'Die Pest' - Kapitel 1

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    Original von Voland
    ...
    Verwirrt hat mich die allgemeine Unkenntnis über die Pest zum Zeitpunkt der Handlung (20. Jahrhundert). Zwar wird später von einigen Ärzten eingeräumt, dass sie schon wissen, um was es sich da handelt, auch wenn sie es sich nicht anfangs nicht eingestehen wollen. Aber ist es glaubhaft, dass sonst niemand aus der Bevölkerung anhand der klaren Anzeichen (Pestbeulen etc.) erkennt, womit man es zu tun hat?


    Am ehesten Verdrängung, darin sind wir Menschen ja wirklich gut. Solange es irgend geht, lassen sie sich den normalen Tagesablauf nicht unterbrechen.


    Zitat

    Vielleicht zeigt sich hierin der allegorische Charakter der Pest, der zum Ende des Kapitels hin noch genauer erörtert wird: nicht nur für den Krieg oder andere Übel; sondern schlicht für Alles, was den Menschen unvorbereitet trifft, über ihn „hereinbricht“; dazu zählen auch Ideologien oder Ideen jedweder Art, und hierbei schweiften meine Gedanken auch immer wieder um die Anfänge des Christentums.


    Ich hatte diese Assoziation von Sodom und Gomorrah.

  • Vielleicht gehe ich jetzt zu weit, aber könnte die PEST nicht vielleicht ein Symbol sein für etwas ganz anderes? Der Roman wird in der Nachkriegszeit veröffentlicht.


    Die NS-Regime taucht auf. Erst ist es ganz ok, dass es die gibt, dann verschließt man die Augen - will sie nicht wahrhaben. Und dann passiert noch viel Schlimmeres - ähnlich wie sich die Pest verbreitet.


    Hattet ihr beim Lesen ähnliche Gedanken?

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    Original von Patricia_k34
    Vielleicht gehe ich jetzt zu weit, aber könnte die PEST nicht vielleicht ein Symbol sein für etwas ganz anderes? Der Roman wird in der Nachkriegszeit veröffentlicht.


    Die NS-Regime taucht auf. Erst ist es ganz ok, dass es die gibt, dann verschließt man die Augen - will sie nicht wahrhaben. Und dann passiert noch viel Schlimmeres - ähnlich wie sich die Pest verbreitet.


    Hattet ihr beim Lesen ähnliche Gedanken?


    Recht hast du. Genau das wollte ausdrücken.
    Die alttestamentliche Assoziation war nur so ein Gedanke meinerseits.


    Bevor ich den Roman gelesen habe, habe ich mir das bei mir abgedruckte Nachwort von Kurt Schnelle durchgelesen. Daher war eigentlich schon klar, was Camus uns sagen wollte...

  • So, ich habe nun endlich auch den ersten Abschnitt gelesen, was mir aus Zeitmangel früher nicht möglich war.


    Auffällig erschien mir Camus Kritik an den Behörden. Sie handeln nicht, wenn es erforderlich ist, sondern beschränken sich zunächst auf Theorien und wälzen das Problem theoretisch herum, während eigentlich längst Handlungsbedarf besteht.
    Zudem meine ich auch Kritik an dem System innerhalb der Behörden zu vernehmen. Es braucht Anweisungen für alles, keiner übernimmt Verantwortung, sondern handelt strikt nach dem, was andere ihm auftragen.
    Das passt natürlich hervorragend zu euren Anmerkungen zur NS-Zeit.


    Interessant fand ich zudem die Anspielung auf "Der Fremde", was in meinen Augen in dem kurzen Abschnitt über die Frau, die von einem Mord am Strand berichtet, deutlich wird. In "Der Fremde" ist dieser Mord und der anschließende Gefängnisaufenthalt ja u.a. Hauptgegenstand des Buches.


    Ich wusste übrigens auch nicht, dass es Oran wirklich gibt. Da muss ich gleich mal nachschauen...

  • Zitat

    Original von Mitsou
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    Interessant fand ich zudem die Anspielung auf "Der Fremde", was in meinen Augen in dem kurzen Abschnitt über die Frau, die von einem Mord am Strand berichtet, deutlich wird. In "Der Fremde" ist dieser Mord und der anschließende Gefängnisaufenthalt ja u.a. Hauptgegenstand des Buches.
    ...


    Das war mir nun wirklich etwas Neues, danke! Ich habe "Der Fremde" noch nicht gelesen, und so ist die Anspielung darauf völlig an mir vorbei gegangen.

  • Zitat

    Original von Mitsou
    Interessant fand ich zudem die Anspielung auf "Der Fremde", was in meinen Augen in dem kurzen Abschnitt über die Frau, die von einem Mord am Strand berichtet, deutlich wird. In "Der Fremde" ist dieser Mord und der anschließende Gefängnisaufenthalt ja u.a. Hauptgegenstand des Buches.


    Der Gedanke kam mir auch, allerdings liegt die Lektüre von "Der Fremde" schon etwas zurück, und um ehrlich zu sein habe ich den Großteil davon bereits vergessen. Wäre vielleicht eine erneute Lektüre wert. Momentan "quäle" ich mich parallel zur Leserunde noch durch "Der Mythos des Sisyphos", aber danach...

    Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
    - Wittgenstein -

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  • Ja, wenn man so will eine längere Abhandlung zur Frage, ob das Leben denn nun lebenswert ist, und ob auf die Erkenntnis, dass es keinen Sinn des Lebens gibt, nicht unweigerlich die Schlussfolgerung folgen müsste, Selbstmord zu begehen.


    Und anhand der Situation in Oran und der Pest schildert er im Prinzip nichts anderes als im Mythos des Sisyphos auch, die Absurdität der Menschen, dieser Hang zum Leben und dieser ständige Kampf gegen Windmühlen. Zumindest scheint es mir so!

    Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
    - Wittgenstein -

  • Zitat

    Original von Voland
    Ja, wenn man so will eine längere Abhandlung zur Frage, ob das Leben denn nun lebenswert ist, und ob auf die Erkenntnis, dass es keinen Sinn des Lebens gibt, nicht unweigerlich die Schlussfolgerung folgen müsste, Selbstmord zu begehen.


    Interessant :gruebel Vielleicht sollte ich mal eine Biographie über Camus lesen, wenn es so etwas gibt.


    Zitat

    Und anhand der Situation in Oran und der Pest schildert er im Prinzip nichts anderes als im Mythos des Sisyphos auch, die Absurdität der Menschen, dieser Hang zum Leben und dieser ständige Kampf gegen Windmühlen. Zumindest scheint es mir so!


    Stimmt, diese Stimmung schwingt in "Die Pest" auch, dieses "Wieso mache ich das überhaupt? Es ist doch sowieso sinnlos!" . Da musste ich schon stellenweise ganz schön dagegen halten, um mich nicht mit runter ziehen zu lassen. Nichts für Leute mit Sinnkrise!

  • Ich hatte in letzter Zeit viel um die Ohren, deshalb melde ich mich erst jetzt, sorry.


    Ich dachte auch, dass die Stadt Oran fiktiv ist. Wieder etwas dazu gelernt. ;-) Die Beschreibung mit den vermehrt auftretenden Ratten fand ich schon unheimlich. Aber irgendwie macht sich keiner was daraus außer Rieux.

  • Zitat

    Original von Vivian
    Ich hatte in letzter Zeit viel um die Ohren, deshalb melde ich mich erst jetzt, sorry.


    Ich dachte auch, dass die Stadt Oran fiktiv ist. Wieder etwas dazu gelernt. ;-) Die Beschreibung mit den vermehrt auftretenden Ratten fand ich schon unheimlich. Aber irgendwie macht sich keiner was daraus außer Rieux.


    Aber auch Rieux braucht relativ lange, bevor er reagiert und aktiv wird.
    Das Hervorkommen der Ratten war wirklich eklig, so als käme der ganze Schmutz aus der Kanalisation. Und die Ratten kommen aus dem Verborgenen ans Licht, werden plötzlich für die Menschen sichtbar. Grausige Vorstellung!

  • Zitat

    Original von Patricia_k34
    Jetzt sehe ich die Rattenfallen, die manchmal auf meinem Weg liegen, bestimmt noch einmal mit ganz anderen Augen. *schüttel*


    Du siehst auf deinem Weg Rattenfallen? :yikes
    Oder war das vielleicht Symbolismus?

  • 1. Kapitel
    Hat 55 Seiten, spielt in Oran, Nordafrika, franz. Hoheitsgebiet. Im Jahre 194x.
    Es wird die Stadt als häßlich beschrieben, dazu lernt man noch verschiedene Leute kennen, ua den Erzähler, Dr. Bernard Rieux. Das Leben fließt so vor sich hin.
    Dann sterben in der Stadt die Ratten, sie liegen überall herum. Die Zeitungen berichten darüber, es wird darüber erzählt. Kurz darauf sterben die ersten Menschen, sie zeigen Symtome, die selbst mir als Laiem eindeutig als Pestzeichen bekannt sind. Darüber berichten die Zeitungen nicht, da die Menschen im Privatem sterben. Ein befreundeter Arzt kommt zu Dr. Rieux und spricht als erster den Verdacht Pest aus. Der örtliche Präfekt läßt die Ärzte zusammenkommen und als genau dieser Arzt unumwunden von der Pest spricht schweigen alle. Dr. Rieux umschreibt die Krankheit und der Präfekt beschließt ein paar sinnlose Maßnahmen, sonst wartet er auf Anordnungen von Frankreich. Ein paar Impfstoffe kommen, es reicht aber hinten und vorne nicht. Die Anzahl der täglichen Toten schwankt, am Ende des ersten Kapitels sind es über 30 pro Tag. Dann kommt ein Telegramm aus Frankreich: Pestzustand erklären, Stadt schließen.

    Wenn mein Kopf auf ein Buch trifft, klingt es hohl. Das muß nicht immer am Buch liegen...
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Zitat

    Original von HeikeArizona
    ...
    Es wird die Stadt als häßlich beschrieben, dazu lernt man noch verschiedene Leute kennen, ua den Erzähler, Dr. Bernard Rieux.
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    Ich fand die Beschreibung der Stadt gar nicht so hässlich, sondern eher, dass die Gleichgültigkeit und Passivität der Einwohner sie hässlich macht, ihr Desinteresse an allem, was außerhalb des eigenen Tellers liegt.


    Hast du hier im ersten Kapitel vermutet, dass Rieux der Erzähler sei?

  • Vermutet?
    Nee, wieso denn?


    Das war doch von Anfang an eindeutig.
    Es wird aus seiner Sicht erzählt, es wird nur erzählt, was er weiß, mit wem er redet, da mußte ich doch nicht nachdenken :grin


    Erst nachdem ich hier meinen Senf abgegeben habe, habe ich bei Euren Kommentaren überhaupt erst mitbekommen, daß es angeblich ein Geheimnis sein soll.
    Bei Tante Wiki steht es auch so drin :lache

    Wenn mein Kopf auf ein Buch trifft, klingt es hohl. Das muß nicht immer am Buch liegen...
    (Georg Christoph Lichtenberg)