Zum Inhalt:
Was bleibt von den Träumen von einem Leben voller Glamour und Ruhm auf den Laufstegen der Welt, wenn die Modelkarriere sich mit Mitte Zwanzig dem Ende zuneigt? Es bleibt eine unbestimmte Sehnsucht. Nach einem Platz im Leben. Nach jemandem, der auf einen wartet.
So geht es auch Leni, die von ihrer Agentur mit Hannah und Kennedy in einer WG in Berlin zusammengewürfelt wurde. Mit Jobs auf dekadenten Partys halten die drei sich über Wasser, und alte Fotos von weit entfernten Freunden werden zu Rettungsankern. Doch ist eine Rückkehr in ihr altes Leben überhaupt noch möglich?
Mit ihrem neuen Roman trifft Beate Teresa Hanika den Nerv der Zeit. Die Schattenseiten der Modebranche und Castingshows bilden die Kulisse für eine der schönsten, bewegendsten und erlösendsten Liebesgeschichten des Jahres.
Zur Autorin:
Beate Teresa Hanika, geboren 1976 in Regensburg, ist Fotografin. Ab 1997 arbeitete sie mehrere Jahre als Model in verschiedenen europäischen Städten. Bereits seit ihrem zehnten Lebensjahr schreibt sie Geschichten und Gedichte. Sie lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Ort in der Nähe von Regensburg.
Meine Meinung:
Auf nur 160 Seiten gelingt es Beate Teresa Hanika, ein unglaublich komplexes und vielschichtiges Bild ihrer Hauptprotagonistin Leni zu zeichnen. Damit ist ihr etwas gelungen, was manch ein Autor und manch eine Autorin noch nicht einmal auf 800 Seiten schafft. Leni ist so unglaublich authentisch und lebendig, dass ich mir zeitweise fast sicher war, sie lebe wirklich. Auch die Nebenfiguren wie Leni's Mitbewohnerinnen Hannah und Kennedy und Levi, die weniger Raum einnehmen, sind regelrecht plastisch.
Dies liegt mit Sicherheit auch am Erzählstil: Hintergrund der Geschichte ist eine Party in Berlin, für die die für die Branche schon zu alten Models Leni, Hannah und Kennedy gebucht sind, die Party auf der Leni den faszinierenden Levi kennenlernt. Durch sehr geschickte, fließende Übergänge integriert Beate Teresa Hanika allerdings auch sehr viele Rückblicke, die uns sowohl von Leni's Leben als Jugendliche auf dem Land, von ihrer toll beschriebenen Eingeengtheit dort, von ihrer Zeit als Model und von dem Zusammenleben mit Hannah und Kennedy berichten. Die Einschübe sind wie Puzzleteile, die zu der schon erwähnten Komplexität führen.
Zwei Aspekte dominieren in „Erzähl mir von der Liebe“: Einerseits wird dem Leser desillusionierend die Modelbranche vor Augen geführt, andererseits stehen im direkten Zusammenhang dazu wunderbare Gedanken über die Liebe und vor allem das Leben.
Die Autorin erzählt, wahrscheinlich aus eigener Erfahrung heraus, vollkommen ungeschönt von der Modelbranche und dem Hintergrund von Castingshows – ein sehr aktuelles Thema. Nein, das Leben der meisten Models beinhaltet keine Villen und andere Annehmlichkeiten, Menschen, die einem zu Füßen liegen, Erfolg und Geld, genau das Gegenteil ist der Fall. Beate Teresa Hanika berichtet von der Wirklichkeit, so desillusionierend, ernüchternd und hässlich sie auch sein mag. Auch wird thematisiert, dass gerade aus dem Osten kommende Models wie gefühllose Ware behandelt werden. Den Traum von Leni und vielen anderen so zerstört zu sehen, sie so hilflos, ohne Ziel und Identität zu erleben, war für mich erschreckend.
Die eingeflochtene Liebesgeschichte und die Gedanken von Leni über das Leben sind nicht, wie der schreckliche Titel und das Cover vielleicht suggerieren möchten, alltäglich oder kitschig. Unheimlich feinfühlig, einfühlsam, lebensecht beschreibt Beate Teresa Hanika Leni's Gefühle, ihre klugen Erkenntnisse und lässt dadurch nicht nur traurigen, schlimmen Momenten Raum, sondern lebensbejahenden, Hoffnung gebenden, poetischen, lustigen. Einigen Passagen regen stark zum Nachdenken über eigene Träume und über die eigene Identität an.
Einzig allein der Schreibstil hat mich etwas gestört. Er ist ohne jede Frage ungewöhnlich und einzigartig, aber was mir bei „Rotkäppchen muss weinen“ noch so gefallen hat, war mir hier zu übertrieben und gewollt, zu abgehackt, kurz: Ein Lesefluss hat sich durch den Schreibstil kaum ergeben können.
Fazit:
Mich hat tief beeindruckt, was „Erzähl mir von der Liebe“ auf nur 160 Seiten alles ist: laut, leise, poetisch, desillusionierend, nachdenklich machend, komplex, lebendig. Es ist ein kleines Kunstwerk, dem ich gerne 9 von 10 Eulenpunkten gebe.