Verlag: Ammann Verlag, 2009
Gebundene Ausgabe: 132 Seiten
Originaltitel: Ja tschetschenez
Aus dem Russischen von Franziska Zwerg
Kurzbeschreibung:
Wenn du Tschetschene bist, mußt du deinem Feind eine Unterkunft für die Nacht anbieten, du mußt für die Ehre eines Mädchens sterben, du darfst nicht weglaufen, auch wenn du tausend Gegnern gegenüberstehst. Und du darfst niemals weinen, außer wenn deine Mutter stirbt. Doch wenn du in Rußland keinen Wohnsitz anmelden kannst, ständig als »Schwarzarsch« beleidigt und als Terrorist verdächtigt wirst, nur weil du in Tschetschenien geboren bist, dann weißt du: Auch wenn es schwer ist, Tschetschene zu sein, ist es doch unmöglich, kein Tschetschene zu sein. Sadulajews Roman ist der erste literarische Versuch, die tschetschenische Tragödie aus dem Inneren heraus zu begreifen.
Über den Autor:
German Sadulajew, 1973 als Sohn einer Russin und eines Tschetschenen in Tschetschenien geboren, hat u.a. auf dem Bau, in einem vegetarischen Restaurant und bei einer indischen Tabakkompanie gearbeitet. Er hat ein Jurastudium in St. Petersburg absolviert und arbeitet heute dort als Rechtsanwalt.
Meine Meinung:
Schon das Cover mit dem zersplitterten Spiegel gibt die Thematik vor. Die Zerstörungen durch den Tschetschenienkrieg ist in deutscher Übersetzung selten literarisch verarbeitet worden.
Dieser kurze Roman lässt sich frei von Ideologien lesen, denn die oben im Klappentext erwähnte tschetschenische Tragödie des Krieges wäre theoretisch auch für andere Länder denkbar. Kriegsleiden sind universell. Allerdings sind die Bedingungen in Tschetschenien mit dem kontinuierlichen Verstoss gegen Menschenrechte sowie „Säuberungen“ in der Zivilbevölkerung schon außergewöhnlich und erschreckend. Die Zerstörung von weiten Teilen des Landes und die vielen Opfer verursachte eine desolate Verfassung der Bevölkerung. Der fatale Nationalstolz lässt die Tschetschenen außerdem zusätzlich in eine katastrophale Rolle fallen.
Das Buch ist ein Ereignis, da die Sprache so ausdrucksstark ist, fast elektrisierend.
Der Text ist von autobiographischen Ereignissen geprägt. Der Autor würde gerne über etwas anders schreiben, einen konventionellen Roman, aber er ist in einem Zustand, der nichts anderes mehr zulässt als die Klage und Empörung.
„Ich bin Tschetschene. Ich kann keine Angst mehr haben. Bei uns ist der Bereich des Gehirns, der für die Angst verantwortlich ist, vollständig verkümmert. Ihr könnt mich umbringen, früher oder später, ihr oder sonst wer, wir sind bereits alle tot, und Tote haben keine Angst vorm sterben.“ (Seite 138)
„Ich bin Tschetschene“ ist ein Buch, wie man es nicht alle Tage liest. Eine innere Zerrissenheit als poetische Sprache, so schmerzhaft wie bewundernswert zu lesen!