Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern
Ein Titel, der einen zu philosophischen Träumereien hinreißen lässt.
Sechs mehr oder weniger wortlose Geschichten, abseits der heilen Welt, und doch aus dem vollen Leben gegriffen, hautnah, haarscharf, ohne Schnörkel. Gedankenblitze und Bewusstseinsströme mit wenig Interpunktion aber viel Intensivität.
Der Titel des Buches findet sich in der ersten Geschichte wieder: Die Zugbegleiterin. Wer hat sich je Gedanken über die Person gemacht, die uns während der Eisenbahnfahrt mit ihrem “Ihre Fahrkarte bitte” stört? Für mich wird jedenfalls in Zukunft eine Fahrt mit der Bundesbahn nie mehr dasselbe sein.
Wort bzw. Wörter sind der verbindende Faktor der einzelnen Erzählungen, ob es sich nun um gewöhnbare Wortlosigkeit handelt, um den Small Talk einer chinesischen Schönheitsspezialistin oder um das Erlöschen aller Wörter nach dem Tod der Mutter in “Der schwarze Stein”. Aus Worten entsteht manchmal ein Weg, sagt der Pfarrer. Nein, entgegnet die Ichperson, indem sie aus Erfahrung spricht, Worte verstellen nur Wege.
Eine der Höhepunkte dieses Buches ist das etwas längere “Wünschen darf man sich alles”. Hier werden wir mit den Wünschen, Träumen, Ängsten, Sehnsüchten, Problemen und Gemeinheiten Behinderter in einem Heim konfrontiert. Plastisch, hautnah, haarscharf, unbarmherzig, schonungslos.
Pehnt schreibt, wie sie denkt, grob und doch elegant, eintönig und doch melodisch, abschweifend und doch treffsicher, eine Schriftstellerin, auf deren Talent man (frau) neidisch werden kann.
Ein frontaler Angriff auf den Leser, der gezwungen wird, mit den Hauptpersonen mitdudenken, mitzuleiden, mitzufiebern. Ein Angriff allerdings, gegen den man sich nicht wehrt, gar nicht wehren will.
Die wortlose Aneinandergewöhnung erleben wir in optima forma in der letzten Geschichte, “Georg”. Hatte ich bisher geglaubt, das Präsens sei der durchschlaggebende Faktor in der Überzeugungskraft der Pehnt, werde ich jetzt Lügen gestraft. Die Wortlosigkeit kommt mit aller Macht zurück, so konfrontierend, dass es wehtut.
Es ist gerade diese Wortlosigkeit in den Geschichten, die uns fast sprachlos macht. Die Alltagswelt reduziert auf Bilder, fein gestrichelte Stillleben, wortlose aber aussagekräftige Szenen.
Die Pehnt beherrscht ihre Stilmittel, ob es nun um inneren Dialog oder Bewusstseinsstrom geht.
Fazit: unbedingt empfehlenswert.