Miriam Toews – Kleinstadtknatsch
Verlag: Berliner Taschenbuch Verlag
TB: 270 Seiten
OT: A Boy of Good Breeding
Übersetzer: Christiane Buchner
Inhalt
Hosea Funk, der Bürgermeister des kleinen Städtchens Algren, fiebert dem Besuch des Premierministers entgegen. Der kommt aber nur dann, wenn Algren wirklich die kleinste Stadt Kanadas ist. Dafür sind genau 1500 Einwohner nötig, nicht mehr und nicht weniger. Hosea denkt scharf nach: Bekommt nicht Veronica Epp bald Drillinge??! Dann ließe sich doch der Aussiedlerhof an der Stadtgrenze ausgemeinden. Hosea kämpft nach Kräften für die 1500, aber natürlich kommt ihm das Leben immer wieder dazwischen.
Autor
Miriam Toews wurde 1964 in Steinbach geboren, einer Mennonitengemeinde in der kanadischen Provinz Manitoba. Sie studierte Geisteswissenschaften und Journalismus und lebt heute als Journalistin und Autorin in Winnipeg.
Meinung
Algren war die kleinste Stadt Kanadas. Das ist kein Witz. Kleinste Stadt Kanadas, so stand es auf der großen, altmodischen Werbetafel vor der Stadt. Knute hatte extra auf den offiziellen Verwaltungsseiten im Telefonbuch nachgelesen: Ab fünfzehnhundert Einwohnern sprach man von einer Stadt.. Und genau so viele hatte Algren. Einer weniger, und es hätte als Dorf, einer mehr, und es hätte als x-beliebige Kleinstadt gegolten, als eine unter vielen. Die kleinste zu sein, das hob Algren aus der Masse heraus.
Neben Hosea Funk, dem Bürgermeister, geht es auch um die vierundzwanzigjährige Knute, die nach Hause zurückkehrt, nachdem ihr Vater einen Herzinfarkt erlitten hat. Knute kommt nicht allein, sie bringt ihre kleine Tochter Summer Feelin mit. Zu Hause passt Knute auf ihren Vater auf, der nun eine Depression hat und manchmal verwirrt ist. Doch Dori, Knutes Mutter, schickt Knute bald los, um sich Arbeit zu suchen, und die findet Knute bei Hosea. Er lässt sie Briefe schreiben, das Telefon überwachen, lauter Kleinigkeiten, nichts besonders, denn Hosea hat unheimlich viel zu tun, er muss seine Einwohner überwachen, rennt von einem Haus zum anderen und jeden Tag ins Krankenhaus, um zu sehen, ob sich die Einwohnerzahl von 1500 hält. Er rechnet und überlegt, gemeindet aus und wieder ein – und die Frau, die er liebt und die zu ihm ziehen möchte, darf nicht, weil sonst die Einwohnerzahl zu hoch wird. Knute trifft in ihrem Heimatort nicht nur auf Summer Feelins andere Oma, Mähdrescher-Sue, die sich ständig bis zur Besinnungslosigkeit besäuft, sie begegnet auch Max, ihrer großen Liebe und Summer Feelins Vater.
Wie das alles zusammen hängt, wie die Leute miteinander auskommen, wie sie Beziehungen aufbauen und beenden, und wie sie zu dem wurden, was sie jetzt sind, wird auf wunderbare, witzige Weise von Miriam Toews erzählt. Eigentlich passiert nicht viel in dem Buch, das voller Poesie und Humor steckt, und doch passiert ständig etwas, lauter kleine Alltäglichkeiten, die zu lesen unheimlich viel Spaß machen.
Durch die eingeschobenen Rückblicke auf die Vergangenheit der Leute erfährt der Leser nicht nur, weshalb Hosea Funk unbedingt möchte, dass Algren die kleinste Stadt ist, warum sich Mähdrescher Sue ständig betrinkt und Knute und Max sich auf so komplizierte Weise annähern, er erlebt auch das Miteinander und Gegeneinander in einer kanadischen Kleinstadt, und die Sorgen und Freuden der einzelnen Figuren.