"Bangkok Noir" von Roger Willemsen, Ralf Tooten
ISBN: 3100921062
Erscheinungsjahr: 2009
Verlag: S. Fischer
Seitenzahl: 365
Über den Autor:
Roger Willemsen, Jahrgang 1955, studierte Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte, bevor er zum Fernsehen ging und Sendungen wie 0137, Willemsens Woche, Echo-Klassik-Gala, Literaturclub u.a. moderierte.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich der Grimme-Preisträger für soziale Projekte, darunter Amnesty International, UN-Flüchtlingshilfe, die sich in seinen Büchern wiederfinden.
Roger Willemsen ist Verfasser zahlreicher Bücher, z. Bsp."Deutschlandreise",
"Hier spricht Guantanamo", "Afghanische Reise", "Knacks".
Über den Inhalt:
Der Deutsche Roger Willemsen streifte mit dem in Thailands Hauptstadt lebendem Fotografen Ralf Tooten drei Monate lang jede Nacht durch Bangkok und versucht mit dem vorliegenden Band ein Porträt des Molochs Bangkok zu zeichen, das geprägt von Nachtmärkten, Prostitution, Kickboxern und Hahnenkämpfen ist.
Meine Meinung:
Gute Ideen und das Thema Reisen scheinen Roger Willemsen nie losgelassen zu haben und so verwundert es nicht, dass sich der
bekannte Autor auf die andere Seite der Erdkugel begeben hat, um in das Nachtleben Bangkoks einzutauchen und dem deutschen
Publikum von seinen Erlebnissen zu berichten.
Herausgekommen ist ein üppiger Bildband, in dem Fotos und Text gleichgewichtet nebeneinanderstehen und versuchen, das, was
die Bewohner und Touristen gleichermaßen bewegt, einzufangen.
Bewusst distanziert beschreibt Roger Willemsen das Leben von Angestellten, deren Lohn nicht ausreicht, um sich eine Unterkunft zu leisten und die nachts im Auto schlafen, um morgens im anzug ins Geschäft zu gehen, von Prostituierten, die jeden vermeintlichen Kunden, vornämlich Ausländer anbetteln, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, damit sie ihre Familie auf dem Land ernähren können, von Frauen, die nachts mit ihren mobilen Suppenküchen durch die Straßen ziehen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
In ihrer Gänze vermögen die Schilderungen jedoch nicht zu überzeugen, denn wie schon in seiner "Deutschlandreise" schafft Roger Willemsen trotz hohen sprachlichen Könnens seinen Intellektualismus und seine Überlegenheit nicht abzulegen.
So kommt er seinen nächtlichen Protagonisten nicht nur nicht nahe, sondern schafft eine zusätzlichen Abstand, der die Begegnungen blass und oberflächlich erscheinen lässt. Einzig und allein dem fotografischen Geschick Ralf Tootens ist es zu verdanken, dass in Bangkok Noir die Begegnungen nicht gesichtlos bleiben, weil die Fotos den Biografien etwas Bleibendes verleihen.
Nur wenige Momentaufnahmen in diesem Band schaffen es letztlich,
ein wenig innezuhalten und den Leser in eine melancholische Stimmung zu versetzen, so z.B. wenn Willemsen von den geduldeten, unter Drogen gesetzten und als heilig geltenden Großstadtelefanten schreibt oder von seinem Besuch bei einem der weltweit bekanntesten Tätowierer berichtet, dem kein Motiv zu schwer zu sein scheint und der nachts in seinem Tätowierstudium zu Höchstform aufläuft.
In diesen seltenen atmosphärischen Augenblicken erahnt man,
dass Willemsen sich auf die Stadt der Engel völlig eingelassen hat und man sich am Ende dieses Bildbandes mehr von diesen besonderen Momenten gewünscht hätte.
Edit: Vergessenes Wort eingesetzt.