"Liebste Tess"
Rosamund Lupton
Gebundene Ausgabe 383 Seiten; € 19,95
Hoffmann & Campe-Verlag Hamburg
Engl. Originaltitel: "Sister"
Verlag Piatkus London
Übersetzer: Barbara Christ
Klappentext:
Tess und Beatrice sind ein ungleiches Schwesternpaar. Es trennen sie nicht nur etliche Jahre, sondern auch ihre Lebensart und -einstellung. Dennoch vergeht kein Tag, an dem die Londoner Kunststudentin und die New Yorker Karrierefrau sich nicht mindestens mailen. Umso grösser ist der Schock für Beatrice, als man ihre zunächst als vermisst gemeldete Schwester tot im Hyde Park findet. Beatrices tiefe Trauer mischt sich mit Wut, als ihre Versuche, die Polizei von ihrer "absurden" Selbstmordtheorie abzubringen, scheitern. Verzweifelt tritt Beatrice die Flucht nach vorn an. In einem langen, ergreifenden Abschiedsbrief an Tess schildert Beatrice, wie sie, von Schuldgefühlen und Kummer gequält, geradezu besessen ermittelt. Dabei kommt sie nicht nur der Wahrheit immer näher, sondern auch sich selbst - bis sie einen grossen Fehler macht.
Zur Autorin:
Rosamund Lupton studierte in Cambridge und arbeitete als Werbetexterin sowie Rezensentin für die Literary Review. Sie schrieb zahlreiche Drehbücher für Film und Fernsehen, von denen einige ausgezeichnet wurden. Liebste Tess ist ihr erster Roman. Sie lebt mit ihrer Familie in London.
Meine Meinung:
Die Protagonistin Beatrice -Bee-, eine vernunftgesteuerte Karrierefrau, erhält die schreckliche Nachricht, dass ihre jüngere Schwester Tess vermisst und später tot aufgefunden wird. Trotz grosser räumlicher Entfernung stehen sich die Schwestern beinahe symbiotisch nahe und kennen sich, wie sonst niemand sie kennt.
Deshalb hält Bee unerschütterlich daran fest, dass Tess sich niemals selbst umgebracht hätte, wie die Polizei glaubt, sondern Opfer eines Verbrechens wurde. Die quälende Frage "Warum" lässt sie selbst recherchieren und ermitteln. Schliesslich bringt sie Unglaubliches zutage und sich selbst in grösste Gefahr.
Ausser dieser greifbaren Gefahr und der Tatsache, dass Tess gewaltsam starb, gibt es in diesem Roman keinerlei krimitypische Action oder Gewalt. Dennoch baut sich eine Spannung auf, die wenig mit Angst, aber sehr viel mit Herzklopfen und mit-leiden zu tun hat.
Die Autorin schreibt flüssig, ruhig, fast "leise" und dennoch hat die Geschichte ein Tempo, das keinen Augenblick Langeweile aufkommen lässt und mich 383 Seiten lang gefangen nahm.
Die Protagonistin Bee beschreibt in einem langen Brief an ihre tote Schwester ihre Recherchen und ihren Kampf um die Wahrheit von dem Moment der Vermisstenmeldung an, erzählt eindringlich und erschütternd von ihrer emotionalen Achterbahnfahrt, wie ihr bisheriges geordnetes Leben und ihr Selbstbild langsam zerbröckeln.
Der Leser erhält tiefe Einblicke in die gemeinsame Kindheit und prägende Ereignisse, die die beiden Schwestern so sehr zusammen geschweisst haben. Man erfährt - erlebt - die unerschütterliche Intensität der schwesterlichen Bindung; die ganze Bandbreite von quälenden Schuldgefühlen, Selbstvorwürfen, unerträglicher Trauer und namenloser Wut, die Bee an ihre psychische und physische Grenze bringt. Faszinierend war für mich, dass Bee nicht einen Augenblick lang an der Schwester die sie kannte und liebte, gezweifelt hat.
Liebste Tess ist ein Buch, das mich tief berührt und gefangen genommen hat. Durch die klare, schnörkellose Sprache wurde diese Wirkung nur noch intensiver und ich habe das Gefühl, dass ich mit keiner Beschreibung dem Buch und seinem Thema so richtig gerecht werde.
Dafür vermittelt das sehr gelungene Cover eindringlich die Kälte, Einsamkeit und Verlorenheit, die beide -Tess und Bee- in unterschiedlichen Situationen ihres Lebens gefühlt haben müssen.
Fazit:
Ich wünsche der Autorin für diesen ihren ersten Roman viele gefesselte, nachdenkliche Leser und hoffe, in Zukunft noch mehr von ihr lesen zu können.
Überzeugte 10 Punkte
UNBEDINGT LESEN!!!