Türkei in die EU: Debatte wird immer aggressiver

  • http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,332484,00.html


    Die Union sei unter anderem gegen den Eu-Beitritt der Türkei, weil ansonsten "Bandenkriege" und vermehrte "Terrorgefahr" drohe.


    Wie tief kann eigentlich diese Partei, die nur mehr durch Populismus herrausstrahlen kann, denn noch sinken?


    Es gibt bei weitem bessere Argumente gegen den Beitritt der Türkei, aber das was in dieser Debatte zum Teil von der Gegenseite vom Stapel gelassen wird, zeigt ganz offen die sonst in Watte gepackte, in Vorurteile gebadete Intoleranz.


    Gruß

  • Die Gesellschaft für bedrohte Völker schreibt dazu:
    Seit 1979 werden regelmäßige Razzien des Militärs in den kurdischen Dörfern durchgeführt. Seit August 1984 führt die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), in der Bundesrepublik mittlerweile verboten, einen Guerillakrieg gegen militärische und zivile staatliche Einrichtungen, aber auch gegen Kurden, die der Zusammenarbeit mit dem Staat bezichtigt werden. Dieser Aufstand wird von der türkischen Regierung nicht mit politischen Mitteln unter Einbeziehung der politisch arbeitenden kurdischen Opposition geführt, sondern mit brutalem militärischen Einsatz, der keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nimmt. Dem Bericht einer Untersuchungskommission des türkischen Parlamentes von 1998 zufolge wurden insgesamt 3.428 Dörfer zerstört und drei Millionen Kurden zu Flüchtlingen. Allein das kurdische Siedlungszentrum in der Türkei Diyarbakir nahm ca. eine Million Flüchtlinge auf. 5.500 Zivilisten wurden in diesem brutalen Krieg getötet, 17.000 verletzt. 2.200 von 5.000 Schulen und 740 von 850 Gesundheitsstationen wurden geschlossen. Hinzu kamen Maßnahmen des Staates wie Weideverbot, Verminung der Almwege. Die Politik im Staat wird faktisch vom Nationalen Sicherheitsrat diktiert, der zu einer Art Staat im Staat geworden ist.


    Nur eine Frage, keine Bewertung:
    Kann ein Land wirklich der EU beitreten, wenn eben diese EU einem Teil der Bevölkerung aus jenem Land offiziell Asyl gewährt und sie als politisch Verfolgte einstuft?

  • Zitat

    Original von vallenton
    Kann ein Land wirklich der EU beitreten, wenn eben diese EU einem Teil der Bevölkerung aus jenem Land offiziell Asyl gewährt und sie als politisch Verfolgte einstuft?


    Du kannst auf ein anderes Land nur dann einwirken, wenn du mit ihm redest, nicht wenn du es in den Schmollwinkel treibst.
    Es geht um Beitrittsverhandlungen, die selbstverständlich nicht völlig ergebnisoffen sind. Das Ziel der Verhandlungen ist der Beitritt -- allerdings nicht der bedingungslose Beitritt. Die Herrschaften in Ankara werden einiges machen müssen, damit sich die Prozedur nicht als Rohrkrepierer erweist, und das wissen sie auch. Sie fangen ja schon an damit. Daß sie nicht sofort alles umstürzen, ist ihr gutes Recht -- es wäre auch gefährlich!


    Um mal einen Vergleich zu bringen: 1945 war Deutschland eine zertrümmerte Ex-Supermacht, 1949 erklärte sich die erste Regierung der neuen Bundesrepublik bereit, die Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches anzutreten. Dieser Staat wurde trotz der von seinen Vorgängern begangenen ungeheuerlichen Verbrechen in die UN aufgenommen, in die EWG, und Adenauer und deGaulle begründeten allem Geunke und Geschrei zum Trotz die deutsch-französische Freundschaft.


    Wenn unser Land trotz der Verantwortung für ungeheuerliche Verbrechen eine solche Chance erhielt, in die Völkergemeinschaft und in Europa aufgenommen zu werden, ja Europa erst richtig aufzubauen -- wer sind wir, das einem anderen Land zu verwehren? Wollen wir jetzt Leichenzahlen aufwiegen?


    Nichts für ungut, aber das Kurdenproblem ist ohnehin nur innerhalb einer europäischen Lösung zu lösen. Die EU-Mitgliedschaft ist keine Belohnung für Wohlverhalten, sondern eine mit großen Verpflichtungen (nicht nur finanziellen) verbundene Einladung.

  • Möchte völlig wertfrei ergänzen, dass meines Wissens sämtliche Beitrittsverhandlungen der EU bisher immer letztendlich zum Beitritt des entsprechenden Landes geführt haben... - das Ergebnis ist also zwar offen, aber steht mit einer gewissen, nicht näher bezifferbaren, Wahrscheinlichkeit doch schon irgendwie fest...

  • Ist vielleicht ein wenig OT jetzt, aber es wurde ja schon angesprochen.


    Ich bezweifle irgendwie, das Deutschland nach dem WK II so problemlos in Europa integriert worden wäre, wenn sich nicht bereits eine osteuropäische Bedrohung für den Westen abgezeichnet hätte. Ferner ist der Vergleich auch nicht ganz korrekt. Deutschland hat den Krieg verloren, ist vom Nationalsozialismus befreit worden und hat einen Neuanfang gesucht. Die Türkei hat diesen Schritt vielleicht geplant, aber wie schon geschrieben, wird eine Lösung wohl eher nach einem Beitritt erarbeitet werden können. Das sind zwei paar Schuhe.

  • Die Beitrittsverhandlungen beginnen gerade erst. Mit einem Beitritt ist erst in 10, 15 Jahren zu rechnen. In dieser Zeit muß und wird sich vieles ändern.


    Ihr tut gerade so, als wäre die Türkei morgen in der EU, was schlichtweg Quatsch ist. Der Beitritt setzt voraus, daß zum gegebenen Zeitpunkt das gesamte Staatssystem in einem Zustand ist, der die Achtung der Menschenrechte garantiert. Ist dem nicht so, wird die Prozedur verschoben. Auch wenn das aus heutiger Sicht unwahrscheinlich ist: Der Beitritt kann sogar platzen, wenn die Umstände zum Tag X entsprechend sind.

  • In 10 - 15 Jahren? Bist du da sicher?
    Ich habe gehört, das die ersten Türken für ihren Dönerlanden in der BRD bereits die Konzession beantragt haben.

  • Zitat

    Original von vallenton
    In 10 - 15 Jahren? Bist du da sicher?


    Beitrittsverhandlungen sind keine schnelle Geschichte -- das dauert. Der Beitritt ist wirklich erst in mindestens 10 Jahren geplant, Beobachter rechnen eher mit 15 Jahren, weil es ja auch Auflagen für die Währungsgemeinschaft gibt.


    Zitat

    Ich habe gehört, das die ersten Türken für ihren Dönerlanden in der BRD bereits die Konzession beantragt haben.


    Ich habe keine Ahnung, was du meinst ... wenn du in Deutschland einen gastronomischen Betrieb aufmachen willst, brauchst du immer eine Konzession und die hängt von der Kommunalverwaltung ab (bei uns in Marburg wird wegen der hohen "Kneipendichte" z.B. derzeit nur noch dann eine erteile, wenn ein Betrieb dichtmacht). Also braucht sowieso jeder Dönerbudenbetrieber eine Konzession ... und wir haben ja schon einige bei uns. Da dürften Neuzulassungen es eher schwer haben, denn Konzessionen werden nicht unbegrenzt erteilt!
    (Ich habe brotberuflich vorrangig mit Gastronomie- und Hotelbetrieben zu tun)


    Wo hast du das eigentlich her? :wow

  • Zitat

    Original von Historikus
    http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,332484,00.html


    Die Union sei unter anderem gegen den Eu-Beitritt der Türkei, weil ansonsten "Bandenkriege" und vermehrte "Terrorgefahr" drohe.


    Wie tief kann eigentlich diese Partei, die nur mehr durch Populismus herrausstrahlen kann, denn noch sinken?
    Gruß


    His,
    in der Frage wirst du in diesem unseren... noch dein blaues Wunder erleben.
    Der Schoß ist fruchtbar noch
    magali
    (die bekanntlich ohne Zitate nicht leben kann) :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Phantasia
    Möchte völlig wertfrei ergänzen, dass meines Wissens sämtliche Beitrittsverhandlungen der EU bisher immer letztendlich zum Beitritt des entsprechenden Landes geführt haben... - das Ergebnis ist also zwar offen, aber steht mit einer gewissen, nicht näher bezifferbaren, Wahrscheinlichkeit doch schon irgendwie fest...


    Das sehe ich ehrlich gesagt auch als das eigentliche Problem an. Es ist nun kaum vorstellbar, dass die EU und die Türkei 10 oder gar 15 Jahre miteinander verhandeln und dann sagen: "Okay, wie haben es uns überlegt, wir machen es nicht."


    Die Verhandlungen drhen sich daher nicht wirklich um das Ob, sondern nur um das Wie.

  • hi, vallenton,
    die Kurden sind wirklich ein zentraler Punkt. ich kann's nicht lösen. Könnte man argumentieren, daß Beitrittsverhandlungen ihre Chancen langfristig verbessern? Endlich ein Ende von 'Ostanatolien'?
    Und Iris, ich glaube auch nicht, daß sich das mit Deutschland nach 1945 vergleichen läßt. In der NATO ist die Türkei ja. Was schert da jemand die Menschenrechte? Ist gar nicht so lange her, daß dort eine wüste Militärdiktatur herrschte.
    Die Entwicklung der BRD ist tatsächlich vor allem ihrer geostrategischen Lage geschuldet. Warum wurde hier soviel geld reingepumpt? Nicht mal die allierten hatten das. England ging's lange dreckig nach dem Krieg. Und warum haben wir soviele Reaparationen nicht bezahlt, die heut an die Tür klopfen (entschuldige die metapher!). Die DDr hat gezahlt, mit ein Grund, warum die ökonomisch NIE auf die Beine kamen
    Die ganze angeblich öffentliche Diskussion ist einfach Heuchelei. Sie produziert bloß Feindbilder und genau das soll sie. Keine Partei hat mehr Inhalte, also müssen sie sich was anderes holen.
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Historikus


    Wie tief kann eigentlich diese Partei, die nur mehr durch Populismus herrausstrahlen kann, denn noch sinken?


    Gruß


    Hi His,


    du must die arme, arme CDU verstehen: Nach der Sachsen-Wahl will sie natürlich jede rechte Stimme für sich und fängt schon mal an, ihre Netze auszuwerfen :peitsch


    Es ist so offensichtlich, dass es zum Kotzen ist.


    bis zur Wahl 2006
    Jules