Du - Zoran Drvenkar

  • 575 Seiten
    Ullstein Hc Verlag
    ISBN: 355008773X
    Preis: 19,95


    Kurzbeschreibung
    Du kannst dir nicht trauen!


    Nimm einen Mann, der durch ganz Deutschland reist und keine Gnade kennt. Wo er hinkommt, bleibt niemand am Leben. Nenn ihn "Der Reisende", mach ihn zum Mythos und fürchte ihn.


    Nimm fünf Freundinnen, die erst dem Chaos die Tür öffnen und dann die Flucht ergreifen. Nenn sie "Die süßen Schlampen" und meide sie.


    Nimm einen Vater, der verfolgt wird von seiner Vergangenheit und über Leichen geht, um sein Ziel zu erreichen. Und jetzt stell dir vor, er will die fünf Freundinnen aufhalten. Um jeden Preis. Nenn ihn "Der Logist" und meide ihn.


    Sie alle bewegen sich aufeinander zu, sie sind voller Rache und haben keine Ahnung, dass du sie beobachtest.


    Über den Autor
    Zoran Drvenkar wurde 1967 in Kroatien geboren und zog im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Berlin. Seit 1989 arbeitet er als freier Schriftsteller und lebt jetzt in einer alten Kornmühle in der Nähe von Berlin. Er ist der Autor vielfach ausgezeichneter Kinder- und Jugendbücher, unter anderem schrieb er unter Pseudonym den Bestseller Die Kurzhosengang. Zwei seiner Thriller, „Du bist zu schnell“ (2003) und „Sorry“ (2009), werden derzeit verfilmt.


    Meine Meinung
    Von Zoran Drvenkar kenne ich schon „Sorry“ und „Du bist zu schnell“, beide habe ich letztes Jahr gelesen. Daher war ich sehr erfreut über diesen neuen Thriller.


    In „Du“ gibt es wie schon bei den beiden anderen mehrere verschiedene Handlungsstränge:
    "Der Reisende" ist ein Mann ohne Namen, der immer wieder viele Menschen, scheinbar ohne Grund, ermordet und nicht gefasst wird.
    Da sind fünf junge Mädchen aus Berlin: Stinke, Nessi, Schnacki, Rete und Taja. Sie sind beste Freundinnen und stehen für einander ein.
    Zuletzt gibt es den Drogenhändler, der seinen Bruder tod auffinden und dem Heroin gestohlen wird. Für beides macht er die Mädchenclique verantwortlich und jagt sie durch Norddeutschland und Norwegen.
    Alle diese Handlungsstränge werden komplett in der Du-Form und im Präsent erzählt. Jedes neue Kapitel hat als Überschrift den Namen der Person, aus deren Sicht gerade erzählt wird. Es kommt durchaus vor, dass eine Szene aus verschiedenen Perspektiven geschildert wird, aber man erfährt dabei immer etwas neues. Die wörtliche Rede wird durch Spiegelstriche ersetzt.


    Je weiter man liest, desto mehr Protagonisten gibt es. Man weiß nie, wie sie zusammengehören und welche Auswirkungen sie auf die Handlung haben. Es entwickelt sich eine Eigendynamik über Schuld, Rache, Familienbande, Drogenmilieu, Familiengeschichte, Liebe und Sühne.
    Viele von den Figuren sterben, aber nie ohne Grund. Die Perspektive wechselt ständig, so dass die Geschichte Fahrt aufnimmt und es spannend wird. Es ist nicht immer glaubwürdig und oftmals sehr verwirrend. Am Ende führen alle Stränge in Norwegen zusammen und man ist erstaunt, wie weit es kommen konnte.


    Fazit: "Du" ist nicht für jeden etwas. Wer sich jedoch auf die Erzählweise einlässt wird ein gut komponierten Thriller erleben. Ich freue mich schon sehr auf den nächsten aus der Feder von Zoran Drvenkar.

  • Die vier Freunde Kris, Wolf, Tamara und Frauke gründen die Agentur "Sorry". Hauptaufgabe dieser Agentur ist es, sich im Namen anderer Menschen zu entschuldigen. Das Geschäft läuft gut an, die Freunde können sich sogar eine prachtvolle Villa leisten.


    Eines Tages tritt ein Mann an sie heran und bittet darum, sich bei einer Leiche zu entschuldigen, die auf schlimmste Weise verstümmelt wurde. Wenig später sollen die Vier die Leiche verschwinden lassen. Die Freundschaft von Kris, Wolf, Tamara und Frauke steht auf der Zerreißprobe, das Spiel beginnt.


    Der Titel war für mich sehr ansprechend, darum habe ich mir das Buch angeschafft. Leider ist die Schreibweise von Zoran Drvenkar etwas chaotisch. Mit "davor", "danach", "du" oder den Namen einer der vier Freunde kommt man leicht durcheinander. Trotz allem lässt sich das Buch auch in einem Tag durchlesen.


    Fazit: Wer gerne einen Thriller liest, der nicht 08/15 geschrieben ist, sollte sich "Sorry" gönnen.

  • Da sieht man mal wie verwirrend die Schreibe des Autors sein muss :lache
    Ich weiß schon weshalb mich die Leseprobe abgeschreckt hat. Viel zu verworren für mein trivial denkendes 08/15 Hirn.

    "Mann sollte jede Penne anzünden! Jeden Tag eine andere Katastrophe!"


    Pepe Nietnagel

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von HamburgBuam ()

  • Ich hatte "Du" trotz des Umfangs recht schnell durch, weil ich Drvenkars Schreibe einfach großartig finde.
    Sein Stil ist eher unangepasst, manchmal etwas sperrig und nicht ganz unanstrengend, hat aber großes Suchtpotenzial.
    Während ich von "Du bist zu schnell" restlos begeistert war, hat mich "Sorry" enttäuscht. Vor allem inhaltlich.
    Auch der neue Drvenkar konnte mich in dieser Hinsicht nicht wirklich überzeugen. Besonders den Drogen-Mafia-Gangster-Strang mochte ich gar nicht.
    Trotzdem hat mich der Roman alles um mich herum vergessen lassen, weil Drvenkar so fesselnd und intensiv und virtuos erzählt, dass (meinem persönlichen Geschmack geschuldete) inhaltliche Abstriche nicht weiter ins Gewicht fallen.
    Die Zuteilung zu Krimis/Thriller ist etwas schwierig, "Du" ist sicher kein typischer Verteter dieses Genres, dafür ist es zu literarisch ...
    Ich habe auch das Gefühl, dass es da unter der Oberfläche um gewichtige Themen geht, die ich mit etwas mehr Anstrengung vielleicht auch zu fassen gekriegt hätte ...

  • Drvenkar ist wieder da und seit „Sorry“ habe ich gespannt auf einen weiteren Roman für Erwachsene gewartet – wenn auch seine Jugendromane dem Thriller-Erstling für das „höhere“ Alter in nichts nachstehen! Bestechend an Drvenkar ist seine Sprache und sein Erzähltempo – deswegen wurde ich auch jedem, der Drvenkar noch nicht kennt, ein Probelesen dringend anraten. :)
    Aber nun zu „Du“ – eindrucksvoll kurz und knapp auch dieses Mal der Titel und genauso eindrucksvoll der Einstieg in die Geschichte. Als Leser bekomme ich Gänsehaut, wenn ich vom Autor direkt in der zweiten angesprochen werde und quasi Mithandelnder in einer atemlosen Geschichte bin, die aus den vielfältigsten Komponenten besteht: Mord, Drogenhandel, geheimen Sehnsüchten und Wünschen, dem Heranwachsen und den Fehlern, die einem unterlaufen können, wenn man sich für zu „cool“ hält.
    Ob es der „Reisende“ ist, der scheinbar wahl- und seelenlos Dutzende Menschen umbringt, oder Ragnar, dessen Leben von Gewalt bestimmt war und immer noch ist oder eine der süßen Schlampen, 5 Mädchen, die es in jeder Großstadt gibt und die durch die Bank weg alle „Du“ sein können, so oft ist man ihnen schon begegnet. Sie alle spielen im Roman ihre Rolle - werden ohne großes Federlesen eingeführt, ohne Pause lernt man sie kennen und verzweifelt schier an dem Versuch, die Fäden, die wohl alle Personen zu verbinden scheinen, zu entwirren und den zentralen Ursprung zu entdecken.
    Drvenkar spinnt sein bekanntes Netz, das aus einer raffinierten Erzählperspektive, mehreren handelnden Personen und diversen Zeit- und Situationssprüngen besteht, wieder sehr gekonnt. Dabei spielt für mich der Plot an sich nicht unbedingt eine immens wichtige Rolle – Drvenkar könnte auch Bedienungsanleitungen schreiben und sie wären mitreißend. In kurzen knappen Sätzen wird man in die Geschichte hineingeworfen und schwimmt mit, ob man will oder nicht. Es gibt brutale Szenen, ernüchternden Szenen, mit schrägem Humor angehauchte Szenen und schon wieder fast philosophische anmutende Szenen. Zwischendurch verliert man auf dieser Achterbahnfahrt kurz die Orientierung und stürzt ohne zu wissen, wo und wer man ist, in die nächste Tiefe. Doch am Ende wird man sicher ankommen, die Knoten haben sich gelöst und zurück bleibt der kalte Hauch, den nur einer der besten Sprachkünstler auf dem Literaturmarkt zu verursachen weiß.


    Gute 9 von 10 Punkten von mir (mit Tendenz zur 10). :wave

  • Die Art, in der Drvenkar seine Thriller konstruiert, einzelne Handlungsfäden perfekt aufeinander abstimmt und dabei auch sprachlich ungewohnte Wege geht, fand ich schon in Sorry spannend. Auch dieser Roman ist wieder wohldurchdacht und hervorragend erzählt, allerdings ist die gewählte Perspektive auf Dauer doch ermüdend, vor allem, weil ja dennoch aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt wird, das "Du" also in jedem Kapitel ein anderes ist.
    Sorry hat mir deutlich besser gefallen.

  • Zoran Drvenkar steigt mit diesem Werk erneut in meiner Achtung. Denn er ruht sich nicht etwa auf den Lorbeeren für seinen Vorgänger „Sorry“ aus, nein – er geht einen Schritt weiter, er baut seine Fähigkeiten aus, und wird episch, melodramatisch, bedrückend, lakonisch-faszinierend, nahezu tragisch. Alle diese Merkmale sind bei Drvenkar natürlich nichts Neues – aber hier werden sie (zumindest meiner Meinung nach) weiter perfektioniert, und auf die Spitze getrieben. Man möchte wirklich nicht in der Haut dieses Autors stecken. Denn was soll schon nach diesem Buch noch kommen..?



    Als ich den Titel seines neuen Werkes hörte, war ich skeptisch. „Du“ - das klang nach einem simplen Wiederaufnehmen eines Konzeptes, das in „Sorry“ schon für Furore gesorgt hatte – nämlich das streckenweise erdrückend konsequente Erzählen in der Du-Perspektive, so dass der Leser sich persönlich angesprochen fühlt und sich nicht entziehen kann. Doch „Du“ ist viel mehr als das. Es nimmt den Leser mit auf eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle, und führt ihn durch drei verschiedene Erzählstränge hindurch. Diese verquicken sich zuerst langsam, dann immer schneller, um in einem Finale Furioso zu gipfeln, das beinahe die Züge einer griechischen Tragödie trägt.




    Gut, geben wir es gleich von Anfang an zu – dieses Buch ist sicher keine leichte Kost, aber das erwartet man von Drvenkar ja auch nicht. Es verlangt eine aufmerksame Lektüre, ein geistiges Puzzle-Spiel, und die Bereitschaft, einmal nicht nach „dem Helden“ und „dem Bösen“ Ausschau zu halten. Genau wie „Sorry“, nimmt „Du“ dem Leser die Aufgabe der Bewertung in keiner Sekunde ab. Man begegnet Personen, die alle gleichermaßen verkorkst und verquer veranlagt sind. Eine Identifikation wird im engeren Sinne also nicht geboten – dafür aber ein atmosphärischer Höllenritt par excellence.



    Der Prolog beginnt mit dem ersten Handlungsstrang, dem „Reisenden“. Es entzieht sich leider meiner Kenntnis, ob diese Verbrechen auf wahren Tatsachen beruhen – aber zumindest wird dieser Eindruck erweckt. Ein Mann bleibt mitten im Winter auf der A 1 nachts in einem Stau stecken – und das setzt Gefühle und Erinnerungen frei, die in einem Massenmord gipfeln. Nacheinander ermordet dieser Mann weit über 20 Menschen in ihren Fahrzeugen. Absolut verstörend ist schon in diesem Abschnitt, wie der Autor selbst die grausamsten Details mit einer Art von Poesie ausstattet, und seinen lakonischen Ton beinahe in einer Art Verständnis für den Täter münden lässt. Dasselbe wiederholt sich im Laufe des Buches noch dreimal.



    Der zweite Strang beginnt im nächsten Abschnitt. Hier begegnen wir Ragnar, einem Gangsterboss. Sein Bruder ist tot, und etwas offenbar sehr Wertvolles ist ihm abhanden gekommen – von einer weiblichen Person entwendet. Man erfährt in diesem Abschnitt nicht eben viel – nur die Veranlagung dieses Menschen wird überdeutlich. Er verfügt über: willige Handlanger, genügend Mittel und Verbindungen, sowie einen für sein Metier erfreulichen Mangel an Gewissen und Skrupel. Man ahnt Übles.



    Im dritten Strang treffen wir auf die „süßen Schlampen“, eine Clique von fünf reichlich frühreifen und abgebrühten Berliner Gören, die sich sicherlich keine mittelständische Hausfrau als Freunde für ihre Kinder wünscht. Wie ich einem Interview entnahm, sollte das Buch sogar ursprünglich nach diesen Mädchen benannt werden – seien wir froh, dass Zoran Drvenkar sich anders entschieden hat. Protagonistin ist (vorübergehend) „Stinke“, die wie alle fünf Mädchen im ganzen Buch fast nur mit ihrem Spitznamen angesprochen wird. Was die Handlung betrifft, erfahren wir auch hier nicht gerade viel – wir treffen Stinke und ihre Freundinnen, und erhalten einen Einblick in ihre Welt. Stinke ist eigentlich mit ihren Freundinnen im Kino, lässt sich aber in der Pause auf einen reich scheinenden Fremden aus Hamburg ein. Ihr eigentlicher Freund, Indie, bleibt kurzerhand mit seinen Rasta-Locken und schmierigen Hosen zurück. Auch hier ahnen wir : das wird noch unerwartete Folgen haben.



    So unwahrscheinlich es auch scheint, diese drei Stränge finden im Laufe des Buches zueinander. Und zwar auf eine Art und Weise, die erst langsam Fahrt aufnimmt, aber dann für absolute Gänsehaut sorgt. Ragnar und die „süßen Schlampen“ treffen dabei noch relativ schnell aufeinander, noch vor der zweiten Hälfte. Doch durch die immer wieder wechselnden Perspektiven, die mit dem Namen der jeweils handelnden Person überschrieben sind, wird vom Leser konstante Denkarbeit verlangt. Es stellt sich heraus: die Dame, die Ragnar am Anfang etwas entwendet hatte, war eine der „süßen Schlampen“... doch wie kam es dazu? Das verrate ich lieber nicht, das tut auch nichts zur Sache. Das ist Stoff für einen Lese-Sog, der seinesgleichen sucht. Es sei nur bemerkt, dass auch die Chronologie der Ereignisse nicht eben geradlinig verläuft – man muss teilweise sogar zurückblättern, um nicht den Faden zu verlieren. Selten wurde ich als Leser dermaßen gefordert – aber ich habe es in jeder Sekunde genossen!



    Im letzten Drittel des Buches wähnt man sich zunächst in einem Road-Movie, doch auch hier täuscht der Eindruck. Unterschwellig weiß man, das kann doch nicht alles sein – ein Gangsterboss, der fünf Mädchen jagt. Das wäre ja viel zu einfach. Und richtig! Auf letztlich sehr, sehr zufällige, und gerade dadurch eben tragische Weise, kreuzt sich dieses Abenteuer mit dem „Reisenden“ - und spätestens ab diesem Punkt konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen. Meine Assoziationen wirbelten wie ein Schneesturm durch meinen Kopf – teils Quentin Tarantino, teils Alfred Hitchcock, teils Zoran Drvenkar! Eine geniale Mischung, die in einem halb offenen Ende mündet, das ich so noch nicht gelesen habe. Absolut neuartig für einen Thriller dieses Genres, dieser Generation. Sicher, die wichtigsten Handlungselemente werden zu Ende geführt – manche Personen bleiben auf der Strecke, manche Verbindungen wandeln sich, manche Enthüllungen warten auf den Leser. Und doch ist das Ende nicht „abgeschlossen“, in keinster Weise „rund und befriedigend“. Doch gerade dadurch empfand ich es als für dieses Buch als zu hundert Prozent stimmig! Man klappt dieses Buch zu, und ist doch nicht „fertig“ - es wirkt nach. Und zwar lange!



    Mehr mag ich inhaltlich gar nicht zu diesem Buch sagen. Das soll sich jeder interessierte Leser selber erlesen – denn dieses Buch ist, wie schon gesagt, nicht zum billigen Konsum gedacht, sondern zum Mitleben, Nachvollziehen, Verdauen, und Weiterspinnen im Kopf. Erwähnen wir lieber die „besonderen Kennzeichen“, die Drvenkars Stil so unverwechselbar machen.



    Da ist natürlich die Erzählperspektive, das „Du“. Es wird konsequent angewendet, in nahezu jedem Erzählabschnitt. Ich habe nicht nachgesehen, aber ich glaube, an keiner einzigen Stelle wird die konventionelle Erzählhaltung in der dritten Person verwendet! Immerzu heißt es „Du“. Das zwingt dem Leser eine Intimität mit den handelnden Personen auf, die teilweise schon bedrückend ist.



    Das zweite Kunststück des Autors besteht darin, Poesie mit Grauen zu verbinden. Manche Absätze möchte man sich am liebsten abschreiben und übers Bett hängen, doch wenn man schließlich realisiert, um was es eigentlich geht, verfliegt dieser Impuls ziemlich schnell.



    Es geht viel weniger um Personen, als um Milieus, um Stimmungen. Fremd bleiben einem die Handelnden zwar nicht, aber sie bleiben auf einem Abstand stehen, der ein allzu großes Verständnis verhütet. Man nimmt teil als Leser, man folgt dem Geschehen – aber man staunt, man ist ratlos, auch hilflos angesichts von so viel Trübsal und Hoffnungslosigkeit.



    Was die „Verstrickung“ der einzelnen Stränge angeht, habe ich selten etwas so Originelles und Ausgefuchstes gelesen! Nicht nur die klassischen „Cliffhanger“ finden wir en masse, sondern auch Vor- und Rückschritte, sowie ständige ironische Einmischungen des Autors! Er redet seine Figuren teilweise selber an, teilt ihnen Rollen zu, bewertet, nimmt vorweg. Und der absolute „Knüller“ war für mich in diesem Buch die Tatsache, dass sogar Tote und Sterbende eigene Kapitel zugewiesen bekommen! Ich hätte ja beinahe gelacht, aber das Lachen blieb mir dann doch im Halse stecken.



    Nein, dieses Buch ist für mich einfach kein Buch im klassischen Sinne. Es ist ein erzählerisches Experiment, ein Panoptikum an Stilmitteln und spannungssteigernden Elementen. Ungewöhnlich, aufrührend, verstörend, bleibend. Und für jeden Leser, der die üblichen Krimis und Thriller nicht mehr sehen kann, absolut empfehlenswert! Höchstnote für Zoran Drvenkar!

  • Du nimmst das Buch. Drvenkar... War das nicht der mit den Bindestrichen als Markierung für wörtliche Rede? Du liest den Klappentext und dir fällt "Sorry" wieder ein. Damals dachtest du zuerst, was für ein Selbstdarsteller, der glaubt mit neuen Rechtschreibregeln aufmerksam machen zu müssen. Aber dann dieser Schreibstil. Ständig zwischen Nüchternheit und Emotionalität pendelnd, keine Konventionen beachtend, radikal anders, radikal gut. Du erinnerst dich noch an die Story. Die hatte so ihre Schwächen. Aber danach hast du "Du bist zu schnell" gelesen und wusstest, der Drvenkar hat es auch inhaltlich drauf. Deshalb war "Du" für dich ein Muss.


    In "Sorry" hat er dir die "Du"-Perspektive nahe gebracht. Du kannst dich nicht erinnern, dies jemals vorher so gelesen zu haben. Und du bist erstaunt, was das mit dir anstellen kann. Es zwingt dich, jemand zu sein, der du eigentlich gar nicht sein möchtest, jemand den du vielleicht unsympathisch findest, jemand der dir sonst egal wäre. Und so bist du viel näher im Geschehen, als du es mit jeder anderen Erzählperspektive sein könntest.


    In "Du" beschränkt sich Drvenkar komplett auf diese Erzählweise. Du bist aber nicht nur eine Person, nein du wirst gezwungen, in die Haut sämtlicher relevanter Handelnder zu schlüpfen. Somit bist du in einem Moment ein skrupelloser Gangster, dann wieder ein kleiner oder ein großer Held, eine Heldin, eine Verräterin, ein Feigling, ein pubertierendes junges Mädchen, ein Serienmörder, ein Opfer, ein Sterbender oder ein Toter. Du wechselst den Blickwinkel manchmal innerhalb einer Szene. Kaum eine Atempause wird dir dabei gegönnt.


    Es ist eine mitreißende Reise ins Chaos. Jeder Plan geht schief. Die handelnden Personen prallen im Minutentakt mit ihren unterschiedlichen Einschätzungen und Lebensansichten kompromisslos aufeinander und geben der Geschichte jedes Mal eine ganz neue Richtung.


    Du lernst die "süßen Schlampen" kennen und lieben. Du erlebst ihre hoffnungslose Flucht vor einem gnadenlos perfektionistischen Berufsverbrecher. Du fragst, dich was "der Fremde", dieses mordende Monster, mit all dem zu tun hat. Du bist mittendrin bis zu diesem furiosen Finale, wo du all deine Erkenntnisse wieder revidieren musst. Dann klappst du das Buch zu und sagst "Wow, DAS war mal wirklich ein Thriller". Und du möchtest allen Autoren, die ihre öden Werke nur mit gebrauchten Versatzstücken aus der Klischeekiste zusammenstückeln, empfehlen, nur einmal "Du" zu lesen und danach zu entscheiden, ob es gerechtfertigt gerechtfertigt ist, ihren Standardkrimis das Etikett "Thriller" anheften zu lassen.


    Und du weißt, dass "Du" nicht dein letzter Drvenkar gewesen ist.

  • Hatte zuvor "Sorry" schon gelesen, und war sehr angetan von seinem Schreibstil und auch sehr überrascht, da ich zuvor noch nie etwas von diesem Autor gehört bzw. gelesen hatte.
    Nun habe ich "Du" durch und muss sagen, das auch dieses Werk wieder sehr gut konstruiert und spannend geschrieben war.
    Sehr spannende Thriller-Unterhaltung und deswegen von mir 8 von 10 Punkten.

    :lesend"Labyrinth - Elixier des Todes: Agent Pendergast 14" von Douglas Preston & Lincoln Child


    "Wenn man liebt, sind Pockennarben so hübsch wie Grübchen."