Der Mitternachtspalast - Carlos Ruiz Zafón

  • KLAPPENTEXT:
    Kalkutta 1932: Ben und seine Freunde von der geheimen Chowbar Society sind gerade sechzehn geworden. Es ist Zeit, das Waisenhaus zu verlassen, in dem sie aufgewachsen sind. Bei der Abschlussfeier taucht plötzlich eine alte Frau mit einem jungen Mädchen auf, das Ben sofort fasziniert. Wer ist sie? Als die beiden dahinterkommen, was sie tatsächlich miteinander verbindet, befinden sie sich schon in einem Strudel, der sie tief in die Unterwelt Kalkuttas zieht. Ein Schatten aus der Vergangenheit trachtet ihnen nach dem Leben. Und er ist ihnen näher, als sie ahnen...


    ZUM AUTOR:
    In Deutschland erlangte Carlos Ruiz Zafón seine Bekanntheit durch seine großen Barcelona Romane "Der Schatten des Windes" und "Das Spiel der Engel". In seinem Heimatland Spanien wurde er durch seine Jugendromane berühmt. Für sein Erstlingswerk "Der Fürst des Nebels" (zu dem es hier auch eine Rezi gibt) erhielt er sogar den Spanischen Jugendliteraturpreis.


    EIGENE MEINUNG:
    Schon seit "Der Schatten des Windes" bin ich ein großer Fan von Zafóns düster, geheimnisvoller Erzählweise, die er in "Der Mitternachtspalast" mal wieder hervorragend umgesetzt hat.
    Zafón kreiiert eine geheimnisvolle Kulisse, die ein bischen etwas von 1001 Nacht, aber auch von Indiana Jones und Oliver Twist hat, und die mich sehr verzaubert hat. Ich dachte immer, dass ich Bücher, deren Schauplatz Indien ist, nicht unbedingt mögen würde, aber Carlos Ruiz Zafón lehrt mich eines besseren und ich bin immer noch ganz berauscht vom geheimnsivollen Indien, muss allerdings dazu sagen, dass ich die Zeitepoche, in der die Geschichte spielt, auch sehr mag. Eine "Basaratmosphäre" entsteht vor allem durchs Erzählen. Im Roman werden so viele Geschichten in der Geschichte erzählt, dass man jederzeit gespannt folgen will und darauf wartet, wie sich dieses oder jenes Ereignis wohl vor langer Zeit zugetragen hat und zu erklären ist.
    Im Mittelpunkt des Romans steht die "Chowbar Society". Ein Geheimbund mehrerer Waisenkinder, die allerbeste Freunde sind und doch unterschiedlicher kaum sein könnten. Eine Gemeinschsft, die sich auf ewig Treue geschworen hat. Der Traum eines jeden abenteuerlustigen Jugendlichen. Gemeinsam müssen die Freunde das größte Abenteuer ihres Lebens bestehen, welches über Leben oder Sterben entscheidet und ihren Zusammenhalt auf eine harte Probe stellt.
    Mit "Jawahal" erfindet der Autor nicht einfach eine gruselige Hauptfigur, nein, er ist ein regelrechter Albtraum. Ich habe das Buch ziemlich zügig durchgelesen, bin nachts aufgewacht und hab mich kaum aus meinem Zimmer getraut. Herrlich nervenzerreibend verfolgte mich der "Feuergeist" bis in jeden Winkel meines Zimmers und doch konnte ich das Buch kaum aus den Händen legen.
    Aber nicht nur die gruseligen Stellen der Geschichte haben bei mir Gänsehaut erzeugt, sondern auch das Drama um Ben und Sheere, die zwei Protagonisten sind, die dem Leser sofort ans Herz wachsen, so dass er ihnen nur wünscht, dass die Geschichte für beide ein glückliches Ende nimmt.
    Ein traurig schönes Ende lässt mich wehmütig auf meine Zeit mit der "Chowbar Society" zurückblicken und ich bin sehr traurig, dass es wohl kein weiteres Buch mit Ben, dem schlauen Ian, der vorwitzigen Isobel, dem stillen Künstler Michael und den anderen des Geheimbundes geben wird.

  • Die Mitglieder der Chowbar Society freuen sich auf ihren sechzehnten Geburtstag, denn dann wären sie in den Augen des Gesetzes volljährig und würden das Waisenhaus, in dem sie aufgewachsen sind, verlassen und in die Welt hinaus ziehen. Noch noch während sie ihren baldigen Auszug feiern, überschlagen sich die Geheimnisse: eine alte Frau taucht mit einem jungen, hübschen Mädchen auf und bald beginnt ein Schatten Jagd auf die Kinder zu machen.
    Gemeinsam versuchen die Chowbar Society Mitglieder dem Geheimnis aus der Vergangenheit auf die Spur zu stoßen und stolpern dabei über so manche erschütternde Wahrheit.


    Die Geschichte ist vom Beginn bis zum Ende spannend und interessant, man kann sie in einem Rutsch lesen, was ich bei meinem ersten Zafòn Buch "Das Spiel des Engels" etwas vermisst habe. Sprachlich merkt man deutlich, dass der Mitternachtspalast eher ein Jugendbuch ist, wobei der Autor deshalb noch lange kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Geschichte bleibt grausam, aber fesselnd und von den Durststrecken im "Das Spiel des Engels" war hier auch absolut nichts zu sehen. Die Sprache ist einfacher, nicht so gewaltig wie beim Engel und weitaus fantastischer, wobei man bei Zafón zwar inzwischen mit diesem "Hauch von Fantasy" durchaus rechnet, aber das Ausmaß überrascht doch immer wieder aufs Neue. Vor allem der Stil des Buches ist mir positiv aufgefallen, da besonders die Charaktere äußerst lebendig gestaltet wurden. Wenn ein Buch direkt mit so vielen Charakteren startet, bleibt immer die Gefahr, dass einige auf der Strecke bleiben, aber diesbezüglich fand ich den Mitternachtspalast äußerst gelungen. Auch das durchwegs sympathische Charakterset hat es mir angetan und ja, es ist schade, dass es das erste und letzte Buch mit unseren Helden sein wird.
    Ich werde mir auf alle Fälle weitere 'ältere' Werke des Autors zu Gemühte führen und hoffen, dass sie ähnlich geschrieben sind (und etwas weniger wie "Das Spiel des Engels" - nicht, dass ich das Buch schlecht fand, aber es war stellenweise etwas langatmig und schwer zu lesen. Der Kopf hatte sehr, sehr wenige Ruhephasen, wo er einfach nur genießen konnte ;)).

    "Sobald ich ein wenig Geld bekomme, kaufe ich Bücher; und wenn noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung." - Desiderius Erasmus

  • Nach dem "Nebelfürsten" und "Marina" mein dritter Zafón.
    Wieder spannend und zugleich sehr schön geschrieben, und auch die Handlung wäre noch spannend gewesen, wenn ich nicht langsam den Eindruck hätte, dass da sehr deutlich ein Schema abgearbeitet wird.
    Jawahal, Kolvenik und der Nebelfürst bilden für mich ebenso eine Reihe wie Sheere, Marina und Jacob.
    Ein gruseliger Rachegeist gegen ein Kind (der Rest der Chowbar society ist lediglich eine Variante des Themas) mit geheimnisvollem neuem Kumpanen, und fertig ist die Geschichte.


    Versteht mich bitte nicht falsch: ich habe den "Mitternachtspalast" sehr gerne gelesen, fand ihn spannend, schön und lesenswert, aber auf mich wirkt das Ganze eben sehr schematisch - gut, aber nicht eben einfallsreich.

    "It is necessary to distinguish [...] between languages as such and their speakers. Languages are not hostile one to another. They are, in the contrast of any pair, only similar or dissimilar, alien or akin."
    -J. R. R. Tolkien, "English and Welsh"