Ich hatte gestern wesentlich mehr Zeit als gedsacht. Zu Ende gelesen habe ich das hier:
Einar Kárason: "Törichter Männer Rat":
"(...)Der Roman ist fesselnd erzählt und voller Überraschungen, doch besteht die Gefahr, dass Leser, die mit der Geschichte Islands nicht vertraut sind, ihn als eine Sammlung von Absonderlichkeiten empfinden und im übrigen ratlos bleiben. «Törichter Männer Rat» greift aber tiefer, vieles schwingt mit in diesem Text, ohne dass es immer ausgesprochen würde oder für den fremden Leser sofort erkennbar wäre. So ist immer wieder von einer sonderbaren Gestalt namens Einar Benediktsson die Rede. Dieser Mann, der von 1864 bis 1940 lebte, war ein Dichter und Financier, eine schillernde Persönlichkeit. Als Motto hat Kárason seinem Buch einige Verse Benediktssons vorangesetzt: «Betrunkene Männer und leidende Frauen / lagen im Laderaum gestapelt wie Schrott.» Die Verse, die einem 1897 veröffentlichten Gedicht entnommen sind, meinen die Isländer. «Verachtung lag auf den Gesichtern der Dänen», heisst es im nächsten Vers (den uns Kárason allerdings vorenthält). Um Kárasons Roman zu verstehen, muss man wissen, dass Island damals wirtschaftlich und finanziell völlig darniederlag. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein besassen diese Inselmenschen nicht einmal Schiffe, mit denen sie sich auf die hohe See hinaus hätten wagen können.
In Kárasons Buch steht ein alter Bauer für das Island des vergangenen Jahrhunderts, ein Mann, der sich nie um seine Arbeit kümmerte und statt dessen allerhand «Wissenschaften» betrieb und sich schwer verschuldete. Er hatte «eine scharfe, modrige Ausdünstung, wahrscheinlich wusch er sich nie. Für diese Vermutung sprach auch, dass er in einem seiner Vorträge über Niedergang und Verfall in der Moderne die Auffassung vertrat, der Grund für die Verwandlung der Isländer von einem Heldengeschlecht in einen elenden Haufen von Schwächlingen und Versagern liege vor allem in der Irrlehre des Sauberkeitswahns, die dem Volk heute überall gepredigt werde. Die Leute verbrächten Zeit und Unzeit damit, ihre Haut rosa zu scheuern, und seien daher natürlich allen Krankheiten und Erregern schutzlos ausgeliefert.» Kárasons Zungenschlag wirkt skurril, gewiss, und seine Figuren sind verschroben. Sobald man aber um die Hintergründe weiss, sobald man die (nicht expressis verbis thematisierte, gleichwohl aber präsente) Geschichte des Landes kennt, erhält selbst eine Figur wie dieser stinkende Landwirt einen fast tragischen Unterton. (...)"