Am Ende eines Sommers - Isabel Ashdown

  • Allgemeines:
    Gebundene Ausgabe - 305 Seiten
    erschienen im Eichborn Verlag 2010
    Original: Glasshopper
    wurde vom London Evening Standard und Observer als bestes Buch des Jahres 2009 ausgezeichnet


    Über die Autorin:
    Isabel Ashdown, geboren 1970, lebt mit ihrer Familie in West Sussex, Südengland. "Am Ende eines Sommers" ist ihr Debütroman. 2008 gewann sie mit einem Auszug aus diesem Buch den Schreibwettbewerb der Mail on Sunday. ZurZeit arbeitet die Autorin an ihrem zweiten Roman.


    Kurzbeschreibung (Klappentext):
    Südengland, Ende der Sechziger Jahre:
    Mary und Rachel sind Schwestern an der Schwelle zum Erwachsensein, unbekümmert und süchtig nach Leben. Rachel ist immer ein paar Schritte voraus, doch dann entflieht ausgerechnet Mary, die Jüngere, ihrer Kindheitswelt so vehement, dass ihre Familie sie verstößt und die geliebte Schwester den Kontakt abbricht. Die beiden ahnen nicht, dass sie sich erst viele Jahre später wiedersehen werden.


    Portsmouth, 1985:
    Jake ist dreizehn, als seine Eltern sich trennen und er sein Leben selbst in die Hand nehmen muss. Seine Mutter Mary ist eine liebevolle, aber tief verletzte Frau, sein kleiner Bruder eine Nervensäge. Doch Jake lässt sich seine Träume nicht nehmen: Er trägt Zeitungen aus, spart für eine Hi-Fi-Anlage, verknallt sich in seine junge Lehrerin - und als dann plötzlich seine Tante Rachel auftaucht, von deren Existenz Jake gar nichts wusste, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Doch mit Rachel kehrt nicht nur die Hoffnung zurück, sondern auch ein lang gehütetes Familiengeheimnis....


    Eigene Meinung:
    Wer kennt sie nicht, Menschen, die anscheinend ihr Leben nicht richtig in den Griff bekommen? Menschen, bei denen es weniger sauber und ordentlich ist? Mütter/Väter, die nie auf einem Elternabend erscheinen, offensichtlich ihre Kinder vernachlässigen? Menschen, die schon vormittags eine Fahne haben, nach außen einen fraglichen Lebenswandel führen - ohne Scham zu zeigen womöglich noch - und mit ihrer zur Schau getragenen Leidensmiene andere mit in die Tiefe ziehen? Schauen wir nicht alle irgendwie auf diese Menschen herab und verstehen nicht, warum sie nicht so sind wie wir? Nachdem man Isabel Ashdowns "Am Ende eines Sommers" gelesen hat, wird sich dieses wahrscheinlich ändern, denn man lernt Mary, die Hauptprotagonistin dieses bewegenden Romans, genau so kennen.
    Mitte der 80er Jahre lebt die junge Frau alleine mit zwei ihrer Söhne in Portsmouth. Matthew, ihr Erstgeborener, ist kurz zuvor von zu Hause ausgerissen und auch Ehemann Bill hat das Leben mit der depressiven und alkoholabhängigen Frau nicht länger ausgehalten. In dieser Situation weiß der 13jährige Jake sich keinen anderen Rat und versucht die Verantwortung für die Mutter und den jüngeren Bruder zu übernehmen. Welche Belastung das für den Teenager bedeutet, verdeutlicht Isabel Ashdown, indem sie ihn selbst zu Wort kommen lässt. Die Hälfte des Romans wird aus seiner Sicht erzählt, und zunächst ist der Leser bereit die Mutter für ihr unverständliches Verhalten zu verurteilen. Dieses verhindert die Autorin dadurch, dass die andere Hälfte der Geschichte von Mary selbst erzählt wird und dieses im steten Wechsel mit Jake. Während der Junge die aktuelle Situation der Familie verdeutlicht, beginnen Marys Erzählungen in ihrer Kindheit, in der besonders ihre Schwester Rachel eine bedeutende Rolle spielt, und erstreckt sich bis zu dem Zeitpunkt, an dem beide Handlungsstränge zusammentreffen. Bis dahin hat sich für den Leser nach und nach eine Geschichte voller kleiner Puzzlestücke zu einer Einheit zusammengefügt; Puzzlestücke voller Leid und Freud und vielen Überraschungen. Hierbei lässt Isabel Ashdown dem Leser viel Raum für Vermutungen und Spekulationen, denn zwischen den einzelnen Ausführungen klaffen Lücken. Nicht jede begonnene Situation wird direkt geklärt, manches erschließt sich erst viel später oder muss sich der Leser selbst zusammenreimen. Dadurch entsteht ein Sog, eine unterschwellige Spannung, obwohl die Geschichte eigentlich nur vor sich hinplätschert. Bei der Beschreibung von Stimmungen beweist die Autorin ein besonders gutes Händchen. Obwohl die Situation der Familie zu Beginn alles andere als rosig ist, gibt es auch überaus glückliche Momente und gerade hier versteht es die Autorin mit den Gefühlen der Leser zu spielen, denn so schön sie auch gerade diese glücklichen Momente beschreibt, so lässt sie den Leser nie die dunkle Wolke am Horizont, nämlich das lang gehütete Familiengeheimnis, gänzlich vergessen.
    "Am Ende eines Sommers" ließ mich am Ende nachdenklich zurück und beschäftigt mich auch weiterhin. Das Buch ist leicht und flüssig zu lesen, enthält aber schwere Kost, die sich im Kopf festsetzt und den Wunsch entstehen lässt, die entstandenen Eindrück mit jemandem zu teilen. Von mir also hiermit eine ausdrückliche Leseempfehlung.

  • Ich habe recht lange an diesem Buch hingelesen, obwohl es nicht sonderlich dick ist. Leider habe ich mich mit dem Buch schwer getan, nicht mit dem Schreibstil, der flüssig und gut zu lesen, die Autorin vermag es Stimmungen und Bilder einzufangen, ich bin mit der Handlung nicht klar gekommen. Ich habe weder die Mutter noch den Vater verstanden, auch nicht, wie es hat so weit kommen können. Vielleicht habe ich nicht genau gelesen, aber für michging die Autorin zu wenig in die Tiefe. Das Ende hat mich auch etwas ratlos zurück gelassen - nicht wie es ausging, das ist klar, sondern weshalb die Familie, vor allem der Vater, so reagiert. Und diese Frage stellte ich mir das gesamte Buch über.

  • @ Kristin: danke für die Rezi, ich bin auf das Buch sehr gespannt, ich hatte es mir aufgrund der schönen Rezi von Sternenputzer gekauft.
    Ich habe die ersten Seiten angelesen und fand die sehr ansprechend, so dass es wohl eines meiner nächsten Bücher sein wird. Ich hoffe, mir gefällt es besser als dir!

  • Kristin
    Ich glaube, Du beschreibst genau die Gründe, warum mich das Buch auch nach dem Lesen noch so beschäftigt hat. Ich konnte auch teilweise sehr schwer nachvollziehen, warum die Personen in dem Buch so handeln wie sie handeln. Es gibt auch jetzt noch Szenen und Situationen, wo ich überlege, ob sie nun für das Buch eine Bedeutung haben oder nicht.
    Oft, besonders aber zum Ende hin, habe ich mir gewünscht, ich hätte dieses Buch in einer Leserunde gelesen, weil ich mich gerne mit anderen Lesern ausgetauscht hätte. Umso mehr freue ich mich jetzt über Deinen Kommentar :wave.
    Ich selbst denke, dass die Autorin auf diese Weise die Unberechenbarkeit von Marys Stimmungsschwankungen (Depression) verdeutlichen wollte und somit auch die Hilflosigkeit der Familie. Sie hat nichts "schön" geschrieben und mich gezwungen mich mit dem Buch auseinanderzusetzen. Ja, irgendwie hat es mich auch gefordert, und das mag ich. Für mich ist es somit ein gutes Buch, aber kein angenehmes.

  • Zitat

    Original von Cookiemonster
    @ Kristin: danke für die Rezi, ich bin auf das Buch sehr gespannt, ich hatte es mir aufgrund der schönen Rezi von Sternenputzer gekauft.
    Ich habe die ersten Seiten angelesen und fand die sehr ansprechend, so dass es wohl eines meiner nächsten Bücher sein wird. Ich hoffe, mir gefällt es besser als dir!


    Dann warte ich deine Rezi einfach noch mal ab, bevor ich mich zum Kauf entscheide. :wave

  • Sternenputzer


    Ja, genau nicht angenehm. Das Buch ließ mich mit einem unzufriedenen Gefühl zurück. Nicht, weil ich nichts verstanden hätte, man versteht schon, aber ich konnte die Handlungen der Personen (nicht die Handlung selbst!)einfach nicht nachvollziehen. Und ja, eine Leserunde hätte mir da möglicherweise einiges gebracht. Zumindest kann man sich dort austauschen und diskutieren.


    Cookiemonster


    Ich bin gespannt, wie deine Meinung zu dem Buch sein wird.

  • Ich habe für dieses Buch etwas länger gebraucht, gerade wegen der Handlung. Mary konnte ich schon "verstehen". Sie leidet, wie auch schon ihre Mutter, an Depressionen. Das damals, noch viel weniger als heute, über Depressionen nicht gesprochen wurde, wird einer der Gründe sein, warum man viele Beweggründe von Mary und Bill nicht nachvollzogen werden können. Nur beim Schluss konnte ich der Handlung bzw. das Handeln von Bill nicht nachvollziehen. Für mich auf jeden Fall ein sehr gutes Buch.

  • Ich habe das Buch letzte Woche fertig gelesen. Auch ich habe ein wenig länger dafür gebraucht (obwohl es nur 300 und ein paar Seiten sind), aber teilweise war die Handlung ja schon bedrückend - so bedrückend, dass ich andauernd das Schlimmste erwartet habe.
    Dennoch hat mich das Buch, obwohl es ein alltägliches Leben beschreibt, in seinen Sog gezogen, ich musste weiter lesen.
    Das Thema des Buches würde ich als "Empfindsamkeit" beschreiben. Beide Protagonisten, deren Geschichten erst getrennt erzählt werden und später zusammen laufen, sind sehr feinfühlig, eine davon zerbricht am Leben.


    Ich fand die Erzählweise sehr originell gewählt und auch klug, da sie auch auflockernd wirkte, bei der schweren Thematik. Glücklicherweise hat das Buch wenn auch nicht direkt heitere, so doch lichte Momente
    Zudem fand ich die Protagonisten zum Großteil berührend und nachvollziehbar und es sind teilweise richtig Bilder in meinem Kopf abgelaufen.


    Trotzdem fand ich, dass der letzte Schliff fehlte. Die Autorin schreibt selbst, dass sie erst dabei ist, ihren Master in Creative Writing zu absolvieren. Ich finde, das merkt man teilweise, manche Adjektive und Beschreibungen (gerade von Jake, der 13-14 ist) fand ich zu künstlich und aufgesetzt, dafür dass die Erzählperspektive die persönliche Rede ist. Zudem ähneln sich beide Erzählperspektiven stilistisch sehr.


    Das ist aber mein einziger Kritikpunkt, und wenn man bedenkt, dass dieser Roman der Erstling der Autorin ist und sie immer noch in der Schriftstellerausbildung steckt (und auch noch nicht lange schreibt), dann kann man sich sehr auf ihre nächsten Bücher freuen.


    8 von 10 Punkten.