Für Rabarat und alle anderen die vielleicht auch trauern

  • Lieber Rabarat, ich habe deine Geschichte von deiner Freundin Viola und ihrer Krankheit gelesen, die mich persönlich sehr bewegt hat. Es ist immer schwer die richtigen Worte zu finden, aber ich möchte dir gern sagen, dass ich sehr gut nachempfinden kann wie du dich fühlst.


    Im November habe ich eine Geschichte veröffentlicht zum Thema "Totensonntag", die von meiner allerbesten Freundin erzählt, die auch im Alter von 37 Jahren, leider viel zu jung sterben mußte.



    Ina - meine beste Freundin


    Fast 8 Jahre ist es nun schon her. Ich erinnere mich gern und oft an Ina. Nicht nur, aber auch am Totensonntag...


    Wir lernten uns schon vor der Grundschule kennen. Ihre Oma lebte in unserer Nachbarschaft und dort verbrachte sie mit ihren Schwestern die Tage, an denen ihre Mutter zur Arbeit ging. Wir fuhren zusammen Rollschuhe oder Roller, saßen zusammen auf der "Milchbank" und teilten dort unsere Süßigkeiten. Den Weg vom Kind zum Erwachsenen durchlebten wir gemeinsam mit allen Höhen und Tiefen und allen einschlägigen Erlebnissen: die erste heimliche Zigarette, der erste Liebeskummer...


    Als sie heiratete veränderte sich unsere Beziehung, blieb aber weiterhin sehr intensiv. Noch immer sahen wir uns mehrmals in der Woche, wobei der Mittelpunkt unseres Interesses nun ihre kleine Tochter Johanna war. Aus beruflichen Gründen zog ich nach Hannover. Wann immer ich am Wochenende nach Guxhagen fuhr, besuchte ich Ina und ihre Familie. Silas der Nachzügler wurde geboren und rundete ihr Familienglück ab.


    Als Silas sein letztes Kindergartenjahr hatte, wurde sie krank. Noch heute kann ich mich an das Telefonat erinnern, als sei es gestern gewesen. Sie war immer ganz gerade heraus, redete nie lange um den "heißen Brei" herum. So auch diesmal, sie sagte ganz einfach: "Esther, ich habe Krebs". Mir zog es den Boden unter den Füßen weg. Ich war sprachlos, erschrocken und geschockt. Noch niemals war in meinem Umfeld jemand an Krebs erkrankt, diese Krankheit kannte ich nur aus den Medien. Ina war bereits zur Zeit dieses Telefonats in Kassel im Krankenhaus. Die Operation stand ihr noch bevor und sie bat mich zu kommen. Am darauf foldenden Wochenende fuhr ich hin. Die Monate, die folgten, waren schwer: Die Chemotherapie forderte ihre ganze Kraft. Ein Auf und Nieder zwischen Hoffen und Bangen. Wir telefonierten oft und wann immer es mir möglich war, fuhr ich zu ihr. Unsere Gespräche waren ernst wie niemals zuvor in unserem Leben. Sie betrafen Krankheit und Tod. Was ist, wenn es nicht gut geht? Was wird aus den Kindern? Wie werden sie es verkraften? Wie wird ihr Mann es schafffen? Als wir sie zu unserer Hochzeit einluden, wollte sie nicht zusagen. Sie war sich nicht sicher, wie sie die nächste Chemotherapie und eine Reise nach Hannover überstehen würde. Doch sie kam! Es war das schönste Geschenk das ich bekam. Ich sehe sie noch vor mir tanzen, sie hatte sich ein langes, grünes Kleid genäht und feierte mit uns bis in die Morgenstunden, strahlend und voller Zuversicht. Einige Monate vergingen, ich war inzwischen schwanger, als sie mich wieder einmal anrief, diesmal um einen Tipp gegen Rückenschmerzen bat. Einige Tage später meldete sie sich erneut und teilte mir mit, dass sie kaum noch laufen kann und die Ärztin sie zu einem Orthopäden überwiesen hat. Ich besuchte sie am Wochenende und war sehr besorgt. Hatte ich doch selbst auch schon einige Erfahrungen mit Rückenschmerzen, aber so kannte ich es nicht, sie ging ganz krumm und konnte keine Berührungen ertragen. Von ihren Schiegereltern hatte sie sich einen Fernsehsessel ausgeliehen, in dem sie auch nachts schlafen musste, weil sie nicht mehr liegen konnte.


    In der kommenden Woche sollten einige Untersuchungen stattfinden. Mit der dann folgenden Diagnose hatten wir alle nicht gerechnet. Die Wirbelsäule saß voller Metastasen, es gab keine Aussicht auf Heilung. Als ich sie kurze Zeit später besuchte, konnte sie den Fernsehsessel kaum noch verlassen. Wir weinten, redeten, waren sprachlos, gleichzeitig alles zusammen, eine Achterbahn der Gefühle.


    Ich fühlte mich unendlich hilflos. Sie war so offen und ehrlich, sie sagte ganz einfach:"Ich weiß nicht wie lange ich noch lebe, ein paar Wochen, vielleicht ein paar Monate, ich weiß nur eins, diesen Kampf gewinne ich nicht. Es ist für mich nicht schlimm zu sterben, nur schlimm mich zu verabschieden. Und ich möchte so gern noch dein Baby sehen".


    Sie schaffte es nicht Wir sahen uns an diesem Tag das letzte Mal. Einen Tag vor der Geburt meines Sohnes starb meine beste Freundin Ina. Ich erfuhr es erst Tage später...

  • Hallo Esther, :knuddel
    es ist immer schlimm, wenn wir einen geliebten Menschen gehen lassen müssen. Ganz besonders schlimm finde ich es, wenn es so junge Menschen trifft, die noch kleine Kinder haben. Leider habe ich so eine Situation auch vor fast 3 Jahren durchmachen müssen und es tut noch heute weh.

  • Mir fehlen die Worte. Ich kann nur sagen, dass es meist schlimmer für die ist, die zurückbleiben. Das Abschiednehmen, jemanden gehen zu lassen tut so weh.


    Ich weiß, wie das ist.

  • Hallo Esther,


    eine sehr traurige Geschichte, aber auch sehr gut geschrieben, wie ich finde...


    /me knuddelt Esther mal lieb... :knuddel

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Eine wunderschöne, traurige Geschichte... :knuddel1 ... geliebte Menschen hinterlassen eine tiefe Lücke in unserem Leben, die sich nie ganz schließen wird. Aber wie traurig wäre es, würde sie es tun...

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)