• Zitat

    Wenn nun gewaltloser Widerstand eine Form der Gewalt darstellt, dann heißt das, dass der Staat auch als Einziger gewaltlosen Widerstand leisten darf.


    Der Staat darf darüberhinaus auch gewalttätigen Widerstand (Widerstand ist aber, s.o., immer eine Form von Gewalt) ausüben.


    Zitat

    Ich frage mich nur: Gegen wen?


    Gegen alle, die andere schädigen, in ihren Rechten beschneiden, gegen Gesetze verstoßen usw. usf.


    Es gibt nur zwei Fälle, in der das Gewaltmonopol aufgegeben wird, nämlich in Notwehrsituationen und im Krieg. Der Widerstand gegen Nazis ist aber - so leid es mir tut - keine Notwehrsituation. Und ganz sicher auch kein Krieg.

  • Tja, da treffen wohl unterschiedliche Definitionsansätze sowie juristische Auslegungen aufeinander.


    Das klingt zwar irre, aber nach der neueren Rechtsprechung ist der Gewaltbegriff erheblich ausgeweitet worden, nämlich auch auf das Blockieren von Verkehrswegen und Sitzblockaden (z. B. in der Rechtsprechung zu den Castortransporten nachzulesen). Obwohl sich die betroffenen Demonstranten gerade hierbei auf die Gewaltlosigkeit ihrer Aktionen berufen, wird die Handlung von den Gerichten als Gewaltanwendung verstanden und entsprechend geahndet.

  • Hallo, Idgie.


    Zitat

    Das klingt zwar irre


    Finde ich nicht. Wenn mich jemand an etwas hindert, zu dem ich berechtigt wäre, die Freiheit habe, dann übt derjenige Gewalt gegen mich aus, obwohl es zu keiner körperlichen Auseinandersetzung und/oder Versehrung kommt. Er tut das auch dann, wenn er diese Gewaltausübung mit vermeintlich hehren politischen Zielen verbindet und für sich beansprucht, auf der "richtigen" Seite zu stehen. Nötigung ist Gewalt. Freiheitsberaubung ist auch Gewalt.


    Daß in den letzten Jahrzehnten das Demonstrationsrecht auf derlei gewalttätige Aktionen ausgeweitet wurde, und zwar einseitig, ändert nichts daran, daß hier keine Meinungsäußerung mehr stattfindet (und zu dieser und nur zu dieser berechtigt das Demonstrationsrecht), sondern darüberhinaus versucht wird und wurde, einen Schaden anzurichten oder den "Gegner" über die Meinungsäußerung hinaus in seinen Rechten einzuschränken, wenigstens vorübergehend.


    Das hat nichts mit der Inkaufnahme von Unbequemlichkeiten zu tun, wie sie mit Demonstrationen jeglicher Art verbunden ist - etwa dem üblichen Verkehrskollaps (in Berlin ist alle zwei Minuten irgendeine Demonstration). Das wiederum muß hingenommen werden. Es geht um gezielte Aktionen mit dem Zwecke der Schädigung und/oder Hinderung des "Objektes" der Meinungsäußerung.

  • Iris
    Was genau findest Du denn daran absurd?


    Diesen Absatz (siehe unten) finde ich z. B. sehr schlüssig und auch informativ. Ich habe mir dazu ehrlich gesagt bisher (zu) wenig Gedanken gemacht.


    Zitat

    Original von Tom
    Daß in den letzten Jahrzehnten das Demonstrationsrecht auf derlei gewalttätige Aktionen ausgeweitet wurde, und zwar einseitig, ändert nichts daran, daß hier keine Meinungsäußerung mehr stattfindet (und zu dieser und nur zu dieser berechtigt das Demonstrationsrecht), sondern darüberhinaus versucht wird und wurde, einen Schaden anzurichten oder den "Gegner" über die Meinungsäußerung hinaus in seinen Rechten einzuschränken, wenigstens vorübergehend.


    Gruss,


    Doc

  • Schön, Tom ist auf meiner Seite und hat schon alles viel besser gesagt als ich es könnte, so ein Kurzurlaub hat seine Vorteile... grins.....


    (Ich hab gerade nach einer halbwegs vernünftigen und verständlichen Definition von Gewalt gesucht, aber bin leider nicht fündig geworden. Besser als es hier schon geschrieben wurde, kann man es auch nicht sagen)

  • Stimmt, BJ, Tom hat es treffend definiert. Aber ich bin mir auch im Klaren darüber, daß jemand, der vom Rechtswesen unbeleckt ist, das ganze auch als absurd empfinden kann. Aber so ist es nun in der Juristerei.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Aber ich bin mir auch im Klaren darüber, daß jemand, der vom Rechtswesen unbeleckt ist, das ganze auch als absurd empfinden kann. Aber so ist es nun in der Juristerei.


    Und wieder mal sagt 's genau der Richtige!

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Was genau findest Du denn daran absurd?


    Der eine wirft die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der in diesem Fall angewendeten Mittel auf und die Antworten werfen ihm mittels Totschlagsargumenten, die für den Schafschor der Farm der Tier hätten geschrieben sein können, vor, er setze sich für die falsche Sache ein. :pille


    Manchmal würde es einfach reichen, wenn die Leute lesen würden, was dasteht, anstatt hineinzuinterpretieren, was damit gemeint sein könnte.

  • Eigentlich wollte ich ja gar nichts mehr dazu sagen, da ich den Eindruck gewonnen habe, dass ich eh an dem einen oder anderen vorbei rede (i.e. schreibe). Doch ...


    Also noch einmal zum für mich zentralen Punkt.


    Es geht mir um die Verhältnismäßigkeit der Mittel!


    Auch wenn Tom das friedliche Sitzen auf der Straße und das Umsichschießen mit Pumpguns offenbar unter dem Sammelbegriff "Gewalt" prima vereint sieht, würde ich doch gerne den Begriff "Gewalt" in verschiedene Abstufungen einteilen.


    Ich bin der - völlig unmaßgeblichen - Meinung, dass friedliches Sitzen auf der Straße (ich habe keine Ahnung, ob die Antifas in Dorfen wirklich nur friedlich auf der Straße saßen) zu einer geringen Form der Gewalt gehört, die Anwendung von Pfefferspray und Schlagstöcken jedoch zu einer deutlich stärkeren Form.


    Die übliche Polizeirealität - soweit ich das durch das Fernsehen beurteilen kann - trägt dem ja heute auch deutlich Rechnung.


    Sitzblockaden werden daher üblicherweise nicht mit Schlagstöcken, sondern durch Wegtragen der Blockierer beseitigt. So wird einer friedlichen Form der Gewalt durch eine andere friedliche Form der Gewalt begegnet.


    Wenn ich aber jede Form der Gewalt zur Durchsetzung des Rechts billige, dann könnten demnächst z.B. auch die Castor-Transporte deutlich beschleunigt werden. Einfach weiterfahren!


    Quintessenz: Gerade weil in meiner Wahrnehmung das im Artikel besagte Polizeiverhalten (noch einmal: Ich kann nicht beurteilen, inwieweit er der Wahrheit entspricht) eher untypisch für das heute übliche Verfahren ist, hat es mich so erstaunt.


    Und übrigens: Meine Haltung zu diesem Thema wäre keinen Deut anders, wenn eine Demo von Antifas durch eine Sitzblockade von Nazis behindert worden wäre.

  • Hallo, Iris.


    Zitat

    Der eine wirft die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der in diesem Fall angewendeten Mittel auf und die Antworten werfen ihm mittels Totschlagsargumenten, die für den Schafschor der Farm der Tier hätten geschrieben sein können, vor, er setze sich für die falsche Sache ein.


    Mmh ... wenn ich Dich richtig verstehe, empfindest Du es als unverhältnismäßig, daß die Polizei gegen die "Störer" vorgegangen ist, weil es eine "richtige Sache" war, für die sie sich eingesetzt haben, wohingegen es umgekehrt nicht verhältnismäßig/gerechtfertigt ist, wenn also böse Jungs auf diese Art "stören", während auf der anderen Seite für gute Dinge gestritten wird? Irgendwie läßt sich das, sofern es keine Fehlinterpretation ist, nicht mit meinem Verständnis von Freiheit und Gleichheit vereinbaren. :wow


  • Ganz ehrlich??? Weißt du wie oft ich mir das schon gewünscht hab, wenn ich mir mal wieder da den Arsch abfrieren drufte, dabei zugeguckt habe wie Millionen von Steuergelden in die Luftgeblasen werden, ich mit Farbbeuteln beworfen wurde, Steine in meine Richtung flogen und ich kilometerweit neben einem beschissenen Zug herrennen mußte, weil sich Hänschen Lebt-ohne-Strom mal wieder an die Schienen gekettet hat?

  • Hallo, Rabarat.


    Zitat

    Sitzblockaden werden daher üblicherweise nicht mit Schlagstöcken, sondern durch Wegtragen der Blockierer beseitigt. So wird einer friedlichen Form der Gewalt durch eine andere friedliche Form der Gewalt begegnet.


    "Üblicherweise"? Gibt es irgendwo Gesetze oder Vorschriften, die bestimmen, daß gemäß § 17, Abs. 23, Satz 117 des Demonstrationsrechts auf Sitzblockaden dadurch zu reagieren ist, daß die Blockierer "weggetragen" werden?


    Hier wird auf seltsame Art mit dem Demonstrationsrecht umgegangen, das ich für ein hehres und sehr wertvolles Rechtsgut halte. Wer andere daran hindert, die Meinung zu äußern, verhält sich mitnichten "friedlich gewalttätig". Natürlich sollte körperliche Gewalt das äußerste Mittel sein.


    Übrigens habe ich nirgendwo - ich habe gerade ziemlich umfassend gesucht - Hinweise auf Verletzungen oder ähnliches finden können. Nur diesen ziemlich interessanten Artikel auf einer Site namens "marktplatz-oberbayern.de":


    Indes wird in rechten wie in linken Internet-Foren die Demo für Propagandazwecke ausgeschlachtet. "Die hässliche Fratze des in der BRD installierten Scheindemokraten-Systems zeigte sich heute in Form von kriminellen, alkoholisierten, offensichtlich drogenkontaminierten ,Personen`, welche keinen Halt vor gewalttätigen Übergriffen gegen die friedlichen Demonstranten der Initiative ,Schöner Leben in Dorfen` machten", heißt es auf den Internetseiten der Neonazis.


    In linken Foren wird der Polizei vorgeworfen, sie habe den "Nazis den Weg freigeprügelt". Polizeikräfte hätten "regelrecht Hetzjagd auf überwiegend junge AntifaschistInnen gemacht", es sei vielfach zu Verletzungen gekommen, wird behauptet. Und: "Staat und Nazis Hand in Hand . . . Während Bullen-Schläger den Faschisten die Straße freiprügelten, wurden im Vorfeld antifaschistische Gegenveranstaltungen verboten."

  • Zitat

    Original von Tom
    Mmh ... wenn ich Dich richtig verstehe, empfindest Du es als unverhältnismäßig, daß die Polizei gegen die "Störer" vorgegangen ist, weil es eine "richtige Sache" war, für die sie sich eingesetzt haben, wohingegen es umgekehrt nicht verhältnismäßig/gerechtfertigt ist, wenn also böse Jungs auf diese Art "stören", während auf der anderen Seite für gute Dinge gestritten wird? Irgendwie läßt sich das, sofern es keine Fehlinterpretation ist, nicht mit meinem Verständnis von Freiheit und Gleichheit vereinbaren. :wow


    Das ist definitiv eine Fehlinterpretation -- wobei es hier ohnehin nicht um mein Posting geht, sondern um Rabarats, um auch das mal klarzustellen. Denn -- ich bitte um ausdrückliche Zitation mit korrektem Stellenvermerk -- wo habe ich in diesem Thread den von dir postulierten Schwachsinn denn geschrieben?


    Dein "Statement" enthält außerdem eine niedliche kleine Unterstellung, die erst von dir selbst ins Spiel gebracht wurde: Erst du schriebst etwas von den "guten" und den "bösen", die man da wohl meine.

  • Zitat

    Original von Babyjane


    Ganz ehrlich??? Weißt du wie oft ich mir das schon gewünscht hab, wenn ich mir mal wieder da den Arsch abfrieren drufte, dabei zugeguckt habe wie Millionen von Steuergelden in die Luftgeblasen werden, ich mit Farbbeuteln beworfen wurde, Steine in meine Richtung flogen und ich kilometerweit neben einem beschissenen Zug herrennen mußte, weil sich Hänschen Lebt-ohne-Strom mal wieder an die Schienen gekettet hat?


    Meinst du, ich verstehe das nicht? Wenn du meine Beiträge hier gelesen hast, dann sollte dir klar sein, dass ich hier keine Anti-Polizei-Haltung einnehme. Dass ihr oft einen Scheißjob erledigen müsst, ist mir absolut klar.


    Dass einem da vor Ort schier der Kragen platzen kann, ist völlig nachvollziehbar. Trotzdem hoffe ich, dass du - wenn du wieder daheim bist und nicht mehr frierst - nicht wirklich befürwortest, dass die Protestierer einfach vom Zug überfahren werden (wenn sich - wie zuletzt geschehen - ein Knallkopf in letzter Minute direkt hinter einer Kurve aufs Gleis legt - ist es eh nicht zu verhindern).


    Ich finde Strategien der Deeskalation sehr gut. In Ländern, in denen seit Jahrzehnten versucht wird Gewaltprobleme mit noch mehr Gegengewalt zu lösen, finden sich im ewigen Krieg wieder (Israel).

  • Rabarat:


    Hast du richtig erkannt... :grin


    zurück zum Thema...


    Deeskalation ist auch hier immer wieder ein Thema und jeder Polizeiführer schreibt sich dieses Wort am liebsten in roten Buchstaben aufs Mützchen.
    Leider bringt es nicht immer den gewünschten Erfolg.


    Und gerade das von dir erwähnte *WEgtragen* gibt die Polizei nur allzu oft der Lächerlichkeit preis, denn ich trage hier in mühsamer Kleinstarbeit 30 Leute von a nach b damit sie sich an Punkt c wieder auf die Straße hocken und da fang ich dann von vorne an.


    Tschuldigung, aber da frag ich mich dann doch, ist das Polizei oder Kasperletheater.

  • "Deeskalation" ist nur nötig, wenn Eskalation ansteht. Ich empfände es als weitaus angenehmer, wenn die Demonstrations- und Protestkultur auf jede Form von Gewalt verzichten und sich auf die Meinungsäußerung reduzieren würde - meinetwegen sehr, sehr drastisch und plakativ, aber eben auch wirklich gewaltfrei. Auf allen Seiten.

  • Zitat

    Original von Tom
    Sorry, Iris, ich wollte Dir nichts unterstellen - aber worauf beziehst Du Dich in puncto "Verhältnismäßigkeit"?


    Read my words, not my mind!


    Ich habe zum Thema gar nichts gesagt, nur, daß ich die Diskussion absurd finde, weil nur stichwortartig die Totschlagargumente gezückt wurden.


    Was für eine Diskussionskultur!!!