Gestern Abend angefangen:
Winnie und Erik, sie Malerin und er Schriftsteller, sind nach New York gezogen: um Abstand zu gewinnen vom Trauma ihres Lebens. Denn gut ein Jahr zuvor ist ihre Tochter, die vierjährige Sara, entführt worden; vor Eriks Augen, der am Küchenfenster stand, ist das im Vorgarten spielende Kind von einem Mann in ein Auto gezerrt worden. Seitdem ist Sara einfach verschwunden, es ist weder eine Erpresserbotschaft eingegangen noch eine Leiche gefunden worden, Sara ist einfach weg, und die Polizei konnte nicht das Geringste herausfinden.
Nun, in New York, vierzehn Monate nach Saras Verschwinden, scheint sich eine fragile Normalität einzustellen – zumindest empfindet Erik, aus dessen Perspektive der Roman erzählt ist, das so. Doch einige mysteriöse Zwischenfälle öffnen einen Abgrund, und Erik muss sich der Tatsache stellen, dass etwas mit Winnie nicht stimmt, dass sie ihm mindestens etwas verheimlicht, dass sie ihm, ihrem Ehemann, vielleicht sogar die ganze Zeit nur eine Fassade gezeigt hat, hinter der sich eine ganz andere Person verbirgt. Als Winnie plötzlich nicht mehr da ist und nur einen Zettel zurücklässt, laut dem sie wisse, dass Sara lebt, macht sich Erik mithilfe eines Privatdetektivs auf die Suche – und stellt bald fest, dass vieles ganz anders ist, als er immer geglaubt hat.
Die Perspektive des Gärtners ist nicht wirklich ein Krimi, auch wenn man den Roman so lesen kann. Das Buch ist vor allem eine Reflexion über Vertrauen und Vertrauensmissbrauch, und es handelt vom allmählichen Verrücktwerden der Zurückbleibenden nach dem Raub des eigenen Kindes. Bedächtig treibt Nesser die Handlung voran und dreht dabei höchst gekonnt permanent an der Spannungsschraube. Während in der New Yorker Gegenwartshandlung zunehmend verwirrende Dinge geschehen – zwischendrin bekommt man fast den Eindruck, Nesser habe einen Mystery-Thriller geschrieben –, erfährt man in geschickt eingewobenen Rückblenden, wie Erik und Winnie sich kennengelernt haben (auch das höchst mysteriös!) und wie Saras Entführung vonstatten ging. Doch der Clou bei alldem: Die Perspektive des Romans ist ja nicht die eines allwissenden Erzählers, sondern es ist Eriks – und ob die Dinge wirklich so stattgefunden haben, wie er sie dem Leser wiedergibt, wird immer zweifelhafter…