Joshua Palmatier - Die Assassine

  • Inhalt (Klappentext):
    In den Palästen und Hallen Amenkors herrscht trügerischer Friede. Doch in den Gassen der Unterstadt leben die Menschen in bitterer Armut. Als obdachlose Waise hat Varis gelernt zu kämpfen. Dabei hilft ihr ihre besondere Gabe: Sie kann die wahre Natur der Menschen sehen. Eines Tages tritt ein Meister-Assassine an sie heran und bietet ihr Arbeit an. Varis soll für das Gute töten. Doch was soll sie tun, wenn sie erkennt, dass selbst in den Guten das Böse wohnt?



    Meine Meinung:
    Das Mädchen Varis wächst nach dem Tod ihrer Mutter in den Straßen des Siels auf, des Armutsviertels von Amenkor. Sie lernt, sich durchzuschlagen, und bald lernt sie auch zu töten, um sich ihrer Haut zu erwehren. Dabei hilft ihr der "Fluss", ein Zustand der Hellsichtigkeit, in den sie sich versetzen kann und bei dem böse oder bedrohliche Menschen rot leuchten, alles andere aber grau bleibt. Der Fluss erlaubt ihr außerdem, Bewegungen vorauszuahnen und deshalb schneller zu sein, als ein gewöhnlicher Mensch.
    Eines Tages stößt Erick, der Assassine der Regentin, auf sie und heuert sie an, um seine Opfer im Siel für ihn zu finden. Bald bildet er sich auch mit dem Dolch aus ... und Varis ist überglücklich, einen Mentor gefunden zu haben, der ihr zudem auch noch Essen mitbringt. Doch die glücklichen Tage finden bald ein unerwartetes Ende ...



    "Die Assassine" hat mich wirklich außerordentlich gefesselt. Das Buch ist straff und spannend geschrieben und entwickelt bald eine solche Dringlichkeit, dass es fast unmöglich ist, es wieder aus den Händen zu legen. Die junge Varis ist ein sehr dichter und intensiver Charakter, störrisch und verstört und vorwärtsdrängend und die ganze Zeit auf der Suche nach einer Antwort, was falsch und richtig ist. Eine faszinierende Figur, der man sich nicht entziehen kann.
    Ich habe wirklich leidenschaftlich mit ihr gefiebert, und das Buch erspart ihr nichts. Dabei folgt alles einer zwingenden Logik, die Freud und Leid noch intensiver macht.
    Das Buch ist spannende und aufregende Fantasy mit einer bemerkenswerten Tiefe in den Charakteren, das keinen Moment langweilt oder auch nur Atem holen läßt. Ich freue mich schon sehr darauf, die Fortsetzung zu lesen.
    Volle Punktzahl.



    1. Die Assassine
    2. Die Regentin
    3. Die Kämpferin



    - elena

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Joshua Palmatier: The Skewed Throne


    Zuerst erschienen: 2005; TB: 2006



    Die zunächst namenlose vierzehnjährige Ich-Erzählerin lebt als Waisenkind in den Slums von Amenkor, der mächtigen Hafenstadt eines Fantasy-Kontinents. Über Amenkor herrscht traditionell die Herrin auf dem rätselumwobenen Geisterthron. Der Teil Amenkors, in dem unsere Protagonistin lebt und der, in dem der Palast steht, sind zwei getrennte Welten, die nichts miteinander zu haben. Der harte Kampf ums Überleben, den die Protagonistin unter tätigem Einsatz ihres scharfen Messers führt, bringt sie eines Tages unvermutet mit einem Soldaten der Regentin zusammen, und zwar mit einer Art Henker, der Todesurteile der Regentin vollstreckt. Der Seeker (so heißen sie im englischen Original) heuert das Kind aus den Slums an, ihm bei seiner Arbeit zu helfen. Er schult ihre Fähigkeiten im Einsatz mit dem Messer und gibt ihr auch einen Namen, Varis, der im Buch seine eigene Bedeutung hat.


    Varis ist aber nicht nur geschickt im Umgang mit dem Dolch, sondern sie hat auch besondere Fähigkeiten, die sie näher und näher an die Regentin auf dem Geisterthron bringen, bis sie sich tatsächlich gegenüberstehen.
    Hintergrund und Ausgangspunkt der Geschichte ist eine bestimmte Art von Magie, durch die Thron und die jeweilige Regentin verbunden sind. Daneben gibt es aber auch das seltsame weiße Feuer, das vom Meer her kommend die Stadt und ihre EinwohnerInnen unerklärlicherweise erfassen kann und ihre Vernichtung bringt. Auch ihm muß sich Varis stellen.


    Die Geschichte ist gut ausgedacht und auf das spannendste erzählt. Das Tempo ist von Anfang an hoch. Die eigentlichen Geschehnisse sind krude und sehr blutig, auch der Heldin bleibt kaum ein körperlicher Schmerz erspart. Angesichts der hohen Zahl der Toten, die ihren Weg säumen und über deren brutale Ermordung der Leserin detailreich informiert wird, verwundert es ein bißchen, daß das Buch so durchgängig in die Schublade ‚Young adult’ geschoben wird.


    Der Autor hat sich von Anfang für ein bestimmtes Motiv entschieden, um seiner Geschichte Bildkraft zu verleihen. Es gelingt ihm auch, das über weite Strecken stilistisch umzusetzen. Seine Art, Sätze aneinanderzureihen erzeugt auf Dauer eben jenen Fluß, an Magie, an weißem Feuer, an rasch wechselnden Einzelhandlungen, an vergehender Zeit, in dem sich Varis befindet, und den sie sich bemühen muß, zu kanalisieren. Ähnlich sparsam ist er mit den Farben und dem Licht, auch wenn es zuweilen grell ist, scheint das Ganze in einer Art Halbschatten zu spielen, grau, auch das hat seine besondere Bedeutung in Varis’ Geschichte.


    Beim Lesen ist man auf die Perspektive der Ich-Erzählerin beschränkt. Das hat seine Bedeutung gerade in der Beschreibung der magischen Vorgänge. Es hält das ganze Geheimnis nämlich aufregend mysteriös, wie es sich für Geheimnisse und gerade für Magie gehört. Beschrieben werden nur die Wirkungen und am Ende gewisse Erkenntnisse, nicht alle.


    Obwohl die Hauptfigur und auch die jeweilige Herrscherin Amenkors weiblich sind, spielt das Ganze weitgehend unter Männern. Es gibt auch keine Liebesgeschichte, die die Spannung störte. Die Beschreibungen der auftretenden Personen sind sparsam, die von Amenkor und den Auswirkungen der Magie dafür umso ausführlicher, aber nie überbordend und nie gewollt poetisch. Gelegentlich wird es zuviel des Guten, vor allem, wenn es um Varis’ körperliche Reaktionen auf Magie geht. Eindrücklich sind die Beschreibungen ihres Überlebenskampfes und der Lebensbedingungen in den Slums. Auch wenn viele Nebenfiguren eher skizzenhaft bleiben, gibt sich der Autor viel Mühe mit ihren Beziehungen zueinander und läßt sie so lebendig werden.


    Die Geschichte ist im Kern vorhersehbar und arbeitet mit altbekannten Versatzstücken, sie enthält jedoch viele überraschende und originell zusammengesetzte Details, ist ansprechend formuliert und sehr, sehr spannend erzählt. Daß sie als Trilogie angelegt ist, stört nicht, das Wichtigste wird im ersten Band geklärt. Erzählt wird mit solcher Rasanz, daß man beim ersten Lesen doch vieles überspringt, eine zweite Lektüre übersteht der kleine Roman aber durchaus, es gibt immer noch etwas zu entdecken und man kann den Autor aufs Neue für sein Geschick bewundern, mit dem er seine Welt kreiert hat.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von MagnaMater
    ... und überlege, ob ich mir die nächsten beiden bände auch noch zulegen soll


    ... dazu muss ich Dich gleich vorwarnen, der zweite Teil fällt gegenüber dem ersten wirklich gewaltig ab. Das ist aber nicht schlimm für Teil 1, der ist mehr oder weniger in sich abgeschlossen und funktioniert auch als einzelner Roman.
    Ich hatte mir auch hocheuphorisch Band 2 gekauft - und mich nach zweihundert Seiten dermaßen gegrämt vor Langeweile, dass ich's dann weggelegt habe. Kaum zu glauben, dass das vom gleichen Autor sein soll. Es dreht sich eigentlich nur um Nichtigkeiten, Varis lernt schreiben und regieren und sich ordentliche Sachen anziehen und wieder schreiben und wieder Regierungsgeschäfte führen ... und ab und zu träumt sie schlecht und fürchtet ein großes Unheil. Aber das wird nie näher benannt, und so schleppt sich die Handlung zäh voran, der rote Faden kaum erkennbar ...


    Aber der erste Band ist wirklich ein Hochgenuß zum Lesen!
    LG, Elena

    Ich hab' mich verirrt.
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  • Na, den ersten hab ich fast vor spannung verschlungen, und den zweiten betrachtete ich - schon vorgewarnt - mit gewisser skepsis, aber er stand nun mal zufällig just am tag nachdem ich den ersten beendet hatte im schaufenster eines papierwarengeschäfts, an dem ich vorbei ging.


    Der erste teil war spannend, und der zweite war aufregend -


    SPOILER BAND 2



    Versöhnt hat mich der gedanke, dass die stimmen im thron wahrscheinlich genau wussten, was sie tun, und wie sie es dem Siel-kind als regentin schmackhaft machen, dass die hungernde überbevölkerung der stadt irgendwie dezimiert werden muss, denn sie haben ja zu wenig lebensmittel, um es über den winter bis zur nächsten schiffahrtssaison & wichtiger: ernte zu schaffen, und das problem löst man am besten, indem man das hafenviertel mit frauen und kindern nicht evakuiert, obwohl man schon drei monate im vorherein weiss, dass der angriff vom hafen aus kommt, und zwei tage vorher weiss, wann er stattfindet. Da werden jedoch als beschäftigungstherapie für die armen lebensmittelkartenempfänger lagerhäuser und befestigungen wieder aufgebaut, von denen man in einer vision sieht, dass sie auf einen einzigen magischen schlag hin fallen... Den brandschutt in der hafeneinfahrt ablagern, was ihn nur für einzelne schiffe und obendrein ohne einheimischen lotsen unpassierbar macht, und den pinienwald im hinterland zu pech und brandgeschossen zu verarbeiten, mit dem man die feindliche flotte anzündet, BEVOR sie anlandet, wär vielleicht eine bessere idee gewesen.
    :gruebelOk, hab ich grad tatsächlich was von Pinien-abholzen geschrieben? :yikes - :gruebelBeweint in dem fall nicht den wald, der gehört hier wirklich für neue schiffe und dergleichen gerodet: da ist einfach inzwischen zu wenig landwirtschaftsfläche, um die bevölkerung der eigenen stadt über den winter durchzubringen. Die händler der stadt schaffen es auch ohne verschwörungen einfach nicht, genügend billige nahrung heranzubringen, sind also versorgungstechnisch nutzlos. Da legt man am besten ein paar große kartoffeläcker an. Und das mit den verhungernden im Siel ist ja nicht gerade neu, sondern bereits ein sechs jahre altes problem, das mit jedem neuen flüchtling und einwanderer immer grösser wird... da könnt man doch mal was vernünftiges dagegen tun, oder? Dass die alte regentin die letzten 6 jahre phasen der verrücktheit hat, ist da nicht wirklich eine entschuldigung, denn ihre ratgeber haben ihre klaren köpfe ja noch. :unverstanden


    Etwas politische ehrlichkeit hätt ich von den thronstimmen gegenüber der regentin schon erwartet. Aber sie hatten es schliesslich mit einer verwahrlosten, analphabetischen auftragskillerin aus dem armenviertel zu tun, der erzählt man eben nicht alles, vor allem, wenn man einige seiten zuvor emotionen mit einer an unterernährung und mangelkrankheiten sterbenden mutter schindet, da wär politisches kalkül und ehrlichkeit schlecht gekommen, ist ja ein 'jugendbuch'.


    Aber die rache an den thronstimmen an der jahrhundertelangen missregierung folgte sogleich: der sinn und zweck der so jäh wieder abgebrochenen palaststürmung ist am ende des 2. bandes mal erfüllt:
    der Geisterthron ist kaputt, seine dämonen ausgetrieben, und die regentin ist nicht länger seine gefangene, und kann die stadt endlich frei verlassen, ohne innerlich von magischer sehnsucht nach ihm und seiner macht zu verhungern.
    Bin ich boshaft? Nö, nicht doch. Ich doch nicht. Nie. :grin


    Aber den dritten band werd ich mir trotzdem zulegen, sollt ich ihn irgendwo stehen sehen, denn es heisst gelegentlich, es gibt einen zweiten thron, und ich denk, der steht in der schwesterstadt und wird von einem mann besetzt... könnt interessant werden. Und woher das weisse feuer eigentlich kommt, wüsste ich auch gern.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • MagnaMater


    danke für Deine Leseeindrücke, vor allem zu Band zwei. Ich bin schon bei der Leseprobe gescheitert, aber Deine Zusatz-Infos schenken mir jetzt zumindest einen klaren Abriß der Handlung. :grin


    Ich freue mich immer noch, daß ich den ersten Band entdeckt habe, das hat Spaß gemacht und wieder mal etwas Neues in puncto Fantasy geliefert, ich empfehle den Band immer noch. Aber Lust zum Weiterlesen habe immer noch nicht. Offenbar habe ich mit der Geschichte abgeschlossen.
    Ich erwarte gespannt Deine Rückmeldung zu Band 3. (Ich liebe Deinen Pragmatismus ;-) ).



    :wave


    magal

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Band 3, derda heisst die Kämpferin


    Der dritte Teil der Geisterthron-Trilogie ist trotz seiner Vorhersagbarkeit der Intereressanteste, wer Band eins und zwei erlesen hat, und das für eine ausreichende Freizeitbeschäftigung befand, wird hiermit durchaus zufrieden sein:


    UUUPS Spoiler Band 3



    Dort herrschen in der Nachfolge des Rates der sieben Magier, die bei der Erschaffung der Steinthrone starben, acht Fürsten. Ihr Oberhaupt ist Fürst March, doch ist er zur Überraschung der Regentin von Amenkor kein mit Magie Begabter, und seine Herrschaft über den Rat der Fürsten – und somit die Stadt, ist nur begrenzt.


    Der Steinthron der Stadt ist seit Jahrhunderten – seit der Geisterthron für die oberste Magierin nach Amenkor gebracht wurde - spurlos verschwunden, und die männlichen Begabten Venittes beherrschen nicht länger die Stadt, sie gelten im Gegenteil als ein eher belächelter Geheimbund, der sich militärische Ehren auf unbekannten Umwegen erschleicht, ohne ‚richtig‘ also physisch, für die Protektoren, die Armee und Garde der Stadt zu trainieren, und seine Macht über den magischen Fluss nicht publikumswirksam demonstriert.


    Die Chorl-kriege sind in Venitte nur noch eine Legende, und seit Jahrhunderten wurde die Macht der Begabten nicht mehr wie in Amenkor sichtbar für die Bürger angewandt. Während in Amenkor die Be-Sitzerin des Geisterthrones nahezu religiöse Ehren geniesst, absolut herrscht, und der Geisterthron und seine von ihm als Agenten und Assassinen ausgesandten Sucher den Stadtstaat in ehrfurchtsvollem Bann hielten, ist der Inhaber des Steinthrones in der Stadt und im Rat unsichtbar.


    Das Warum erklärt sich rasch: Venitte, der größte und erfolgreichste Handelshafen der Küste ist längst in alle Richtungen über seine alten Mauern hinausgewachsen, und die Reichweite des Steinthrones ist nur auf den Bereich der alten Stadtmauern beschränkt, und der darauf sitzende Magier hat in den großen Stadtvierteln jenseits davon keinerlei Macht, sondern fühlt sich im Gegenteil von derselben Schwächung und zehrenden Sehnsucht befallen, die auch die Regentin des Geisterthrones vor seiner Zerstörung ausserhalb der Mauern Amenkors befiel.


    Aber Varis ist mit der Zerstörung des Geisterthrones jetzt frei, und das seltsame magische Feuer, das sie in ihrer Kindheit in sich aufnahm, ist stark genug, um auch ohne ihren Thron mittels Magie über die Bürger ihrer Stadt zu herrschen, obwohl ihre Talente ohne den Thron als Machtverstärker, nunmehr begrenzt sind. Ausserdem hat sie in Ottul, einer jungen, gefangen genommenen Chorl-Begabten, die von der im Vergleich mit der Ochea, der brutalen Chorl-Oberpriesterin, milden Ausbildungs und Regierungsweise der Regentin Varis zugeneigt ist, eine hilfreiche Lehrerin, denn die Chorl beherrschen die Kunst, ihre mit Magie Begabten und ihre Macht zu vernetzen, was ihre Angriffe umso gefährlicher macht, da man ihnen von Seiten Amenkors nichts mehr entgegensetzen kann.


    Varis‘ Reise nach Venitte, dient nur halb dazu, den Stadtfürsten vor einem Angriff des Chorl-Oberpriesters Haqtl zu warnen, der nach dem Sturz und dem Tod der Ochea, der Hohepriesterin, bei deren Versuch den Geisterthron von Amenkor zu erobern, diesen Versuch mit dem männlichen Gegenstück des Thrones in Venitte wiederholen will, sondern Hauptsächlich dazu, ihre sterbende Vaterfigur Erick von dem folternden Bann zu befreien, mit dem ihn Haqtl während seiner Gefangenschaft belegt hat.


    Leider interessiert sich in Venitte niemand für die Chorl. Man hält sich nicht nur für eine Legende, sondern, da ihre Existenz durch Ottuls Anwesenheit bewiesen ist, einfach für barbarische Seeräuber, die mittels Errungenschaften einer Hochkultur wie die Venittes leicht sowohl korrumpiert wie auch bezwungen werden können. Es stellt sich heraus, dass einige im Rat tatsächlich längst Kontakt mit den Chorl aufgenommen haben – und gar nichts gegen ihre feste Ansiedlung an der Küste sowie ihrer Einbindung in den Handel zwischen den Städten haben; im Gegenteil, die lange Seefahrtstradition der Chorl erscheint den weltoffenen Venittern sogar nützlich. Und eine Streitmacht der Chorl ist ihnen sogar willkommen, um im Inneren Verwirrung zu stiften und mehr Macht anzuhäufen, denn die meisten der Fürsten und ihre Händler-Freunde sägen am hölzernen Sessel ihres machtlosen Anführers und Sprechers, der wie eine Fahne im Wind flattert und sich dem Mehrheitsentscheids des Fürstenrats beugen muss.


    Varis hingegen, die am Siel, der Gosse Amenkors aufgewachsen ist, und deren Kindheit von einem tödlichen Überlebenskampf beherrscht war, und von den barbarischen Methoden der Chorl-Hohepriester, die den Gesetzen im Siel ähneln, abgestoßen ist, glaubt nicht an die Kultivierbarkeit der Chorl, zumindest nicht, solange die verblendeten Hohepriester und ihre gefährlichen Begabten leben, und sich ein Steinthron als ihr religiöses Herrschaftssymbol in deren Reichweite befindet, denn mittels der Chorl-Vernetzung kann ein sonst lokal gebundener Steinthroninhaber weit über seine Beschränkungen hinausgreifen, wenn er seine Begabten wie die Sucher Amenkors als Angst und Schrecken verbreitende Ordnungsmacht einsetzt.


    In Venitte ist Varis Einmischung in innere Angelegenheiten mehr als nur unwillkommen, und sie und ihre Begleiter werden bald in das Intrigenspiel an den Fürstenhöfen Venittes gezogen. Haqtl, der Hohepriester der Chorl ist bereits in der Stadt und sucht den Steinthron, und seine ihn belächelnden venitter Verbündeten ahnen nicht, was sie sich für Probleme damit schaffen.


    Soweit die vielversprechende Handlung.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


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  • Was ich mir jedoch als kritischer Leser über die Ausführung denk...



    Das ganze, für die Ereignisse so wichtige politische Umfeld Venittes wird in einigen lieblosen Absätzen abgehandelt, und das jüngste, grad erst frisch nach dem Tod seines Vaters ernannte Mitglied des Fürstenrats, hat bei seinem Namen die stehende Redewendung, „er erschien verwirrt“ „der verwirrt erscheinende“, und der Leser ist versucht, ihn für ein alter ego des Autors zu halten, der nicht ganz zu wissen scheint, wie man einen Spannungsbogen richtig hält. Wer als Leser etwa Brent Weeks und das doppelzüngige Spiel seiner intriganten hassens-&liebenswerten Figuren schätzt, ist hier im einfach gestricktem Plot, der vorhersagbar und rasch abgehandelt wird, allein gelassen. Palmatier verschenkt hier eine an sich gute Idee und etliche gute Figuren.


    Daneben gibt es ein ziemlich langweiliges, amouröses Gockelaufplusterspiel zwischen dem altbekannten, nun zu Händlergilden-Würden aufgestiegenen William, der sich einzig durch seine längere Bekanntschaft und Vertrautheit auszeichnet, und dem charismatischen, schönen Begabten Brendan, der Varis interessiert, aber der durch die Tatsache, dass er die rechte Hand des Steinthroninhabers ist - und wohl auch dessen lokal innerhalb seines Stadtviertels begrenzter Nachfolger sein wird - nicht wirklich als Lebenspartner einer Amenkorerin, die von Weltreisen träumt, in Frage kommt.
    Da es sich um ein Jugendbuch handelt, ist die Liebelei nur angedeutet, und Varis Freundschaft zu William beschränkt sich auf zwei Küsse und eine gemeinsame Sternbetrachtung, und sie geht nichtmal mit dem hübschen, geheimnisvollen Brendan ins Bett, um zumindest ein begabtes Kind mit ihm zu zeugen, wenn sie ihn schon sonst nicht haben kann. So kommen die beiden jungen Männer zum Schluss, dass sie Angesichts der Gegener und der Sache besser Freunde bleiben... – Ausserdem ist die Regentin mit ihrem Thron und der Macht verheiratet und eigentlich von vorn herein tabu...
    Argh! Wenn hier irgendjemand in der Geschichte den Titel und die Aufgabe Regentin auch nur Ansatzweise verdiente, würde sie aus Staatsräson und dem dringend nötigen Friedens Willen vom Fleck weg den dreimal so alten Chorl-Heerführer Atlatik pro forma heiraten, und sich so die Schiffsflotte und die Streitkräfte der Chorl sichern. Sie geht dabei nicht einmal ein großes Risiko ein, denn als Ochea des weissen Himmelsfeuers kann sie selbiges in Atlatik einpflanzen, und ihn dadurch kontrollieren und lenken und bei Zuwiederhandeln gegen ihre Staatsinteressen jederzeit töten und einen neuen Anführer der vereinigten Seestreitkräfte der Chorl von Amenkor einsetzen, aber Palmatier hat kein Buch über Staatskunst gelesen.


    Da der Geisterthron am Ende repariert ist, und Varis den Fehler macht, ihn wieder in Besitz zu nehmen, und sich erneut an Amenkor zu fesseln, bleiben die wirklich interessanten Fragen dieser Welt: woher das weisse Himmelsfeuer kommt, und wie es auf die Magie-Begabten wirkt, und wie die Küstenstädte jetzt das nach wie vor bestehene Problem der heimatlosen Chorl lösen, unbeantwortet.


    Es ist eines der Bücher, wo man das Gefühl hat, ein Autor hätte sich mit dem Wunsch ein Fantasy-buch für Jugendliche zu schreiben, hingesetzt, einen Plot von Anfang bis Ende vorgebaut, und dann Punkt für Punkt seelenlos und leidenschaftslos und ohne tieferes Nachdenken abgehakt. Man weint nicht mit den Figuren, man fühlt keine Besorgnis über ihre Zukunft, man entwickelt keine zärtlichen Gefühle für irgendwen. Es ist kein Schreiben aus Liebe, und um sich selbst mit etwas Interessantem die Zeit zu vertreiben, es ist ein Schreiben als Handwerk, und als solches nicht gut genug.
    Man ärgert sich die halbe Zeit über nicht durchdachte Handlungsstränge und wenig inspirierte Gedankengänge, die die politische und strategische Dummheit der regierenden Figuren untermauern. - ZB: Wir haben gesehen, Mauern nützen nichts gegen angreifende Chorl-Begabte, die ihre Krieger unterstützen, wir brauchen deshalb neue und größere Mauern, zumindest gegen die Chorl-Krieger. Ist ganz egal, dass die Leute der abgebrannten Stadtviertel noch immer kein Dach übern Kopf haben... Und weil wir die bebaubaren Felder der Umgebung eh nicht brauchen, und die halbe Bevölkerung, eh verhungert ist, weiten wir das Stadtgebiet nochmal um Vorratslagerhallen aus...– Äh... Da hat jemand so gar nicht über die Ernährungs-Autharkie als Existenzgrundlage von Stadtstaaten nachgedacht. Ein Stadtstaat kann nur so groß sein, wie die Landwirtschaft des Umlands es erlaubt... Wenn er größer wird, als das Umland es erlaubt, muss er Kolonien gründen, weil die Ernährung der Bewohner nicht mehr gesichert ist. Amenkor hat, wie das Verhungern im Siel beweist, seine maximal zulässige Größe als Stadtstaat bereits überschritten.
    Ok, das bin vielleicht nur ich, der verlangt, dass ein Autor, bevor er sich überhaupt hinsetzt, über eine erfundene Fantasy-welt zu schreiben, das ganze zuerstmal in allen möglichen Details gründlich nach den offensichtlichsten, logischen Fehlermöglichkeiten durchdenkt: zumindest in den Basis-Bereichen der Wirtschaftsform, der vom Vorhandensein gewisser magischer Fähigkeiten veränderten religiösen und sozialen Bevölkerungsstruktur, bis hin zu den erweiterten/limitierten Möglichkeiten einer Kriegsführung, bzw Verteidigung.


    Die an sich an Erzählpotential reiche Welt Palmatiers lädt zu vielen Geschichten ein, die jedoch nicht einmal Ansatzweise eingeflochten werden. (Siehe Brent Weeks, der einen ganzen, faszinierenden Mythos oder die witzige Charakterisierung einer sonst für die Handlung unwichtige, aber dennoch interessante historische Persönlichkeit in einem unwesentlichen Nebenabsatz einflicht, um die Szenerie mit Tiefenbildern auszumalen, und den Leser in den Durststrecken der gezwungenermassen wegen Jahreszeiten-abwartens langsamen Handlungsentwicklung mit liebevollen Details zu unterhalten.) Die Welt der Geisterthron-Trilogie wäre eine ideale Spielwiese für Fanfiction-Schreiber, leider sind die Figuren zu oberflächlich behandelt, als dass man zu ihnen eine Zuneigung entwickeln würde, die groß genug für den Aufwand einer eigenen Fingerübung wär.
    Der Leser bleibt letztendes enttäuscht und mit einem leicht schalen Geschmack zurück, unbedeutende Massenware konsumiert zu haben, gewissermassen eine Keksschachtel aus der Zwei-für-eins-schütte, gefressen zu haben, die ausser süß-sein und halbwegs geniessbar nach einem unbestimmbaren Aroma-mischmasch zu schmecken, nix mitbringt, das ihren wiederholten Kauf rechtfertigen würde.



    Dass ich mich aber auch nie kurz fassen kann... :wow


    das war, was ich mir so denk, weil der band bei mir grad in den letzten zügeln... - äh, ich wollt sagen meine postings sind zügellos, und der band hat letzte züge, in denen er liegt.


    Vielleicht hab ich beim querlesen an den schluss was übers weisse feuer überlesen, aber mir fehlt der herkunftsort desselben noch immer, jetzt les ich's nochmal wort-für wort, die letzten hundert seiten, werd mich melden, wenn ich wider erwarten doch weissfeuerherkunftsmässig erleuchtet wurde

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


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