James Bulger wurde mit 2 Jahren von zwei zehnjährigen Kindern in England aus einem Einkaufszentrum entführt und zu Tode misshandelt. Der Fall erregte damals weltweites Aufsehen, nicht nur die grausame Tat, sondern auch das geringe Alter der Täter. Der Aufschrei nach Sicherungsverwahrung lebenslang war groß, aber selbst lebenslang ist bei Erwachsenen auf 25 Jahre begrenzt. Bei solchen jungen Straftätern war das Höchstmaß 10 Jahre. Bereits nach 8 Jahren wurden die beiden wegen guter Führung entlassen und bekamen eine neue Identität, ihr Aufenthaltsort wurde geheim gehalten. Keiner weiß, wer die beiden Täter heute sind, bis schließlich einer von beiden rückfällig, wieder verhaftet und inhaftiert wurde. Warum war der Aufschrei bei den beiden so besonders groß? Unterscheidet sich wirklich nur das geringe Alter gegenüber all den anderen Jugendlichen und Erwachsenen, die Kleinkinder grausam misshandeln, zu Tode schütteln, sie verbrennen oder verhungern lassen? Haben Sie nicht alle eine hohe Strafe verdient? Keiner von denen bekommt allerdings nach der Entlassung aus der Strafanstalt eine neue Identität. Trotz vieler ähnlicher Fälle erregt der Fall James Bulger bis heute die Gemüter, die Täter sind mittlerweile erwachsen und führen ein Leben in Freiheit, wenn auch mit neuer Identität. Haben sie weniger Recht darauf, als all die anderen Misshandler, die auch ihre Strafe abgesessen haben und noch viel grausamere Straftaten verübt haben? James Bulger wurde nur einen Tag gequält, manche Kinder ihr wenn auch arg kurzes Leben lang. Was bezweckt Elizabeth George mit dem immer eingeworfenen Protokoll einer Straftat, bei der drei Jugendliche ein Kleinkind – John Dresser – aus einem Einkaufszentrum entführen und anschließend zu Tode prügeln? Auf den ersten Blick haben diese Einschübe mit der Geschichte nichts zu tun, aber schon bald wird dem Leser klar, worauf die Autorin hinzielt, die Parallelen mit dem Fall James Bulger sind auffällig genug.
Meredith Powell will sich wieder mit ihrer besten Freundin Jemima Hastings vertragen. Die beiden hatten sich über ihre unterschiedlichen Lebensziele gestritten, an ihrem heutigen Geburtstag vermisst Meredith ihre beste Freundin besonders. Sie hat nämlich am gleichen Tag auch Geburtstag, somit war ihre Beziehung schon immer etwas Besonderes. Aber Jemima ist nicht aufzufinden, ihr Geschäft ist verlassen und bei ihrem Freund wohnt schon eine neue Frau. Meredith ist entsetzt, sie konnte Gordon Jossie noch nie richtig leiden und gibt ihm voreingenommen die Schuld, dass Jemima ohne jeden Kommentar nach London gezogen ist. Als sie bei ihrem Bruder Rob Hastings nachfragt, kann er sie beruhigen. Er kennt zwar die Gründe für den überstürzten Aufbruch nicht, steht aber regelmäßig mit Jemima in Kontakt. Allerdings hat er sie am heutigen Tag noch nicht erreicht.
In London wird auf einem verlassenen Friedhof eine unbekannte weibliche Leiche entdeckt. Mit dem Fall wird die neue Acting Superintendent Isabelle Ardery betraut, die den Posten von Detective Thomas Lynley übernehmen soll. Schnell wird klar, dass Ardery ihre ganz eigenen Ansichten von ihrer Stelle hat, ihre unsachlichen Entscheidungen bringen das Team gegen sie auf. Einzig Lynley, den sie wieder an Bord geholt hat, steht ihr zur Seite – warum auch immer. Er hat sich soweit nach dem Tod seiner Frau wieder gefangen, um seinen Job pflichtbewusst auszuüben. Nicht nur Barbara Havers freut sich sehr darüber, waren doch seine Verbindungen und seine beruhigende Art von unschätzbarem Wert für sie. Die unbekannte Leiche entpuppt sich als Jemima Hastings, Barbara und Winston Nkata werden nach Hampshire beordert, um sich in ihrem Umfeld umzuhören und ihrem Exfreund Gordon Jossie auf den Zahn zu fühlen. Der lebt inzwischen mit Gina Dickens zusammen, einer attraktiven Blondine, die sich aber mehr als einmal verdächtig benimmt.
Was für eine Zicke! Isabelle Ardery ist unsympathisch durch und durch. Kalt, abweisend, sich selbst überschätzend, hochnäsig, paranoid, überheblich und uneinsichtig tritt sie in die Geschichte ein. Durch ihre Mitarbeiterführung macht sie sich von Anfang an unbeliebt, Fehler machen nur die anderen, nur ihre Meinung ist die Richtige und wer sich ihren Anordnungen entgegensetzt, wird zur Strafarbeit verdonnert. Dass diese Haltung nicht gerade hilfreich ist, einen Mörder zu entlarven, lässt den Leser oft genug verzweifelt in die Tischkanten beissen. Da freut man sich über Lynleys Wiederkehr, steht aber völlig verwirrt seinem Verhalten gegenüber. Warum deckt er seine Chefin dermassen? Früh fällt ihm auf, was mit ihr nicht stimmt, viel zu sanft versucht er sie, in die richtige Richtung zu bugsieren. Oft genug stösst er dabei auf Granit und unwillkürlich fragt man sich ständig, warum er so handelt. Unprofessionalität hat in Führungsetagen eigentlich nichts zu suchen, dafür ist ihr Job in der Hierarchie nicht hoch genug. Es verleidet das ganze Buch, mitanzusehen, wie Lynley um diese Person herumschleicht und sich unerklärlicherweise sogar von ihr angezogen fühlt. Es passt so überhaupt nicht zu seinem Charakter, was zum Schluß passiert, nicht nachzuvollziehen und verursacht höchstes Magengrummeln – so wollen wir Lynley nicht wiederhaben.
So manche andere Handlungen und Personen sind nicht rational, besonders die Gutmenschin Meredith Powell, die sich erst lange Zeit nicht um Jemima kümmert und dann mit aller Macht Auflösung fordert, sogar auf eigene Faust Recherchen anstellt. Dabei stellt sie sich so töricht an, dass sich das gequälte Leserherz leise weinend innerlich zusammenballt und gar nicht so recht glauben kann, wie naiv und unbekümmert so jemand durchs Leben gehen kann. Ihr kann man wirklich alles vormachen, bis Meredith merkt, dass sie hinters Licht geführt wird, ist eh alles zu spät und irgendwie gönnt man es ihr auch. Einen Menschen zu bei der Polizei zu melden, nur weil etwas komisch an ihm ist, gehört sich einfach nicht und ist lediglich eine subjektive Meinung. Wie sich aber fast alle auf eine Person einschießen und sämtliche andere Ansätze fallen lassen oder nicht nachgehen, ist wieder einmal äußerst unprofessionell und widerspricht jeglicher Polizeiarbeit. Fast das ganze Buch hindurch ärgert man sich still vor sich hin über all die irregeleiteten Menschen, die durch ihren Egoismus so vieles im Keim ersticken und ständig alles auf ihre eigene Person beziehen, womit sie sich oft höchst lächerlich machen. Das Ende ist unbefriedigend und so manche privaten Ereignisse trüben sehr deutlich die Wiedersehensfreude mit einem der beliebtesten Ermittler schlechthin. Zwar hebt sich das Buch wieder wohltuend von den zwei Vorgängern ab, reicht aber bei weitem noch nicht an die Klasse früherer Werke heran.
Fazit
Unverständige Entscheidungen, unmögliche Personen und ein recht langatmiger Erzählstil machen das Buch nicht gerade zu einem Highlight, allerdings sollte sich jeder Lynley Fan eine eigene Meinung bilden, ob er mit dieser Entwicklung wirklich einverstanden ist und noch mehr davon lesen möchte.
LG
Patty