Originaltitel: Where we once belonged
Klappentext:
Alofa heißt Liebe. Alofa heißt auch das widerborstige Mädchen, das sich nichts gefallen lässt, um ihr zerbrechliches "Ich" zu schützen. Umstellt von überlieferten Tabus und Träumen, unbeeindruckt von der verlogenen Spießigkeit der Erwachsenen, wächst sie auf in ihrer Mädchenclique mit Kung-Fu-Filmen, Wella-Apfelshampoo und Cornflakes. Ihr Name ist zugleich ein schweres Erbe: die Familie, die Dorfgemeinschaft setzt Hoffnung in sie, sie hilft den Jungen aus der Patsche, als einzige hört sie der verrückten Siniva zu, sie kann die Tradition retten. Doch dann wird sie eines Tages mit dem Sohn des Pfarrers erwischt.
Die Wortkünstlerin Sia Figiel läßt sich von der mündlichen Erzähltradition Samoas inspirieren. Ihre Sprache ist so respektlos wie ihre Heldin, funkelnd wie das quirlige Stadtleben, tiefgründig wie die alten Erzählungen von Geistern und Göttern, von fliegenden Hunden und magischen Vögeln.
Über die Autorin (lt. Schutzumschlag):
Sia Figiel wurde 1967 in Samoa geboren. Als Performance-Künstlerin und Malerin unternahm sie zahlreiche Reisen nach Europa und Neuseeland. Heute lebt und unterrichtet sie in Samoa. Für "Alofa" erhielt sie 1997 den Commonwealth Writers Prize für das Erstlingswerk eines Autors aus dem südostasiatischen und pazifischen Raum.
Die Übersetzerin über das Buch und die Autorin
Interview mit der Autorin (englisch)
Über Schriftstellerinnen aus Ozeanien, u.a. Sia Figiel
Meine Meinung:
Der Klappentext trifft nur bedingt zu.
Alofa lebt mit ihrer Großfamilie in einem Dorf in Samoa. Sie geht zur Schule, zur Sonntagsschule, in die Kirche, hilft im Haushalt, trifft sich mit Freundinnen, wartet auf die Mondkrankheit (ihre erste Periode), hört viele Klatschgeschichten und samoanische Mythen, verliebt sich. Wer Verwandte in Amerikanisch-Samoa, Neuseeland, Australien oder noch besser in "Amelika" hat, ist gut dran und kann auf finanzielle Unterstützung hoffen, vielleicht sogar darauf, einen Fernseher geschenkt zu bekommen. Amerikanische Fernsehserien sind beliebt. Zwischen den Zahltagen gibt es einfaches Essen, von dem man nicht immer satt wird. Alofa würde gerne einmal Cornflakes probieren …
Alofa bedeutet "Liebe", doch Liebe ist etwas, wovon in diesem Buch wenig zu spüren ist. Samoanische Eltern zeigen den Kindern ihre Liebe, indem sie strafen, denn Strafen heißt Erziehen und liebende Eltern erziehen ihre Kinder und lassen sie nicht wie Tiere herumstreunen. Weichherzige Eltern werden von den anderen Dorfbewohnern verachtet. Alofa bekommt viele Strafen für alle möglichen Vergehen, doch sie weiß, dass ihre Mutter sie nicht liebt, weil sie davon überzeugt ist, dass Alofa aus eigenem Entschluss ein Mädchen und kein Junge geworden ist. Und was ist schon eine Frau, die keinen Jungen zur Welt bringt?
Es ist sehr wichtig, ein anständiges, ein braves Mädchen sein - nicht zu rauchen, nicht andauernd aus vollem Herzen zu loszulachen, sich nicht von den Jungen zuzwinkern zu lassen. Die Gebote der Erwachsenen sind zwar eindeutig, trotzdem hat jeder noch irgendwo Halbgeschwister, weil Väter häufig Affären haben. Samoanisches Spießbürgertum mit dunklen Abgründen.
Alofa macht sich Gedanken über Oberflächlichkeit und über die Tatsache, dass sie kein "Ich" ist, sondern ein "Wir", weil man nie alleine sein kann, sondern nur als Teil eines Ganzen, des Dorfes, der Schule, der Familie wahrgenommen wird. Es gibt einige wenige Menschen, die anders sind, zum Beispiel Siniva, die als die Verrückte des Dorfes gilt. Und von ihr erfährt Alofa, dass die Agaga, die Seele, mit jedem Mal, wenn man westliche Fremdheit annimmt, ein Stück weit stirbt. Und dass es doch ein "Ich" gibt.
Sia Figiel beschreibt Alofas Welt, den Alltag, die Farben, Gerüche und ihre Träume. Es scheint einfach aus ihr herauszufließen, unsortiert, lustig, traurig, manchmal unverständlich, oft mit tieferem Sinn und mit vielen samoanischen Redewendungen, die nicht alle im Glossar erklärt werden. Sie reiht Episoden, Mythen und Träume aneinander, schüttelt sie und lässt uns durch ihr Kaleidoskop schauen. Ein ungewöhnliches, eigenwilliges Buch und wahrscheinlich nicht jedermanns Geschmack - für mich auf jeden Fall ein Erlebnis.