Katzenberge - Sabrina Janesch

  • Katzenberge
    Sabrina Janesch
    ISBN: 978-3351033194
    Aufbau Verlag
    272 Seiten, 19,95 Euro



    Über die Autorin: Sabrina Janesch studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim, außerdem Polonistik in Krakau. U. a. Gewinnerin des O-Ton Literaturwettbewerbes des NDR, Stipendiatin des Schriftstellerhauses Stuttgart und des LCB. Sie war erste Stadtschreiberin von Danzig und erntete dabei viel Medienaufmerksamkeit. Zurzeit arbeitet sie an ihrem zweiten Roman.


    Buchrückentext: Der Hass, die Angst und die Liebe Magisch, suggestiv und präzise erzählt Sabrina Janesch von nicht vergehender Schuld, von unheimlicher Heimat und einer wagemutigen Reise: Nach dem Tod ihres Großvaters erkundet die junge Journalistin Nele Leipert die Geschichte ihrer Familie. Sie verlässt Berlin und fährt nach Schlesien und schließlich nach Galizien, wo alles begann. Dort, am Ende der Welt, will sie einen alten Fluch bannen.


    Meine Meinung: Nele Leipert lebt in Berlin, doch ihre Wurzeln hat sie in Polen. Das merkt sie immer wieder. Als ihr geliebter Großvater stirbt, reist sie zur Beerdigung zurück in das kleine polnische Dorf in dem er lange Zeit lebte und in das er nach der Vertreibung aus Galizien umgesiedelt worden war.
    Nele, neugierig geworden durch die vielen kleinen Andeutungen auf die Vergangenheit des Opas, beschließt eine Reise in seinen Fußstapfen zu unternehmen.
    Sehr geschickt gelingt der Autorin diese Reise mit der des Großvaters Djadjo zu verknüpfen. Ausgangspunkt ist das kleine schlesische Dörfchen, in dem gerade die Beerdigung stattgefunden hat. Vor hier aus wird Neles Weg nach Galizien beschrieben und von hier aus wird in Rückblicken der Weg Djajos von Galizien verfolgt. So gesehen, starten beide am selben Punkt.


    Nele ist mit den Geistern der Vergangenheit aufgewachsen und immer wieder finden sich die düsteren Sagengestalten und der Aberglauben der Region in ihren Erlebnissen wieder. Sie glaubt nicht an die Dämonen, die den Hof der Großeltern bedrohten und die nur mit komplizierten Ritualen gebannt werden konnten – sie weiß einfach, dass es sie gibt und sie nimmt deren Existenz als ganz normal hin.
    Das wird so selbstverständlich erzählt, so ohne Übertreibungen und Schnörkel, dass man als Leser schon fast selbst bereit ist, es zu glauben. Wunderbar sind die einzelnen Figuren gelungen. Der eigensinnige und starrköpfige Opa, dessen Ruf schon zu Lebzeiten legendär war und die trotzige Enkelin, die sich nicht von den Verwandten aufhalten lässt, und die Partner und Job in Deutschland hinter sich lässt, um den Fluch zu bannen, der auf ihrer Familie liegen soll.


    Zum Schmunzeln regten mich die Vorurteile der Polen gegenüber den Deutschen oder den Galiziern an, denn so ähnliche Vorstellungen und Warnungen hat man hier über sie auch schon ausgesprochen gehört. Der Schreibstil ist wohltuend schnörkellos – Die Charaktere haben so eine große Eigenwirkung, dass sie nicht unnötig ausgeschmückt werden müssen.


    Die Erlebnisse während des Krieges, der Hunger, die Vertreibung, der Neuanfang in der Fremde, all das wird fast wertneutral und als Bestandteil der Vita des Großvaters erzählt. Gerade dadurch hatte das Buch auf mich eine sehr starke Wirkung.
    Es ist eine andere Welt in die man als Leser eintauchen darf und ich war Sabrina Janesch dankbar für diese Reise in die Vergangenheit, die so wunderbar und ganz anders daherkam, als alles, was ich bisher kannte. Ich habe Menschen kennen gelernt, die so oder so ähnlich ganz bestimmt existieren, da bin ich sicher - ich habe Landschaften gesehen, die irgendwie verwunschen auf mich wirkten und ich habe jede Minute auf dieser Reise/mit diesem Buch genossen.
    Vielen Dank für diese wunderbare Unterhaltung!

  • Vielen Dank Eskalina für diese wunderschöne Rezension an - ich habe das Buch für mich in der Stadtbücherei vormerken lassen und freue mich jetzt noch mehr aufs Lesen. Danke! :wave

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Sabrina Janesch legt mit „Katzenberge“ einen beachtenswerten Debütroman vor. Sie erzählt einerseits die Geschichte der Nele Leipert, die sich selbst als in Deutschland angekommen betrachtet, von den Deutschen und den Polen jedoch immer der anderen Seite zugeordnet fühlt. Viele der beiderseitig gängigen Vorurteile werden bedient und mit den dazugehörigen Klischees ad absurdum geführt. Die Autorin erzählt aber gleichzeitig die Lebensgeschichte von Neles Großvater. Mit Neles Reise ins frühere Galizien lichten sich nach und nach die Schleier, die über dessen Vergangenheit lagen. Durch die gekonnten Beschreibungen fühlt man sich als Leser schnell in die harte Nachkriegszeit hineinversetzt. Gelegentlich hatte ich den Eindruck, dass die verschiedenen Zeiten ineinander verlaufen, ebenso wie die Grenzen zwischen Realem und Mystischem. Diese etwas rätselhaften Elemente haben mich überhaupt nicht gestört, sie stehen für sich und sind nach der Lektüre des Buches selbsterklärend.
    Der Roman ist wegen der angenehmen Sprache und der unterschwelligen Ironie sehr gut und flüssig zu lesen. Er besitzt eine ganz eigene Spannung, die es einem schwer machte, das Buch zur Seite zu legen. Die Charaktere sind lebensnah, wenn auch nicht alle bis zur letzten Konsequenz für mich greifbar waren.
    Nicht anfreunden konnte ich mich mit den immer wieder im Buch vorkommenden polnischen Redewendungen und Floskeln. Auch ohne diese wären ihm weder Glaubwürdigkeit noch Authentizität verlorengegangen.
    „Katzenberge“ ist eine sehr schöne Reise in die Vergangenheit, in dieser Richtung wird die Geschichte erzählt. Schuld, Vertreibung, ein Familienfluch und die große Liebe einer Enkelin zu ihrem verstorbenen, geheimnisvollen Großvater sind die tragenden Pfeiler in diesem Roman, den ich mit viel Freude gelesen habe und gern anderen Lesern empfehle.

  • Eine junge Frau, halb Deutsche, halb Polin, fährt durch die im Nebel versunkene niederschlesische Landschaft: Nele Leipert ist auf dem Weg zum Grab ihres Großvaters. Ihre Gedanken schweifen in die Vergangenheit. Ihr geliebter „Djadjo“ war eigensinnig und der Nachtseite des Lebens ausgeliefert. Unablässig kämpfte er gegen Dämonen, die die Deutschen in Schlesien zurück ließen. Noch seine Enkeltochter steht im Bann der Geschichte. Nur eine Reise ins Gestern kann den Fluch bannen. Und so begibt sich Nele Leipert bis nach Galizien, an den Rand der Zeit. Dabei wird sie vom Erbe ihres Großvaters und einem schrecklichen Verdacht heimgesucht.


    AUTORIN:
    (Quelle: Aufbau)
    Sabrina Janesch studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim sowie Polonistik in Krakau. Sie ist u.a. Gewinnerin des O-Ton Literaturwettbewerbes des NDR, Stipendiatin des Schriftstellerhauses Stuttgart und des LCB. Als erste Stadtschreiberin von Danzig erntete sie viel Medienaufmerksamkeit. Für „Katzenberge“ wurde sie mit dem Mara-Cassens-Preis für das beste Romandebüt des Jahres, dem Nicola-Born-Förderpreis und dem Anna Seghers-Preis ausgezeichnet. 2011 war sie Stipendiatin im Ledig House/New York. Sie schreibt an ihrem zweiten Roman, der im Herbst im Aufbau Verlag erscheinen wird.


    EIGENE MEINUNG:
    Noch nie hatte ich so sehr das Gefühl, dass eine Geschichte meine eigene ist, wie bei Sabrina Janeschs Roman „Katzenberge“. Dabei habe ich außer, dass ich mit polnischen Hilfsarbeitern auf unserem Bauernhof aufgewachsen bin, an die ich aber nur vage Erinnerungen habe, da ich noch klein war, und einem viertägigen Aufenthalt zwischen Warschau und der russischen Grenze aufgrund der Hochzeit meines Cousins mit einer Polin, keinerlei Erfahrungen mit Polen. Auch die Tatsache, dass ich mich ein wenig mit der Protagonistin verbunden fühle, da auch ich einen Großvater mit viel Geschichte hatte, zu dem ich eine enge Bindung führte, ist nicht der springende Punkt warum ich so tief in den Roman hineingezogen wurde. Ich glaube es ist Sabrina Janeschs großartige Schreibe, die mich fasziniert, umschmeichelt und in die Geschichte hineingewoben hat, deren Bann ich mich nicht entziehen konnte und derentwegen ich das Buch, das zwar nicht so viele Seiten hat, aber dennoch so voll ist, kaum aus der Hand legen konnte. Wie ein magischer Sog hat es mich immer wieder zurück gezogen zu „Djadjo“ und den Dämonen seiner Vergangenheit, die so schwer auf seinen Schultern lasteten.
    Auf der Beerdigung ihres Großvaters bemerkt Nele Leipert, dass ihr „Djaddjo“ zwar viel aus der Vergangenheit erzählt hat, dass sie sich nun aber danach sehnt, diese Geschichten besser zu verstehen und als ihre eigene, die ihrer Ahnen, anzuerkennen. Sie begibt sich auf die Suche nach den Orten, an denen Stanislaw Janeczko halt gemacht hat auf seiner Flucht aus seiner Heimat Galizien. Für Nele ist es auch ein klein wenig eine Suche nach sich selbst und eine Reise, um vielleicht in ein neues Leben zu starten und auch mit ihren eigenen Dämonen klar zu kommen.
    Nele hatte immer ein enges Verhältnis zu ihrem Großvater. Er hat sie nicht dafür verurteilt, dass ihr Vater ein Deutscher ist und beiden teilen ihre Vorliebe für alte Traditionen und dem, was wir vielleicht Aberglauben nennen würden, was für Stanislaw und seine Frau Maria lange Zeit ein bestimmender Teil ihres Lebens war.
    Der ganze Roman ist belegt mit der Sehnsucht des Großvaters nach seiner alten Heimat, die er in einem sinnlosen Krieg voller Größenwahn, in dem man Menschen für ihre Andersartigkeit hinrichtete und Länder neu sortierte, verloren hat. Wut, Hass, Angst und Trauer der Menschen, denen man alles genommen hat, die bevormundet wurden und deren Leben bestimmt war durch den täglichen Kampf ums Überleben, wurden zu meinen eigenen Gefühlen.


    FAZIT:
    „Katzenberge“ ist ein Roman voller Intensität. Berührend, bewegend und fesselnd wie ein Krimi. Ein Buch, das die Dämonen der Vergangenheit aufarbeitet und mit ihnen abrechnet, verpackt in eine Handlung, die Gegenwart und Vergangenheit verbindet und solch einen magischen Sog auf mich ausübte, das ich nur ungern aus der Geschichte hinaus zurück gekommen bin, obwohl sie manchmal schwer auf meine Schultern drückte.

  • Ich bin von diesem Buch auch ziemlich angetan. Es gefällt mir immer, wenn es ein wenig mystisch wird, dass ich bei diesem Buch überhaupt nicht damit gerechnet hatte, machte es noch besser. Da tauchen plötzlich teuflische Gestalten auf, ohne dass die Erzählerin auch nur die mindesten Zweifel an deren Existenz äußert. Diese Stellen waren teilweise geradezu unheimlich.


    Man erfährt etwas über die Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg in Polen und der Ukraine und erlebt mit, wie es es den Menschen ging, die ihre Heimat verloren - wie sie Todesangst ausstehen mussten, sich durch einen wilden Fluss kämpfen und all ihr Hab und Gut, dass sie bis dahin noch mitgenommen hatten, am Ufer zurücklassen mussten, wie sie, nachdem sie tagelang herumgekarrt wurden, an einem fremden Ort, in einem fremden Land auf fremden Höfen ausgesetzt wurden - so, hier wohnt ihr jetzt - Höfe, deren Besitzer ebenfalls vertrieben worden waren, die sie jetzt einfach übernehmen sollten.


    Es ist eine Geschichte, die oft traurig macht, aber doch sind da immer wieder diese wunderbar beschriebenen Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen, die mich gerührt und zum Lachen gebracht haben und für die ich gehofft habe, und die Ich-Erzählerin in der Gegenwart, mit der es auch immer mal wieder lustig wird. Diese mochte ich überhaupt gern, sie ist sehr natürlich und dadurch liebenswert.


    Ich möchte nicht verschweigen, dass ich die Rückschau-Erzählweise manchmal etwas anstrengend fand, da fehlte mir ein wenig Tempo. Über die Länge eines Romans erfordert diese Erzählweise einiges an Geduld vom Leser.


    Insgesamt jedoch war es für mich ein schönes und besonderes Buch, und es freut mich besonders, dass es von einer so jungen Autorin (Jahrgang 1985) geschrieben wurde, da ich bezüglich des Alters immer leichte Vorbehalte habe - vielleicht habe ich die jetzt weniger.


    Laut Klappentext soll im Herbst ihr neuer Roman erscheinen.