Meine Ausgabe im Taschenbuchformat von Heyne enthält 2 Romane:
- Das Tagebuch der Jane Somers (OT: The Diary of a Good Neighbour)
- Die Liebesgeschichte der Jane Somers (OT: If the Old could...)
Ich möchte hier jedoch erstmal nur über das Tagebuch schreiben. Die Romane sind von 1983/84.
Über die Autorin:
Doris Lessing, geboren 1919 im Iran, lebt seit längerem in England, erhielt 2007 den Nobelpreis für Literatur. Viele Menschen kennen dank der Bild-Bestseller-Ausgabe ihren Roman „Das fünfte Kind“, das sie eigentlich unter ihrem Pseudonym Jane Somers veröffentlichte, wie zahlreiche andere Bücher auch.
Unter Literaturwissenschaftlern gilt „Das goldene Notizbuch“ jedoch als ihr Hauptwerk. Es gäbe noch so viel über diese Schriftstellerin zu sagen, aber bitte lest doch den Artikel bei Wikipedia, ich finde ihn wirklich sehr gut.
Inhalt:
Die stellvertretende Herausgeberin der Frauen-Zeitschrift „Lilith“ Jane Somers, von allen außer ihrer Verwandtschaft „Janna“ genannt, ist 49 Jahre alt, als sie beginnt, ihr Tagebuch zu führen.
Auf den ersten Seiten schreibt sie eine kurze Zusammenfassung von ihrem bisherigen Leben, vor allem dass ihr Mann Freddie und 2 Jahre danach auch ihre Mutter, die sie nach dem Tod ihres Mannes bei sich aufgenommen hatte, jeweils an Krebs verstorben sind.
Da sie jedoch schon immer völlig in ihrer Karriere und ihrer Kleidung aufging, bekam sie nicht wirklich viel davon mit; außerdem hielten alle immer alles Schreckliche von ihr fern; von ihr, der Kind-Frau, Kind-Tochter…
Durch einen Sinneswandel, der sowohl mit ihrem eigenen Älterwerden als auch dem schlechten Gewissen ihrer verstorbenen Lieben gegenüber entsteht, beschließt sie, sich sozial zu engagieren, und zwar vorzüglich bei älteren Leuten.
Sie meldet sich auf eine Zeitungsannonce „Möchten Sie sich um einen alten Menschen kümmern?“ und trifft sich mit einer Betreuerin bei einer alten Dame – die sie furchtbar findet und schließlich die Sache erstmal wieder abhakt.
Dann lernt sie jedoch in einer Apotheke die „alte Hexe“ kennen: Maudie Fowler. Mit der über 90-jährigen schließt sie nun eine etwas andere Art der Freundschaft… und die Geschichte beginnt.
Meine Meinung:
Meine Güte, dieses Buch hat mich richtig runtergezogen. Es wird mir gut tun, diese Rezi zu schreiben und das Gelesene so buchstäblich zu verarbeiten.
Janna und Maudie begegnen sich bereits auf der 14. Seite des Buches (meine Ausgabe ist ein Doppelband und enthält außerdem noch „Die Liebesgeschichte der Jane Somers), somit steigt die Schriftstellerin quasi sofort in das hauptsächliche Geschehen ein. Doch das hat es wirklich in sich.
Janna besucht Maudie in ihrer Wohnung, einer Sous-Terrain-Bruchbude, in der sie ein (in unseren Augen) unmenschliches Leben in Dreck, Gestank und Verwahrlosung zusammen mit ihrer Katze führt.
Sehr bildlich und berührend, ja, eigentlich schon beängstigend und beklemmend beschreibt Doris Lessing alias Jane Somers die Lebenssituation der 92-jährigen.
Weitere Rollen spielen ihre Schwester Georgie, ihre Nichte Jill, ihre Freundin Joyce, eine Sozialarbeiterin namens Vera und zwei weitere alte Damen, die Janna auch gelegentlich besucht.
Niemand in Jannas Umfeld kann nachvollziehen, warum sie sich für eine „Fremde“ derartig abschuftet: für sie einkauft, für sie putzt, die besudelten Klamotten und nicht zuletzt Maudie selbst wäscht.
Natürlich ekelt sich Janna nicht wenig, aber sie zieht es durch, für ihre Freundin. Und für sich selbst.
Die anderen nennen sie neurotisch – weil sie sich um einen alten Menschen kümmert.
Diese beiden Charaktere sind mir so nahe gegangen, wie es mir nur selten passiert ist, da sich alles derart lebensnah abspielt. Für mich ist Doris Lessing eine ganz, ganz großartige Schriftstellerin!
Frauenliteratur, aber 100% keine leichte Kost, nicht zu empfehlen für zarte Gemüter!