auch wenn manchmal die Pferde mit dem Autor durchgehen und die Lust am Fabulieren zum Selbstzweck zu verkommen droht.
    Trotzdem: dieses Buch hat richtig Spaß gemacht

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

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